CANNES 2018: Kurzkritik zu A.B. Shawky: Yomeddine (2018)

Yomeddine – zu deutsch Tag des Jüngsten Gerichts – erzählt die Geschichte des an Lepra erkrankten, deformierten Beshay, der sich nach dem Tod seiner geisteskranken Frau zusammen mit dem Waisenkind Obama auf einen Roadtrip quer durch Ägypten begibt, um die Wurzeln seiner Herkunft aufzuspüren. Diese vielen Unglücksmomente wie Krankheit, Tod, Armut, Ausgrenzung, familiäre Entwurzelung und Entfremdung zusammengenommen, ergeben bereits im Ausgang ein leicht übertriebenes und aufgesetzt wirkendes Konglomerat an Themen, mit dem die beiden Charaktere gleichermaßen wie das Publikum von Anfang an überfrachtet werden.


Szene aus Yomeddine

Die Zielsetzung von Yomeddine zu entziffern gestaltet sich schwer. Der Film erhebt keine auch nur subkutane Anklage gegen die sozialen oder politischen Umstände Ägyptens. Auch ein authentisches Gesellschaftsporträt, das semi-dokumentarisch die harten Lebensbedingungen der Charaktere abbilden würde, ist nicht aufzufinden. Nach eigenen Angaben des Regisseurs soll ein reiner feel good-movie intendiert gewesen sein. Mit den vielen oberflächlichen und schematischen Figuren, dem häufigen sentimentalen Einsatz von Musik und dem obligatorischen Happy-End ist Shawky dies leider auch hinreichend gelungen. Dennoch mag selbst Mitgefühl mit Beshay und Obama nicht zuletzt aufgrund des seichten und ungelenken Stilmitteleinsatzes nicht recht aufkommen.

Es zeigen sich die typischen Schwächen eines Erstlingswerks, die primär im unsicheren Umgang mit Stil und Grundton des Films zu finden sind. So zeigt Yomeddine locker aneinandergereihte, wenig kohärente Szenen des Alltag der beiden Protagonisten und deren fortwährender Demütigung. Nach nur wenig Spielzeit gelangt der Film denn auch zum dramaturgischen Herzstillstand und wirkt in seiner Parabolik vom Guten im Menschen und der Vision von Hoffnung und Humanität in einer ansonsten so grausamen Welt selbst ebenso hilflos und ideenfrei.


Szene aus Yomeddine

An einem Ort wie Cannes, der rund um die Kinos von demonstrativ exponierten Reichtum, Konsumdenken und Luxus geprägt ist, sind Filme wie Yomeddine, der das Schicksal derer zeigt, die am untersten Ende der Gesellschaft ums Überleben kämpfen bitter nötig und setzen ein willkommenes Kontergewicht. Dadurch jedoch, dass Shawky ausschließlich darum bemüht ist, seine Programmatik rund um die von ihm intendierten Ideale gesellschaftliche Solidarität und Humanität abzuarbeiten, ohne wahrhaftig an seinen Figuren interessiert zu sein, schlittert er gerade auch noch an diesem Ziel vorbei. Beshay und Obama verkommen so zu Schablonen zur Realisierung eines Konzepts, das frühzeitig verstanden ist und ohne jeden intellektuellen oder emotionalen Anspruch arbeitet.

Yomeddine ist ein gut gemeintes Debüt, das weder dramaturgisch noch kinematografisch noch emotional überzeugen kann.

by ehemaliger Mitarbeiter
Photos © Festival de Cannes + FDC