„Oscar“-Verleihung 2015 - Wer wurde nicht nominiert? - Kritik an der Jury


Die Vergabe der begehrten „Oscars“ ist in beinahe jedem Jahr umstritten und wird vielerorts diskutiert. Gerade im vergangenen Jahr war die Preisverleihung für viele Cineasten in einigen Kategorien nicht nachvollziehbar.

Oscar-Verleihung 2015 Neil Patrick Harris Der große Abräumer war der von vielen Kritikern hochgelobte Science-Fiction-Film „Gravity“, der bei zehn Nominierungen sieben Mal gewinnen konnte. Bei einem Budget von 100 Millionen Dollar spielte er mehr als 714 Millionen Dollar ein und kann - wenn man nur die Zahlen betrachtet - als großer Erfolg gewertet werden. Doch bei den Zuschauern wurde der Film zwiespältig gesehen. Während Meisterwerke wie „12 Years a Slave“ und „Dallas Buyers Club“ lediglich drei Trophäen bekamen, gingen „The Wolf of Wall Street“ und „Captain Phillips“ sogar gänzlich leer aus.
So gab es teilweise harsche Kritik an der Jury, die ja schließlich die besten Filme des Jahres auswählen soll. Dass das aufgrund der Lobbyarbeit und der Lieblinge der Entscheidungsträger nicht immer der Fall ist, zeigt sich jedes Jahr aufs Neue.

Denn auch vor der diesjährigen Verleihung gab es viel Kritik. Einer der wichtigsten und besten Filme der letzten Jahre - „Selma“ - wurde lediglich in zwei Kategorien nominiert (Bester Film, Bester Song). Das stieß vielen Kennern sauer auf. Wer den Film gesehen hat und auf der Leinwand miterleben durfte, wie David Oyelowo mit einer grandiosen Vorstellung Martin Luther King verkörperte, der wird die Entscheidungsträger aufgrund der Nicht-Nominierung des 38-Jährigen in Frage stellen. Denn Oyelowo hat alles getan, was die Jury sonst belohnt: er hat erkennbar zugenommen, sich acht Jahre auf die Rolle vorbereitet und den Akzent Kings perfektioniert. Der Jury wurde in den USA gar Rassismus vorgeworfen, da „Selma“ so oft übergangen wurde und der ebenfalls afroamerikanische Schauspieler Chadwick Boseman für seine überragende Performance von James Brown im Biopic „Get on Up“ auch keine Nominierung erhielt.

Selma Filmplakat Oscar-Verleihung 2015 Doch die Causa „Selma“ ist nicht die einzige, die schon vor der Vergabe für Aufregung und Unverständnis sorgte. Denn warum das schwache, aber starbesetzte Musical „Into the Woods“, das in einigen Szenen die Grenze zur Lächerlichkeit überschritten hatte, dreimal nominiert (beste Nebendarstellerin, bestes Szenenbild, bestes Kostümdesign) ist, erschließt sich vielen Cineasten nicht.
Gleiches gilt für „Interstellar“. Dieser wurde unter anderem in den Kategorien (Beste Musik, bester Ton, bester Tonschnitt) nominiert, wo der Blockbuster mit Abstand am schwächsten war. Eine unerklärliche Farce. Zudem sorgte die Berücksichtigung von „Inherent Vice - Natürliche Mängel“ für Erstaunen. Ein typischer Kritikerfilm, der objektiv betrachtet bestenfalls solide ist. Sein Kultfilmpotenzial hat er leider verschenkt und darf sich dennoch über Nominierungen in den Kategorien „bestes adaptiertes Drehbuch“ und „bestes Kostümdesign“ freuen.

Starke Filme wie „Der große Trip - Wild“ wurden hingegen nur zweimal (beste Hauptdarstellerin, beste Nebendarstellerin) oder gar nur einmal berücksichtigt. Letzteres ist beim besten Blockbuster des Jahres und vielleicht der vergangenen Jahre der Fall. „Planet der Affen: Revolution“ wurde lediglich in der Kategorie „beste visuelle Effekte“ nominiert. Ein schlechter Witz. Es gab keinen zweiten Film, der seine Charaktere so ernst nahm und es dabei schaffte, die Motive mehrerer Seiten nachvollziehbar zu veranschaulichen. Des Weiteren waren die Parallelen auf die aktuelle Gesellschaft sehr gelungen. Einen besseren und nachvollziehbareren Antikriegsfilm gab es dieses Jahr nicht. Garniert wurde der Film mit überragenden, sehr aufwendigen Effekten, einer hervorragenden Musikuntermalung, beeindruckenden Landschaften, einer intelligenten Kameraführung und einer Tiefe, wie man sie bei einem Blockbuster selten erlebt. Das Gesamtgefüge war meisterlich, fand hier aber fast keine Berücksichtigung. Planet der Affen: Revolution Filmplakat Oscar-Verleihung 2015 „Edge of Tomorrow“ war knapp hinter „Revolution“ der zweitbeste Blockbuster und wurde nicht ein einziges Mal berücksichtigt. Unfassbar. Vielleicht weil Tom Cruise (Scientology) mitspielt?
Stattdessen kann sich das durchwachsene Stephen Hawking-Biopic „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ über fünf Nominierungen (bester Film, bester Hauptdarsteller, beste Hauptdarstellerin, bestes adaptiertes Drehbuch) in wichtigen Kategorien freuen.

Der herausragende Thriller „Gone Girl - Das perfekte Opfer“ wurde lediglich einmal berücksichtigt (beste Hauptdarstellerin), was vielerorts für Unverständnis und Erstaunen sorgte. Gleiches gilt für den brisanten Journalistenthriller „Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis“ (bestes Originaldrehbuch). Für den allseits beliebten „Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“ sind die Nominierungen in den Schauspielerkategorien mit Sicherheit gerechtfertigt. Neun Nominierungen sind allerdings auch für dieses starke, aber nicht über alle anderen Filme herausragendes Werk zu viel.
Für Filmfans außerhalb der USA wirken auch die Nominierungen der vom US-Patriotismus durchtrieften „American Sniper“ (sechs Nominierungen) und vor allem des handwerklich schwächeren „Unbroken“ (drei Nominierungen) befremdlich. „American Sniper Filmplakat Oscar-Verleihung 2015

Weiterhin verwunderlich ist, dass die Jury sich für die Kategorie bester Film entschieden hat, nur acht Filme zu berücksichtigen, obwohl man hier zehn Kandidaten hätte ernennen können. Es ist nicht so, dass es in diesem Jahr nicht genug Auswahl gegeben hätte.
Das gilt sowohl für die Kategorie „Bester Film“, als auch für die Kategorie „Bester Hauptdarsteller“, wo man auch Jake Gyllenhaal (Nightcrawler), Channing Tatum (Foxcatcher), Eddie Marsan (Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit), Tom Hardy (No Turning Back), Timothy Spall (Mr. Turner), Colin Firth (Magic in the Moonlight), Philip Seymour Hoffman (A Most Wanted Man), Brendan Gleeson (Am Sonntag bist du tot), Bill Murray (St.Vincent), Christoph Waltz (Big Eyes) oder Andy Serkis (Planet der Affen: Revolution) hätte nominieren können.

In der Kategorie „Bester Animationsfilm“ wurde mit großer Verwunderung festgestellt, dass zwei fantasievolle Filme nicht auf der Liste stehen. „Manolo und das Buch des Lebens“ und „The LEGO Movie“ hätten es allerdings beide verdient gehabt.
Auch in der Kategorie „bester Filmsong“ kann man nur bedingt einverstanden sein, da mit dem gefühlvoll-melancholischen „The Last Goodbye“ aus „Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere“ von Billy Boyd; dem coolen, eingängigen „Guts over Fear“ aus „The Equalizer“ (Eminem feat. Sia) und dem atmosphärischen „Hanging Tree“ aus „Die Tribute von Panem: Mockingjay Teil 1“ (Jennifer Lawrence) drei hervorstechende Songs fehlen.

So lässt sich schon vor der Verleihung heute Nacht festhalten, dass die Jury nicht die besten Filme des Jahres ausgewählt und sich in einigen Kategorien vertan hat.



by Stefan Bröhl


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