„Oscar“ 2016 - Ein Rückblick auf die „Oscar“-Verleihung


Der berühmte Satzbeginn „And the Oscar goes to…“ war Montagnacht insgesamt 24 Mal zu hören. Der größte Abräumer der Academy Awards war „Mad Max: Fury Road“ mit sechs Auszeichnungen. Die 88. „Oscar“-Verleihung sorgte für viel Diskussionsstoff, weil selten der beste Nominierte gewann. Ein Rückblick.

Mad Max: Fury Road Oscar 2016 Nachdem Moderator Chris Rock (Top Five, Kindsköpfe, Spiel ohne Regeln) über die Rassismus-Vorwürfe gewitzelt hatte und diese Scherze in der Folge zum Running Gag wurden, kam es zu den ersten beiden wichtigen Verleihungen des „Besten Originaldrehbuchs“ und des „Besten adaptierten Drehbuchs“.
Hier gewannen die beiden schwächsten Kandidaten. Jeder andere Titelträger wäre verdient gewesen. Doch es wurden Josh Singer und Tom McCarthy für Spotlight und Charles Randolph und Adam McKay für „The Big Short“. „Alles steht Kopf“, „Straight Outta Compton“ und als adaptierte Umsetzungen „Raum“, „Carol“, „Brooklyn“ sowie „Der Marsianer“ wurden übergangen.
Für viele sind die Preise sicher gerechtfertigt, weil sie sowohl „Spotlight“, als auch „The Big Short“ höher einschätzen und die unverkennbaren Schwächen (Längen, oberflächliche Charakterdarstellung und einige bessere Börsenfilme in den letzten Jahre, trotz neuem Ansatz ausgelutschtes Thema), die beide Filme aufwiesen, nicht erkannt haben oder erkennen wollten, weil der Ansatz in diesen Fällen wichtiger zu sein scheint. Beide Filme sind grundsolide – aber nicht die Überflieger, die einen Academy Award gewinnen sollten.

Auch der dritte verliehene „Oscar“ für die „Beste Nebendarstellerin“ stellte nicht zufrieden. Zwar hat sich Alicia Vikander diesen für ihre Leistung in „The Danish Girl“ (und auch in „Ex Machina“, für den sie aber nicht nominiert war) verdient. Die anderen nominierten Schauspielerinnen spielten aber allesamt in qualitativ hochwertigeren Filmen als die Schwedin, die ihrer Figur aufgrund des Drehbuches nur bedingt Tiefe verleihen konnte, weil dieses nicht zuließ, dass sich der Zuschauer mit den Charakteren identifiziert und ihnen nahe kommt. Alle fünf lagen leistungsmäßig eng beieinander, weshalb der Triumph Vikanders nur bedingt akzeptabel ist. Entweder Jennifer Jason Leigh (The Hateful Eight) oder Rooney Mara (Carol) oder Kate Winslet (Steve Jobs) hätten den Preis bekommen sollen. Allerdings ist diese „Snub“ (Brüskierung, Abfuhr) noch eines der kleinsten Übel der Verleihung.
Bereits in diesem frühen Stadium der Zeremonie stellte sich Ernüchterung und Verärgerung ein, weil in keiner Kategorie der Beste gewonnen hatte.
Und es wurde nur bedingt besser. Den Academy Award für das „Beste Kostümdesign“ konnte verdientermaßen Jenny Beavan für „Mad Max: Fury Road“ gewinnen. Auch das „Beste Szenenbild“ ging an „Mad Max: Fury Road“ (Colin Gibson und Lisa Thompson). Als wären diese Auszeichnungen in den Nebenkategorien noch nicht genug, wurde auch noch die Trophäe für „Bestes Make-up und beste Frisuren“ an „Mad Max: Fury Road“. (Lesley Vanderwalt, Elka Wardega und Damian Martin) vergeben. Spätestens nun wurde ersichtlich, dass hier jegliche Diversität fehlte. Es wirkte schon während die Show, als noch nicht einmal die Hälfte der Preise vergeben war so, als wäre es ein Zugeständnis, weil die andere Filme wie „The Revenant“ in den wichtigen Kategorien gewinnen sollten. Dieser hätte den Sieg in jeder der drei Kategorien verdient gehabt.
Revenant Oscar Warum vor allem „Der Marsianer“ trotz nahezu gleicher Qualität jedes Mal von „Mad Max“ besiegt wurde, erschloss sich dem Zuschauer nicht.
Als wären die immer frustrierenden Auszeichnungen noch nicht genug, nervte auch die während einer Dankesrede einsetzende Musik, um den jeweiligen Redner zum Schluss zu bewegen. Hier fehlte die Balance.

Spannend wurde es bei der „Besten Kamera“, wo sich die herausragenden Kandidaten nur so tummelten. Der „Oscar“ ging – vorhersehbar, aber dennoch verdient – an Emmanuel Lubezki für seine herausragende Bildkomposition in „The Revenant – Der Rückkehrer“. Doch der gebürtige Mexikaner hatte bereits in den vergangenen beiden Jahren (Gravity, Birdman) gewonnen. So muss sich die Jury erneut mangelnde Abwechslung vorwerfen lassen. Denn vor allem Roger Deakins (Sicario) und Robert Richardson (The Hateful Eight) lieferten gleichwertige Arbeit ab, weshalb sie den Award ebenfalls verdient gehabt hätten.

In der Kategorie „Besten Schnitt“ gab es drei unverständliche Nominierungen (Spotlight, The Big Short, Star Wars: Das Erwachen der Macht). Glücklicherweise erlangte keiner dieser Kandidaten, sondern Margaret Sixel, die aus 470 Stunden Material den Film „Mad Max: Fury Road“ zu einem Meisterwerk zusammenschnitt, den Preis. Es war bereits der vierte Goldjunge für den Abräumer (in den Nebenkategorien) des Tages. Kurz darauf gewann „Fury Road“ auch den Award für den „Besten Tonschnitt“ (Mark A. Mangini, David White) und „Besten Ton“ (Chris Jenkins, Gregg Rudloff und Ben Osmo).
George Millers Film ist zweifellos Weltklasse, aber im Vergleich zu den anderen nominierten Filmen kein großer Überflieger, weshalb es nicht nachvollziehbar ist, dass er so viele Preise abräumen konnte, während „Der Marsianer“ bei sieben Nominierungen und „Carol“ (sechs Nominierungen) in dieser Nacht komplett leer ausgingen.

Andy „Gollum“ Serkis verlieh den Award für die „Besten visuellen Effekte“. Hier gab es erstaunlicherweise Abwechslung – dafür gewann allerdings der in dieser Kategorie schwächste Nominierte: „Ex Machina“. Dass die Jury den Film mit dem niedrigsten Budget (kolportierte 15 Millionen US-Dollar) auswählte, ist dabei ein gutes und interessantes Zeichen. Und „Ex Machina“ konnte mit einer starken Ausstattung und Mischung aus Natur und modernem Hightech-Labor punkten. Dieser herausgearbeitete Kontrast war hervorragend. Doch vor allem der Endkampf war so langsam und unglaubwürdig, dass der Sieg nicht gerechtfertigt ist. Denn die besten visuellen Effekte des Jahres hatte der Science-Fiction-Film einfach nicht zu bieten. Mark Williams Ardington, Sara Bennett, Paul Norris und Andrew Whitehurst dürfte das egal sind. Sie feierten ihren unerwarteten Triumph.

Star Wars Kultroboter R2-D2, C-3PO und BB8 Oscar Nachdem stellenweise durch die Show gehetzt wurde, es dafür aber viele kurze Werbepausen, aber wenig amüsante Highlights gab, traten gegen 4 Uhr die „Star Wars“-Kultroboter R2-D2, C-3PO und BB8 auf und brachten etwas Leben in die ereignisarme Veranstaltung. Vor allem bei Jacob Tremblay (Raum), bekennender Fan der Reihe, war die Begeisterung ersichtlich.

Im Anschluss choreographierte Chris Rock eine Verkaufsaktion von Keksen (65.243 US-Dollar wurden es am Ende), animierte die Multimillionäre zum Geld ausgeben.
Direkt folgend durften die Minions ihre brabblige Rede halten, die mit Untertiteln ins Englische übersetzt wurde, und die Nominierten der Kategorie „Bester animierter Kurzfilm“ ansagen. „Bear Story gewann.

Das vierte Highlight war ein animierter Auftritt von Woody und Buzz Lightyear – passend zum 20-jährigen Jubiläum von „Toy Story“ nannten sie die Top-Five der Kategorie „Bester Animationsfilm“. Hier durften Pete Docter und Jonas Rivera für „Alles steht Kopf“ den Award in die Höhe stemmen. Der erste hochverdiente „Oscar“.

Das waren vier Attraktionen hintereinander. Auch hier muss den Showmachern erneut eine mangelnde Balance attestiert werden, weil diese Höhepunkte besser verteilt gehört hätten.

Dann war die mit Hochspannung erwartete Kategorie „Bester Nebendarsteller“ an der Reihe. Fünf starke Schauspieler konkurrierten um die begehrte Goldtrophäe. Am Ende gewann Mark Rylance für seine überragende Leistung in „Bridge of Spies – der Unterhändler“. Nachvollziehbar, denn Rylances nuancierter Ansatz war höchstes Schauspielniveau. Sylvester Stallone OscarAllerdings ist es bedauerlich und auch nur bedingt zu verstehen, dass Sylvester „Rocky Balboa“ Stallone für seine beste Karriereleistung und eine legendäre, filmgeschichtsträchtige Rolle leer ausgegangen ist. Arnold Schwarzenegger postete via Facebook kurz darauf ein aufmunterndes Kurzvideo (11 Sekunden), in dem er sagte, dass „Sly“ für ihn der Gewinner sei, egal, was die anderen sagen. Solch eine Aufmunterung wird der 69-Jährige gut gebrauchen können, ist es doch fraglich, ob er jemals wieder nominiert werden wird.

Diese unerwartete Vergabe, die trotz der Leistung von Rylance einer Sensation glich, musste vielerorts erst einmal verarbeitet werden. Dass Sharmeen Obaid-Chinoy mit ihrem Film „A Girl in the River: The Price of Forgiveness“ in der Kategorie „Bester Dokumentar-Kurzfilm“ gewann, ging deshalb fast unter. Lediglich die witzige, vergleichende Rede von Louis C.K. bescherte dieser Kategorie mehr Aufmerksamkeit, als gedacht.

In der umkämpften Kategorie „Bester Dokumentarfilm“ setzte sich mit „Amy“ von Asif Kapadia und James Gay-Rees der massentauglichste Film durch. Hier hätten „Cartel Land“, „The Look of Silence“ und „Winter on Fire: Ukraine’s Fight for Freedom“ den Sieg verdient, wenn nicht gar verdienter gehabt, wobei der Triumph des intimen Filmes über Amy Winehouse zumindest nachvollziehbar ist.
Passend zu der Ehrung des Filmes über die am 23. Juli 2011 verstorbene Sängerin wurde im Anschluss das große Memoriam der im vergangenen Jahr verstorbenen Filmschaffenden abgespielt. Hier kamen große Gefühle auf, wurde doch deutlich, wie viele bekannte Gesichter (u.a. Christopher Lee, Alan Rickman, David Bowie, Leonard Nimoy, Omar Sharif, Wes Craven, James Horner und Richard Glatzer) uns in den letzten zwölf Monaten verlassen haben.

Im Anschluss an diese Erinnerungen wurde „Stutterer“ von Serena Armitage und Benjamin Cleary als „Bester Kurzfilm“ ausgezeichnet.

Son of Saul Oscar Interessant wurde es folgend in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“. Es gewann der Favorit: „Son of Saul“ von László Nemes Jeles. Der brisante, packende, interessant geskriptete Film, der die gesamte Grausamkeit des Konzentrationslagers Auschwitz während des 2. Weltkriegs verdeutlicht, ohne die Brutalität in den Vordergrund zu stellen. Diese ergibt sich aus der harten, aber gerade deshalb so eminent wichtigen Storyline.

Anschließend gab es für den kraftvollen Auftritt von Lady Gaga und ihres Songs „Til It Happens To You“ über die Opfer sexuellen Missbrauchs aus dem Film „The Hunting Ground“ stehende Ovationen und Tränen.

Es wurde zu dem Academy Award für die „Beste Filmmusik“ übergeleitet. Hier konnte natürlich Ennio Morricone für „The Hateful Eight“ gewinnen, obwohl die Untermalung von Jóhann Jóhannsson für „Sicario“ besser war. Doch dem Altmeister sei dieser Erfolg gegönnt. Allerdings sei an dieser Stelle angemerkt, dass Morricone das Zugeständnis erhielt, welches Stallone verwehrt blieb. Das anwesende Publikum jubelte dennoch und feierte den 87-jährigen Italiener mit Standing Ovations.

Für ungläubiges Staunen sorgte die Vergabe des „Besten Filmsongs“. Es gewann nicht Lady Gaga, sondern „Writing’s on the Wall“ aus „James Bond 007: Spectre“ von Sam Smith und Jimmy Napes – und damit einer der schwächsten Bond-Songs aller Zeiten. Auch diese Entscheidung ist nicht nachzuvollziehen.

Während sich die Zuschauer deshalb noch sammelten, stand nun das Finale mit den vier großen Hauptkategorien bevor. Den Beginn machte die „Beste Regie“. Hier gewann der Favorit Alejandro G. Iñárritu für sein Meisterwerk „The Revenant – Der Rückkehrer“ hochverdient. Ebenso verdient siegte Brie Larson (Raum) in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“ und behauptete sich damit gegen eine starke Konkurrenz.

Leonardo Di Caprio Oscar Mit Hochspannung wurde auch die Vergabe der Trophäe an den „Besten Hauptdarsteller“ erwartet. Und hier erlaubte sich die Jury keinen weiteren Fauxpas. Endlich, nach vier gescheiterten Versuchen, gewann Leonardo Di Caprio für „The Revenant“ unter tosendem Applaus, Standing Ovations und Jubelschreien, die nach seiner eindringlichen Rede zum Klimawandel noch lauter wurden, seinen Goldjungen.

Zu guter Letzt wurde der „Beste Film“ ausgezeichnet. Es wurde… Spotlight. Wichtigkeit des Storyansatzes über Qualität, anders ist diese Entscheidung an dieser Stelle nicht zu deuten. Natürlich ist die nun folgende Aufmerksamkeit für den Film über die Enthüllungen des sexuellen Missbrauchs von Priestern an Kindern wichtig. Doch die wenig mitreißende, längenbehaftete Darstellung und die qualitativ hochwertigeren Konkurrenten rechtfertigen diesen Sieg eigentlich nicht.

So lässt einen die 88. „Oscar“-Verleihung enttäuscht und ernüchtert zurück, weil viel zu selten und in viel zu wenigen Kategorien der jeweils Beste gewinnen konnte. Viele Preise waren (wie so oft) Zugeständnisse. Auch die Verleihung an sich war nur mittelmäßig. Neben den vielen Werbepausen war auffällig, dass die Kamera diesmal vergleichsweise selten das Publikum zeigte, dieses auch nicht wirklich miteinbezogen wurde. Zudem gab es vergleichsweise wenig Brimborium oder auch nur unterhaltsame Reden. Aufgrund all dieser Aspekte war dies eine der schwächsten Verleihungen der letzten Jahre. Aber immerhin wird sie in die Geschichte eingehen, weil Leonardo Di Caprio endlich (und nach großem öffentlichen Druck) seinen Award bekommen hat. Immerhin eine versöhnliche Vergabe.

by Stefan Bröhl


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