„Oscar“-Verleihung 2016 - Wer wurde nominiert und wer nicht?


In der Nacht von Sonntag auf Montag werden die wichtigsten Trophäen der Filmwelt vergeben: die „Oscars“.
Wie jedes Jahr sorgten die Nominierungen für Schlagzeilen, Kritik und Verwunderung. Bereits im Vorfeld der Verleihung vor einem Jahr wurde der Jury Rassismus vorgeworfen, weil das meisterliche Martin-Luther-King-Biopic „Selma“ lediglich zweimal nominiert wurde und auch andere Schauspieler ethnischer Minderheiten übergangen wurden.
Auch diesmal wurde Hashtag „?OscarsSoWhite?“ oft benutzt, weil erneut alle afroamerikanischen Kandidaten übergangen wurden. Nun stellt sich die Frage, ob ihre Leistungen nicht ausreichend genug waren oder die Vorwürfe gerechtfertigt sind.

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Angeführt wird das Feld der „Oscar“-Anwärter von „The Revenant – der Rückkehrer“, der für insgesamt zwölf Academy Awards nominiert wurde. Dicht gefolgt von „Mad Max: Fury Road“ (zehn Nominierungen). Diese beiden Kandidaten wurden neben „Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten“, „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ und „Raum“ völlig zu Recht als „Bester Film“ des Jahres nominiert. Alle haben eine herausragende Qualität. Bridge of Spies Tom HanksMit leichten Abstrichen gilt dies auch für „Bridge of Spies – Der Unterhändler“. Für die meisten Kritiker zählt auch „Spotlight“ zu den besten Filmen des Jahres. Es gab und gibt nur wenige Gegenstimmen. Denn die Geschichte und der Storyansatz sind überragend. Für die Umsetzung gilt dies aber nur bedingt. Man kommt den Charakteren trotz starker schauspielerischer Leistungen nicht nahe. Außerdem mangelt es an Spannung, weil die Kirche die Kreise der investigativ recherchierenden Journalisten nur minimal einschränkt. Auch offene oder unterschwellige Drohungen erzielen keine bedrohliche Wirkung. Aufgrund der Laufzeit von 128 Minuten gibt es daher einige Längen und Durchhänger, wo ein schnellerer Schnitt oder etwas mehr Charaktertiefe wünschenswert gewesen wären. Dass diese Aspekte nur wenigen Kritikern und Jury-Mitgliedern aufgefallen sind, ist erstaunlich, erklärt allerdings die Nominierungen und die Favoritenstellung in den Kategorien „Bester Film“, „Beste Regie“ und „Bestes Originaldrehbuch“.
Merkwürdig ist außerdem, dass der ebenfalls ein wichtiges Thema und auch auf wahren Ereignissen beruhende, viel spannendere, unterhaltsamere „Kill the Messenger“ nicht mal als Kandidat erwähnt wird, obwohl es hier ebenfalls um investigativen Journalismus geht und die unterschwellige Bedrohlichkeit, aus der der Film einen hohen Spannungsbogen erzielt, viel gelungener ist, als bei „Spotlight“. So unterschiedlich können Sichtweisen sein.
Verwunderlich ist zudem, dass das Meisterwerk „Sicario“, für viele der beste Drogenthriller der letzten Jahre, für einige sogar aller Zeiten, nur (und berechtigt) für die „Beste Musik“, „Beste Kamera“ und als weiteres Zugeständnis für den „Besten Tonschnitt“ nominiert wurde. Dabei wären auch Nominierungen in den Kategorien „Bester Film“; „Beste Regie“ (Denis Villeneuve), „Bestes Originaldrehbuch“ (Taylor Sheridan), „Beste Hauptdarstellerin“ (Emily Blunt) und „Bester Nebendarsteller“ (Benicio Del Toro oder Josh Brolin) hochverdient gewesen. Der packende, aufwühlende, durchaus realistische und US-kritische Film ist hart, ohne Gewalt zu glorifizieren und zeichnet sich durch eine nahezu perfekte Charakterdarstellung aus.
Als „Bester Film“ hätten auch „Ewige Jugend“, „Die Frau in Gold“, „Erschütternde Wahrheit – Concussion“, „Trumbo“ oder „Steve Jobs“ eine Nominierung verdient gehabt. Allerdings hätten sie alle wohl keine Chance gegen die Favoriten „The Revenant“ und „Spotlight“.

Dass „Straight Outta Compton“ nur für das „Beste Originaldrehbuch“ nominiert wurde, ist teilweise nachvollziehbar. Denn die Geschichte glorifiziert die Mitglieder der Hip-Hop-Crew N.W.A (Niggaz Wit Attitudes) einen Tick zu sehr, sodass Nominierungen in anderen Kategorien wie „Bester Film“ nicht gerechtfertigt wären. Doch warum wurde dieses dafür prädestinierte Biopic nicht für die „Beste Filmmusik“ berücksichtigt? Nachvollziehbar ist dies nicht. Auffällig ist dabei, dass alle fünf Kandidaten in der Endauswahl einen Score haben, der ausschließlich auf klassische Musik setzt. Typisch für weiße, ältere Leute, aus denen die Jury hauptsächlich besteht? Diesen Vorwurf mussten sich die Mitglieder schon im letzten Jahr anhören. Dieses Jahr waren mehrere Shitstorms sogar noch größer, ebenso der Aufschrei in vielen renommierten Medien. Rassismus wurde unter dem Hashtag „OscarsSoWhite“ zum Dauervorwurf. Dabei spielten die Filmmusikskandidaten nur eine untergeordnete Rolle. Vor allem in den Hauptkategorien fehlen auffällig viele Schauspieler und Filmschaffende ethnischer Minderheiten. Idris Elba für seine starke Leistung in „Beasts Of No Nation“, Michael B. Jordan für seine wuchtige Performance in „Creed“ und vor allem Will Smith für seine Meisterleistung in „Erschütternde Wahrheit – Concussion“, wo er mit überzeugendem afrikanischen Akzent, mimischer Vielfalt und feinen Zwischentönen gegen alle Widerstände der NFL ankämpft und sich seine Figur Dr. Bennet Omalu, forensischer Pathologe und Neurowissenschaftler, zu Eigen macht. Dass er nicht nominiert wurde, ist daher nicht zu verstehen. Natürlich sind in den Top-Five der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ keine unberechtigten Nominierungen zu finden. Leonardo Di Caprio Revenant Mit dem Favoriten Leonardo Di Caprio und seiner mimisch starken, aber nicht stärksten Karriereleistung in „The Revenant“, Michael Fassbender und seiner begeisternden Leistung in und als „Steve Jobs“, Bryan Cranston in „Trumbo“, wo er den gleichnamigen Dalton Trumbo fantastisch verkörpert, Matt Damon, der „Der Marsianer“ im Alleingang trägt und Eddie Redmayne mit seine überzeugenden Performance als transsexueller Einar Wegener in „The Danish Girl“ wurden gute Anwärter ausgewählt. Aber nicht die besten. Vor allem Redmayne hätte hier für Smith Platz machen können, spielt er doch in einem unterkühlten Film, der den Zuschauer kalt lässt und auch hinsichtlich der Charakterzeichnung viel Potenzial verschenkt. Doch Smith wäre nicht der einzige berechtigte Nachrücker gewesen. Auch Tom Hardy für seine exzellente Darstellung der Gangster-Zwillinge Reggie und Ronnie Kray in „Legend“, Ben Foster für „The Program“, wo er den umstrittenen Radfahrer Lance Armstrong hervorragend spielt, Johnny Depp für seine bedrohliche, intensive Performance des berüchtigten Bostoner Gangsterbosses James J. „Whitey“ Bulger in „Black Mass“, Ian McKellen für seine starke, tattrige Darstellung von Sherlock „Mr. Holmes“, Michael Caine für seine vielschichte Leistung in „Ewige Jugend“, Tom Hanks für seine nuancierte, charismatische Performance des James B. Donovan in „Bridge of Spies“, Joseph Gordon-Levitt, der den Hochseilkünstler Philippe Petit in „The Walk“ mit überzeugendem Akzent, viel Spaß bei der Sache und Tiefe verkörpert, Jeremy Renner für seine exquisite Leistung als investigativer Journalist Gary Webb in „Kill the Messenger“, Dane DeHaan in seiner Rolle exzentrischer James Dean in „Life“, Ryan Reynolds für seine Darstellung eines Schizophrenen in „The Voices“ und Schauspiellegende Robert De Niro für seine humoristische, charismatische und rührende Leistung in „Man lernt nie aus“ hätten eine Nominierung verdient gehabt. Die Qual der Wahl für die Jury.
Der Rassismus-Vorwurf lässt sich daher nur bedingt bestätigen. Auch in der Kategorie „Beste Regie“ ist Ryan Coogler für seine Neubelegung der Rocky-Reihe mit „Creed“ nicht der einzig-geschasste. Hier wurden Todd Haynes (Carol), Ridley Scott (Der Marsianer – Rettet Mark Watney), Steven Spielberg (Bridge of Spies – Der Unterhändler), Scott Cooper (Black Mass), Paolo Sorrentino (Ewige Jugend), John Crowley (Brooklyn), Danny Boyle (Steve Jobs), Jay Roach (Trumbo) und Simon Curtis (Die Frau in Gold) ebenfalls übergangen. Sauer stößt dabei auf, dass mit Tom McCarthy (Spotlight) und Adam McKay (The Big Short) zwei Regisseure unter den besten Fünf sind, die diese Nominierung nicht verdienen, weil ihre beiden Filme einige Längen und Schwächen aufwiesen. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass sie gewinnen, weil Alejandro G. Iñárritu (The Revenant) als klarer Favorit ins Rennen geht – und zwar hochverdient – dennoch sollten die besten Kandidaten ausgewählt werden und keine Zugeständnisse gemacht werden, wie es immer wieder der Fall ist.
Brie Larson Raum Die Auswahl in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“ ist hingegen nachvollziehbar. Hier wurden die besten Kandidaten mit Cate Blanchett (Carol), Brie Larson (Raum), Jennifer Lawrence (Joy – Alles außer gewöhnlich), Charlotte Rampling – (45 Years), Saoirse Ronan Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten) ausgewählt. Lediglich die bereits erwähnte Blunt, dazu Helen Mirren (Die Frau in Gold), Charlize Theron (Mad Max: Fury Road), Imogen Poots (Broadway Therapy), Anne Hathaway (Man lernt nie aus) und Sarah Gadon (A Royal Night Out) hätten ebenfalls in der Endauswahl stehen können. Das beweist: gute Filme mit Frauen in der Hauptrolle gibt es auch heutzutage noch viel zu selten. Als Favorit geht Brie Larson in die „Oscar“-Nacht.
Als „Bester Nebendarsteller“ sind Christian Bale (The Big Short), Tom Hardy (The Revenant – Der Rückkehrer), Mark Ruffalo (Spotlight), Mark Rylance (Bridge of Spies – Der Unterhändler), Sylvester Stallone (Creed – Rocky’s Legacy) nominiert. Ein Favorit kristallisiert sich leistungsmäßig nicht heraus, weil alle fünf großartige Leistungen boten. Vermutlich wird Stallone für seine bewegende Darstellung des Rocky Balboa gewinnen. Den Redeemer-Award bei der „Goldenen Himbeere“ hat der 69-Jährige schon gewonnen und ist damit nach vielen Negativpreisen rehabilitiert.
Genauso gut hätten sich in dieser Kategorie auch Michael Shannon (99 Homes), David Morse (Erschütternde Wahrheit – Concussion), Emory Cohen (Brooklyn), Jeff Daniels (Steve Jobs), Harvey Keitel (Ewige Jugend), Ben Kingsley (LIFE) oder Benicio Del Toro (Escobar: Paradise Lost) landen können.
In der Kategorie „Beste Nebendarstellerin“ sind Alicia Vikander (The Danish Girl), Jennifer Jason Leigh – (The Hateful Eight), Rooney Mara (Carol), Rachel McAdams (Spotlight), Kate Winslet (Steve Jobs) zu Recht nominiert. Viel mehr Auswahl gibt es nicht. Helen Mirren (Trumbo) spielt die exzentrische Hedda Hopper sehr gut, hat aber eine zu kleine Rolle bekommen. Gleiches gilt für Julie Walters (Brooklyn). Alle weiteren reichen nicht an die Leistungen der Nominierten heran. Einzig Alicia Vikander hätte anstelle von „The Danish Girl“ für „Ex Machina“ nominiert werden können.
Zwei weitere Kategorien sorgen mit ihren Nominierungen für Unverständnis, weil viel bessere Kandidaten außen vorgelassen wurden. „Mad Max: Fury RoadBei den „Besten visuellen Effekten“ sind mit „Ex Machina“, „Mad Max: Fury Road“, „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“, „The Revenant – Der Rückkehrer“ und „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ fünf Kandidaten nominiert, von denen vor allem „Ex Machina“ gegen „Jurassic World“, „Avengers 2: Age of Ultron“ oder auch „Terminator Genisys“ hätte ausgetauscht werden können, wenn nicht gar müssen. Auch wenn viele von den letztgenannten drei Filmen nicht begeistert waren: ihre Spezialeffekte waren herausragend und nur darum geht es in dieser Kategorie.

Die zweite fragwürdige Nominiertenliste findet sich in der Kategorie „Bester Filmsong“ wieder. Hier sind mit „Earned It“ (Fifty Shades of Grey) von Abel Tesfaye, Ahmad Balshe, Jason Daheala Quenneville, Stephan Moccio, „Manta Ray“ (Racing Extinction) von Joshua Ralph, Antony Hegarty, „Simple Song #3“ (Ewige Jugend) von David Lang, „Til It Happens To You“ (The Hunting Ground) von Diane Warren, Lady Gaga und „Writing’s on the Wall“ (James Bond 007: Spectre) von Sam Smith, Jimmy Napes unverdiente Kandidaten unter den (angeblich) besten Fünf. Hier fehlen mit „Phenomenal“ von Eminem und „Kings Never Die“ von Eminem und Gwen Stefani gleich zwei herausragende Songs aus dem Boxerdrama „Southpaw“.
Darüber hinaus ist die Nicht-Nominierung von „See You Again“ von Wiz Khalifa und Charlie Puth, der Song, der in „Fast & Furious 7“ den bewegenden Abschied von Paul Walker untermalte, unverständlich. Auch „Hands Of Love“ von Miley Cyrus aus „Freeheld“, „En Las Calles“ von Scott Salinas und Jackson Greenberg aus „Cartel Land“ und „Fighting Shadows“ von Jane Zhang und Big Sean aus „Terminator Genisys“ wären verdiente Nominierte und Sieger gewesen. Vor allem in dieser Kategorie lässt sich somit festhalten, dass sich nicht die stärksten Songs in der Endauswahl wiederfinden.
Auch in den Kategorien „Bester Dokumentarfilm“ („10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“; „Voll verzuckert – That Sugar Movie“), „Bester fremdsprachiger Film“ („Im Labyrinth des Schweigens“, „Der Sommer mit Mamã“, „Ich seh, Ich seh“, „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“) und „Bester Animationsfilm“ („Minions“, „Hotel Transsilvanien 2“, „Die Peanuts – Der Film“) fehlen einige Kandidaten. Man darf gespannt sein auf die Verleihung in der Nacht auf Montag, die inklusive vieler Vorberichte live ab 0:30 Uhr auf ProSieben übertragen wird.



by Stefan Bröhl


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