„Oscar“ 2015 - Rückblick und Einordnung der „Oscar“-Verleihung


Die „Oscar“-Verleihung 2015 ist schon wieder Geschichte. Doch ein kleiner Rückblick lohnt sich. Denn obwohl die Show wie immer gut inszeniert war, bleiben bei der Verteilung der begehrten Trophäen einige Fragen offen. Die Mehrzahl der Preisträger war nachvollziehbar. In einigen Kategorien wurde von den Entscheidungsträgern allerdings nicht das gemacht, wofür die „Oscars“ eigentlich stehen sollten: den besten Film in der jeweiligen Kategorie auszuwählen.

Oscar-Verleihung 2015 Neil Patrick Harris Wie bereits in der Vorschau berichtet, gab es vielerorts Kritik an der „Oscar“-Jury, zumal viele Entscheidungsträger nicht alle nominierten Filme geguckt haben sollen.

Schon die Auswahl in den jeweiligen Kategorien war nicht immer nachvollziehbar.
Und selbst wenn man nur die nominierten Filme betrachtet, hat in vielen Fällen nicht der beste Film gewonnen.
Das war schon in den Nebenkategorien der Fall. Der „Oscar“ für die besten visuellen Effekte ging an „Interstellar.“
Ein Film, den zwar viele Zuschauer und Kritiker herausragend fanden, der aber auch (völlig zurecht) seine Kritiker hat, da der überbordende Score des sonst so genialen Hans Zimmer an vielen Stellen unpassend- und vor allem der schlecht abgemischte Ton war ein weiterer Minuspunkt, da die Soundeffekte die Dialoge überlagerten. Das soll zwar gewollt gewesen sein, die erwünschte Wirkung hatte das aber nicht. Dass dieser Film, einer der schwächeren von Christopher Nolan, nun den „Oscar“ für die besten visuellen Effekte gewann, ist verwunderlich. Schließlich ist die Liste der Filme, die in dieser Kategorie besser und aufwendiger gestaltet waren, lang. Hier seien nur einige genannt. „Planet der Affen: Revolution“, „Edge of Tomorrow“, „Guardians of the Galaxy“, „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“, „The Return of the First Avenger“ und „Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere.“
Es ist erstaunlich, dass der visuell herausragende letzte Teil der „Hobbit“-Trilogie nicht mal in den Kategorien Ton oder Effekte gewonnen hat, teilweise gar nicht nominiert war. Was die Jury da im Sinn hatte, ist ein Rätsel.
Denn dem vor US-Patriotismus übertriefenden „American Sniper“ den „Oscar“ für den besten Tonschnitt zuzuschanzen, ist schon sehr fragwürdig, da der Tonschnitt zwar gut, aber nicht der Beste des Jahres war. In dieser Kategorie ist ebenfalls beachtlich, wer alles nicht nominiert wurde (siehe Liste visuelle Effekte).

Whiplash Filmplakat Oscar-Verleihung 2015 Wenigstens hat „Whiplash“ den Award für den besten Ton und den besten Schnitt bekommen. Beides verdient. Der Ton war sehr gut abgemischt und spielte eine große Rolle. Der Schnitt war exzellent und voller überraschender Wendungen.
Ebenso loben muss man die Entscheidungsträger für die Auswahl von „Glory“ (gesungen von John Legend und dem rappenden Schauspieler Common) als besten Filmsong aus „Selma.“
Der Film über Martin Luther King sorgte neben der Nicht-Berücksichtigung von „The LEGO Movie“ für die größten Irritationen. Nur zweimal wurde der vielleicht wichtigste Geschichtsfilm der letzten Jahre nominiert. Warum in der Kategorie bester Film, nicht aber in der für beste Regie? Muss man nicht verstehen. Diffiziler und besser als die afroamerikanische Regisseurin Ava DuVernay kann man einen Film nicht gestalten. Es stimmt nachdenklich, dass „Selma“ so oft übergangen wurde.

Erfreulich ist hingegen der „Oscar“ für die herrlich-verspielte Filmmusik von „Grand Budapest Hotel“. Der Film wurde auch noch in den Kategorien bestes Make-up und beste Frisuren, bestes Kostümdesign und bestes Szenenbild ausgezeichnet, was absolut gerechtfertigt ist.

Der in Deutschland mitproduzierte Film „Citizenfour“ über „Whistleblower“ Edward Snowden konnte den Award für den besten Dokumentarfilm zurecht gewinnen. Wobei die Auswahl hier so stark war (Das Salz der Erde von Wim Wenders, dazu Virunga), dass jeder der Nominierten ein akzeptabler Sieger hätte sein können.

In der Kategorie beste Kamera war hingegen schon die Auswahl verwunderlich. Denn die fünf nominierten Filme waren allesamt weit davon entfernt, der beste Film in dieser Rubrik zu sein. Aber hier haben sich die Entscheidungsträger wohl gegen die aufwendig gemachten Blockbuster entschieden, obwohl diese in Sachen Kameraführung deutlich besser waren. „Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“ konnte hier gewinnen, weil die Handkamera gefühlt nicht einmal abgesetzt hat und dynamisch, aber nicht perfekt war. Dafür gab es zu viele unruhige Sequenzen. Aber die Schauspieler wurden vorzüglich eingefangen, sodass der Award, wenn man nur die nominierten Filme betrachtet, als gerechtfertigt angesehen werden kann.

Baymax Filmplakat Oscar-Verleihung 2015 Lobenswert ist, dass „Liebe geht durch den Magen“ als bester animierter Kurzfilm (lief vor „Baymax – Riesiges Robowabohu) ausgezeichnet wurde. Dieses berührende, wundervoll gemachte Werk hat die Auszeichnung verdient. „Baymax“ wurde dann nachvollziehbarerweise auch als bester Animationsfilm prämiert. Hier war lediglich der herausragende „Drachenzähmen leicht gemacht 2“ auf gleicher Stufe wie das neuste Meisterwerk von Walt Disney Pictures.

Deutlich mehr Diskussionen gab es bei dem „Oscar“ für den besten fremdsprachigen Film. Denn auch hier war die Liste der letztlich ausgewählten Werke verwunderlich, fehlten doch Meisterwerke wie „Das finstere Tal“ (Österreich, mit dem US-Amerikaner Sam Riley als Zugpferd), „Pride“ oder „Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit“ (England). So gewann der polnische Beitrag „Ida“ und das nicht unverdient.

Hoch anzurechnen ist den Entscheidungsträgern, dass „The Imitation Game“ die Trophäe für das beste adaptierte Drehbuch erhielt, was der Welt eine bemerkenswerte Rede von Drehbuchautor Graham Moore einbrachte.
Dennoch muss man den Film um das Mathegenie Alan Turing als einen der großen Verlierer der „Oscars“ ansehen. Während der meisterliche Film immerhin in dieser Kategorie gewann, hatte er in allen anderen Rubriken das Nachsehen.
Der Award für „Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“ für das beste Originaldrehbuch ist leicht fragwürdig, aber zumindest im Ansatz verständlich, da es viele witzige, kluge Anspielungen und gute Dialoge gab, zudem wurde die vermeintliche Traumfabrik Hollywood gekonnt auf die Schippe genommen.
Gleichwohl waren die vier Konkurrenten in dieser Kategorie allesamt interessanter und besser. Das gilt sowohl für das exzellente Sportdrama „Foxcatcher“, der unverdientermaßen nicht einen „Oscar“ bekam, für den brisanten, herausragenden Thriller „Nightcrawler“, für das kreative, herrliche „Grand Budapest Hotel“, aber vor allem für den filmischen Meilenstein „Boyhood.“
Die Auszeichnung für „Birdman“ wäre deutlich nachvollziehbarer und akzeptabler gewesen, wenn der Film nicht auch noch die „Oscars“ für die beste Regie und den besten Film des Jahres erhalten hätte. Das machte die Verleihung endgültig zu einer Farce, die nur mit Lobbyarbeit und Realitätsfremde zu erklären ist. Wie sonst kann es sein, dass der über zwölf Jahre gedrehte „Boyhood“, der die Gefühle mehrerer Generationen widerspiegelte, eine aus dem Leben gegriffene, anrührende Geschichte erzählte, ein hohes Identifikationspotenzial bot und viele intelligente, charakterstarke Szenen zu bieten hatte, nicht in einer wichtigen Rubrik ausgezeichnet wurde? Das ist wahrlich eine Schande!
Lediglich Patricia Arquette durfte sich verdientermaßen über ihre Trophäe als beste Nebendarstellerin freuen. Ansonsten hatte der ohnehin nur sechsfach nominierte Film von Linklater immer das Nachsehen und gilt ebenfalls als Verlierer der diesjährigen Verleihung.

Nur, damit wir uns nicht falsch verstehen: „Birdman“ ist ein klasse Film. Aber er gehört nicht zur Elite der Elite und sticht aus dieser noch hervor. Im Gegensatz zu den eben benannten Filmen, die nachhaltiger im Gedächtnis bleiben und ein packendere Geschichte zu erzählen hatten.

Julianne Moore in Still Alice Oscar-Verleihung 2015 Eddie Redmayne wurde als bester Hauptdarsteller für seine starke Leistung in „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ ausgezeichnet. Diese Auszeichnung hat sicher ihre Rechtfertigung, allerdings muss man festhalten, dass in dieser Kategorie doch eher Michael Keaton (Birdman) und Benedict Cumberbatch (The Imitation Game) den Award verdient gehabt hätten. Denn das Biopic über den weltbekannten Physiker Stephen Hawking war zwar interessant und gut, hatte im Schnitt und der Charakterdarstellung jedoch einige Schwächen. Betrachtet man das Gesamtwerk, hätten Cumberbatch und vor allem Keaton, der die Leistung seiner Karriere zeigte, gewinnen müssen. Aber Redmaynes Triumph war schon seit Wochen vorhersehbar.
Der beste Akteur in dieser Rubrik war aber jemand, der gar nicht nominiert war. David Oyelowo (Selma) mit seiner überwältigenden Darstellung von Martin Luther King.

Der letzte noch fehlende zu besprechende „Oscar“ war wohl die verdienteste Vergabe des Jahres. Julianne Moore für ihre meisterliche Darstellung der Alzheimer-Kranken Linguistin Dr. Alice Howland in „Still Alice – Mein Leben ohne gestern“.
Trotz der starken Konkurrenz von Reese Witherspoon (Der große Trip – Wild), Rosamund Pike (Gone Girl) und Marion Cotillard (Zwei Tage, eine Nacht) war dieser Award für die 54-jährige Moore hochverdient und ihre erste Auszeichnung nach vier Nominierungen ihre erste Trophäe.

Aufgrund der vielfachen Auszeichnung von „Birdman“ bleibt allerdings ein fader Nachgeschmack zurück.



by Stefan Bröhl


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