Porträt zu Sam Riley: Ein Schlag Verrücktheit
Sam Riley hatte es für seine Interviewtermine zu seinem neuen Film „Stolz & Vorurteil & Zombies“ im Dormero Hotel nahe des Kurfürstendamms nicht weit. Der am 8. Januar1980 als Sohn eines Handelsvertreters für Textilwaren und einer Kindergärtnerin in Leeds geborene Engländer lebt seit einigen Jahren in Berlin. Die Liebe führte ihn in die deutsche Hauptstadt. Während der Dreharbeiten zu „Control“ im Jahr 2006, wo Riley in seiner ersten großen Rolle Joy Division Frontmann Ian Curtis verkörperte und aufgrund seiner vielschichtigen, melancholischen Leistung seinen internationalen Durchbruch feiern konnte, lernte er die deutsche Schauspielerin Alexandra Maria Lara kennen – und lieben.

Mit Lara, die er im August 2009 heiratete, hat er seit 2014 einen Sohn. Dieser hat das Glück und wächst zweisprachig auf. Riley spricht mit ihm Englisch, Lara Deutsch: „Mein zweijähriger Sohn spricht besser Deutsch als ich.“ Doch auch Riley lernt – deutschen Kinderbüchern sei Dank – stets dazu, sodass er auf Deutsch auf die Frage nach seinen Sprachkenntnissen amüsiert mit „fast perfekt“ antworten kann.
Zwar hört man seinen englischen Akzent noch leicht, allerdings lange nicht mehr so deutlich, wie noch in dem meisterlichen österreichischen Western „Das finstere Tal“ (gedreht ab Januar 2013), wo Riley in hervorragender Manier die Hauptrolle des Greider spielte und Deutsch sprechen musste.
Schon zu Beginn des Interviews fällt auf, in welch guter Stimmung Riley ist. Er unterhält die anwesenden Journalisten und baut dennoch ernste, nachdenkliche Sätze in seine Ausführungen ein. Exemplarisch dafür ist seine Antwort auf die Frage, was ihn an dem doch etwas absurd klingenden Projekt gereizt hat: „Nun, ich hatte zuvor noch nie von dem Seth Grahame-Smith Buch gehört. Als mein Agent mir sagte, sie haben ein Drehbuch für „Stolz & Vorurteil“ dachte ich mir schon „oh Gott“, weil niemand das schon wieder sehen möchte. Wenn sie meine Mutter fragen, ist Colin Firth für immer Mister Darcy. Als mein Agent dann sagte, dass das Drehbuch „Stolz & Vorurteil & Zombies“ hieße, dachte ich im ersten Moment, er will mich verarschen.“ Das letzte Wort sagte er tatsächlich auf Deutsch. Schimpfwörter merkt man sich halt am schnellsten.
So lächerlich diese neue Version des 2010 erschienenen Buches für Riley zunächst auch klang, las er auf Anraten seines Agenten das Drehbuch in einem Zug aus. Ein gutes Zeichen. Um sich abzusichern, rief er seine Mutter an, die ihm empfahl, sich die „Stolz & Vorurteil“-Verfilmung mit Colin Firth anzugucken:
„Ich hatte das Buch in der Schule gelesen, konnte mich aber nicht erinnern, wie viel von Jane Austen noch im Drehbuch enthalten war. Deshalb schaute ich mir die BBC-Verfilmung an und las das Skript nochmal. Mir wurde bewusst, dass es alles andere als dumm war. Viel vom ursprünglichen Dialog ist enthalten. Dem Klassensystem in England fügten sie am Ende eine weitere Klasse hinzu – die Untoten.“ Auch die Darstellung des Mister Darcy gefiel Riley aufgrund der Andersartigkeit und Frische: „Ich dachte, wenn irgendjemand wieder Mister Darcy spielt, dann mit einem Samurai-Schwert, mit dem er Zombies die Köpfe abschlägt. (lacht)“

Wichtig war Riley auch noch ein anderer Aspekt: „Das Original ist sehr lustig, hat einen feinen Humor, den wir für „Stolz & Vorurteil & Zombies“ nochmal aufgedreht haben. Mit Samurai-Schwertern kämpfen, Kung-Fu einzubauen und Japanisch zu reden – weiter kannst du dich von Colin Firth nicht entfernen, wenn du denselben Typ spielst.“
Das einzigartige Szenario sei zudem etwas, dass die anderen Verfilmungen nicht haben. Riley ließ sich für seine Performance aber nicht nur von Firth´ Darstellung inspirieren. „Dafür nutzte ich auch andere Figuren wie Alex von „Uhrwerk Orange“ und Sean Connery als „James Bond“. Ich wollte meine Interpretation wie James Mason klingen lassen.“
Er führte im Anschluss noch eine interessante Einteilung aus: „Laurence Olivier spielte ihn und Matthew Macfadyen war in dem Keira Knightley-Film auch sehr gut. Colin ist Sean Connery, Macfadyen ist George Lazenby und ich bin Roger Moore. So sehe ich das.“
Nachdem Riley die Rolle also angenommen hatte, waren die Kampfszenen die größte Herausforderung. Denn viel Zeit, um fit zu werden, hatte er nicht. „Schauspieler sagen oft, dass sie sechs Monate für einen Film trainiert haben. Ich bin sicher, das ist meistens übertrieben, denn jeder Film, an dem ich bisher beteiligt war, konnte es sich nicht erlauben, einen für sechs Monate trainieren zu lassen. Man musste immer etwas in einem sehr kurzen Zeitraum erlernen.“
Das war auch hier der Fall. Ein interessantes Beispiel dafür hatte Riley ebenfalls parat: „Am Montag sitzt du zum ersten Mal auf einem Pferd und am Freitag musst du schon galoppieren. So war es wirklich in jedem Film, bei dem ich mitgemacht habe. Vielleicht, weil sie alle Low-Budget-Filme waren. (lacht)“
Das ist natürlich nicht ganz korrekt. Denn „Maleficent – Die dunkle Fee“, wo Riley an der Seite von Angelina Jolie und Elle Fanning als zum Menschen verwandelten Raben Diaval eine der tragenden Rollen spielte, war mit einem Budget von 180 Millionen US-Dollar und Einnahmen von 758.539.785 Millionen sicherlich kein kleiner Film. Er ist allerdings die Ausnahme. Ansonsten spielt Riley bevorzugt in Independent-Filmen mit. Wobei „Stolz & Vorurteil & Zombies“ mit einem kolportierten Budget von 28 Millionen Dollar eher ein mittelgroßer Film ist. Daher hatte Riley auch etwas Zeit, um sich seinen Charakter und vor allem dessen Kampfstil zu Eigen zu machen: „Das Training für die konkreten Kampfszenen dauerte etwa zwei bis drei Wochen. Das reicht gerade dafür, dass es aussieht, als würdest du dein ganzes Leben Kung-Fu und Schwertkampf machen.“ Er verletzte bei den durchchoreographierten Fights auch niemanden. Die Hauptdarstellerin des Filmes verpasste Riley jedoch einige blaue Flecken: „Lily James ist einfach gefährlich. Ich wurde ein paar Mal von ihr getroffen.“ Doch Riley „liebte all das“ und genoss die Zeit mit der toughen 27-Jährigen.

Mister Darcy spielte er daher wie eine Art „Punk-James-Bond.“
So tötete er wie 007 viele Gegner – in diesem Fall ausschließlich Zombies. Teilweise auf krasse Art und Weise: „ Einige Szenen wurden rausgeschnitten. Sie waren sich am Ende nicht ganz sicher, wie es aussehen würde, wenn Mister Darcy, der Inbegriff des britischen Gentlemen, auf Zombie-Kinder losgeht.“
Diese Szenen könnten dann in der Heimkinofassung enthalten sein, wie Riley vermutet.
Ein Sequel ist zweifelhaft. Feststehen tut allerdings noch nichts: „Ich denke, sie wollen erstmal sehen, ob der Film gut läuft. Sie sind ja nicht auf den Kopf gefallen.“ (lacht)
Denn natürlich hängt viel vom weltweiten Einspielergebnis ab. Bisher wurden am Box Office 17 Millionen wieder eingespielt. Die Aussage „niemand hat mich bis jetzt angerufen“ verdeutlicht allerdings, dass ein Nachfolger eher unwahrscheinlich ist.
Während die Horrorkomödie hierzulande erst am 9. Juni anläuft, startete der Film in den USA, Großbritannien und vielen anderen Ländern bereits Anfang Februar 2016 – mit äußerst mäßigem Erfolg. Auf der seit 1982 geführten Liste der größten Kinorausschmisse steht „Stolz & Vorurteil & Zombies“ bei Box Office Mojo auf Rang vier. Aufgrund des geringen Zuschauerinteresses zeigten von den anfangs 2931 Kinos in den USA nur noch 476 den Film auch in der dritten Woche nach dem Kinostart. Das ist in diesem Ausmaß dann doch erstaunlich, denn „Stolz & Vorurteil & Zombies“ ist definitiv kein schlechter Film.
Trotz dieser vernichtenden Zahlen ist Riley „ein glücklicher Mensch“, der sich seine Rollen nicht unbedingt danach aussucht, wie verrückt und abgedreht sie sind. Zumindest nicht absichtlich: „Diese Dinge sind einfach interessanter zu spielen. Ich denke nicht, dass ich besonders verrückt aussehe. Aber offensichtlich sehen doch einige das Potential in mir, es zu spielen.“

„So bin ich umgehend die Nahrungskette raufgeklettert. In der gesamten Nahrungskette bin ich noch immer hier (zeigt nach unten), aber ich bin schon weiter nach oben gesprungen. Und es hat mich nicht beeinträchtigt, großartige Arbeit zu finden. Ich fühle mich zwar nicht im klassischen Sinne als Teil der britischen Filmindustrie, aber vielleicht ist das auch gut so…“
Denn deshalb ist er unabhängig in der Auswahl seiner Rollen. So wird Riley in naher Zukunft in der Miniserie „SS:GB“ zu sehen sein, die auf dem erstmals am 24. August 1978 veröffentlichten, gleichnamigen Buch beruht. Hier haben nicht die Alliierten den Zweiten Weltkrieg gewonnen, sondern die Nazis. Das klingt wieder abgedreht.
Außerdem wird er an der Seite von „Oscar“-Preisträgerin Brie Larson und vielen anderen Stars im Krimithriller „Free Fire“ zu sehen sein.
Das Singen, eine seiner Leidenschaften hat er mittlerweile aufgegeben. „Ich vermisse es manchmal. Und ich habe hier Musiker-Freunde, die versuchen, mich nach ein paar Drinks zu überreden, es wieder zu tun, aber speziell jetzt, wo ich Vater bin, möchte ich keinen weiteren Grund haben, um von zu Hause weg zu sein.“
by Stefan Bröhl / Photos © SquareOne/Universum