Unser kritischer Bericht zur Pressekonferenz von Assassin´s Creed mit Michael Fassbender und Marion Cotillard
Als Stefan Kuhlmann von 94,3 rs2 die Pressekonferenz von Assassin´s Creed mit den Worten „Justin Kurzel hat das Citizen Kane der Videospiele geschaffen“ einleitete, staunten die anwesenden Journalisten nicht schlecht. Denn alleine der Vergleich von einem der größten Klassiker der Filmgeschichte mit einer misslungenen Videospielumsetzung ist eine Frechheit und war in diesem Zusammenhang sowohl unnötig, als auch unpassend. Während man noch voller Unverständnis den Kopf schüttelte, betraten nacheinander der australische Regisseur Kurzel und die beiden Hollywoodstars Michael Fassbender und Marion Cotillard unter höflichem Applaus den für die Pressekonferenz bis zur letzten Minute eifrig hergerichteten Raum im Berliner Café Moskau, gegenüber des Kino International- und eine U-Bahn-Station vom Alexanderplatz entfernt gelegen.

Michael Fassbender, der einem breiten Publikum durch seine Rolle als junger Magneto aus „X-Men: Erste Entscheidung“, „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ und „X-Men: Apocalypse“ bekannt wurde, beantwortete dieselbe Frage deutlich detaillierter. Er fand, dass das Drehbuch unterhalten würde, das gewisse Etwas, Tiefe und Hintergrund habe und dass er sich von dem Film wünsche, dass er „ die Welt, in der wir leben, respektiert, gleichzeitig aber das Konzept des genetischen Speichers im Kern verdeutlicht.“
Bevor sich Fassbender mit der umfangreichen Welt der erfolgreichen Videospielreihe beschäftigte, gab er zu: „Ich wusste überhaupt nichts über „Assassin´s Creed“, als ich die Jungs von Ubisoft traf. Sie erklärten mir das Konzept des DNA-Speichers.“
Das begeisterte ihn und klang für ihn plausibel, wenngleich seine folgende Aussage das nicht ist: „Ich glaube, dass wir das Wissen unserer Vorfahren in unserer DNA tragen. Ihre Erfahrungen, ihre Erinnerungen.“ Bei dieser Äußerung gingen einige Augenbrauen fragend nach oben, doch ehe man einhaken konnte, erklärte Fassbender weiter: „ Alleine dieses Konzept und das der Assassinen und Templer erhebt den Film über die meisten Fantasyprojekte.“
Sagt das nicht jeder Beteiligte über „sein“ Filmprojekt? Mehr als eine euphemistische Standardphrase ist diese Aussage nicht, obwohl Fassbender anschließend verdeutlichte, dass er auch die Idee der an Wissenschaft und Ordnung und damit an die Evolution des Menschen glaubende Elitegruppe, für die einige Menschen wichtiger sind als andere, spannend fand, denn sie bewirke, „dass einige Menschen Sklaven sind. „All das zusammengenommen“, so Fassbender weiter, hätte viel Potenzial für „ großes Kino.“

Hat da etwa jemand Vorurteile gegen Videospiele? Erstaunlich ist diese Aussage für Insider auf jeden Fall. Schließlich hat jede erfolgreiche Spielreihe ein fesselndes Konzept und vielschichtigen Ideen. Kurzel fand „die Idee, dass pures Blut nie stirbt“ ein „sehr bewegendes, cineastisches Konzept“ und konnte sich auch für die emotionale Bandbreite der AC-Spiele begeistern. Im Nachhinein besonders amüsant ist seine folgende Aussage: „Die Frage war, wie man das Konzept des Videospiels auf der Kinoleinwand zum Leben erwecken kann. Wie kannst du eine Welt erschaffen, in der du an die Existenz der Assassinen glaubst? In der sie diese außergewöhnlichen Fähigkeiten haben? Das war ein aufregender, ambitionierter Ansatz, dieses außergewöhnliche Spiel zu adaptieren.“
Der grandios gescheitert ist. Sicher, Fans der Reihe werden viele Anspielungen und Hommagen erkennen und sich darüber freuen. Doch das ergibt noch lange kein schlüssiges Konzept oder auch nur einen Hauch von Spannung für die starbesetzte Verfilmung, für die in Nebenrollen Schauspieler wie Jeremy Irons, Brendan Gleeson, Michael Kenneth Williams, Denis Menochet und Ariane Labed vor der Kamera standen.
Anschließend wurde Fassbender die naheliegenste Frage (ist er ein Zocker?) gestellt, auf die er wie folgt antwortete: „Ich bin kein Gamer. Aber ich habe das Spiel gespielt, als ich dazu gestoßen bin, um eine Vorstellung von der Welt zu bekommen und zu sehen, was die Jungs bei Ubisoft kreiert haben.“
Darüber hinaus wollte er sich mit den verschiedenen Kill Skills, den Tötungsmöglichkeiten der Assassinen und ihrem Bewegungsablauf vertraut machen.

„Eine meiner besten Freundinnen ist der größte Fan. Sie setzte mich auf einen Stuhl und erzählte mir alles von dem Spiel, folterte mich geradezu mit Informationen über das Spiel.“
Amüsierte Lacher der anwesenden Journalisten.
„Als ich also zum dem Projekt stieß, verstand ich die Faszination des Spieles für die Gamer bereits sehr gut. Wie Michael schon sagte, ist die ganze DNA-Sache sehr faszinierend.“
Wenn nur die Umsetzung so faszinierend wie der Film gewesen wäre…
Kurzel nannte auf Nachfrage noch die Drehorte und wie wichtig diese für den Look, die Stunts und CGI-Effekte waren: „Wir haben in Valletta, Malta gedreht. Vor allem deshalb, weil wir uns entschlossen haben, nicht alles vor dem Greenscreen zu drehen. Die Action-Sequenzen und die physischen Ausdrücke waren daher authentisch.“
Außerdem wurde in Almeria, Spanien und London, England gedreht.
Der 42-Jährige gab etwas überraschend eigene Einschätzungsfehler zu: „Einen Film auf diese Weise zu machen ist schwierig und vielleicht war ich etwas naiv, weil es wirklich herausfordernd war, diese Sachen an realen Locations zu filmen. Schlussendlich hat das aber zum besonderen Look des Filmes beigetragen.“
Dem ist zuzustimmen. Der Look des Filmes und die Bildsprache haben einen eigenen, wiedererkennbaren Stil. Fans der Reihe werden allerdings die weißen, mittelalterlichen Häuser und Kostüme der Assassinen vermissen. Der Film setzt auf eine weitläufigere, andersartige Farbpalette als die Spiele.
Für die Schauspieler ist es kompliziert, Szenen zu filmen, in denen sie rein auf ihre Vorstellungskraft setzen müssen, wie Cotillard verdeutlicht: „Was die Arbeit mit visuellen Effekten erleichtert, ist ein sehr guter Regisseur. Er hilft dir, die Atmosphäre und die Umgebung authentisch zu kreieren. Er wird dich glauben lassen, dass du etwas siehst, was nicht da ist, du dank ihm aber zu sehen glaubst.“

Doch die Crew versuchte den Schauspielern zu helfen, so weit dies möglich war und hat an den Punkten, wo später CGI-Effekte eingefügt wurden Stöcke und Tennisbälle platziert, die Cotillard halfen, sich die Szene vorzustellen.
Für Fassbender scheint das alles kein Problem zu sein, wie sein folgender Vergleich nahelegt: „Es ist wie im Theater. Du spielst ein Stück, das vermeintlich in Moskau angesiedelt ist. Das musst du dir vorstellen. Diesen Film wollten wir „Old School“ machen und nicht in diese CGI-Welt gehen, weil das Genre damit übersättigt ist und wir etwas anderes machen wollten.“
Das Problem dabei: auch diese Ansicht teilen genug andere Regisseure, die deshalb bevorzugt auf reale Stunts, statt auf Computereffekte setzen, weshalb dieser Ansatz zwar verständlich, aber doch nicht mehr als eine typische Hollywood-Phrase ist.
Dennoch muss man die Kampfchoreographien und Ideen loben, denn hier kommt zumindest ein wenig Atmosphäre auf. Leider wird diese sofort wieder durch die unnötig ruckelnde, unpassende und entnervende Kameraführung von Adam Arkapaw (True Detective, City of McFarland, The Light Between Oceans) immer wieder zerstört, weil jeglicher Überblick verloren geht – was natürlich so gewollt ist, es aber nicht besser macht. Doch am meisten von der ohnehin schon brüchigen Atmosphäre vernichtet die viel zu laut eingestellte, völlig überzogen-dramatisch komponierte, störend überdrehte, nervtötende Musikuntermalung von Justin Kurzels Bruder Jed. Dazu wird das Stilmittel der Überbelichtung zu häufig eingesetzt. In diesen Szenen ist der Greenscreen, vor dem die Schauspieler stehen, viel zu leicht zu erkennen.
Interessanterweise haben die Kurzel-Brüder, Fassbender und Cotillard bereits in der letztjährigen Shakespeare-Verfilmung „Macbeth“ zusammengearbeitet. Die Zielgruppe bei „Assassin´s Creed“ ist eine gänzlich andere. Die Herangehensweise beschreibt Kurzel wie folgt: „Ob du ein Videospiel oder ein Shakespeare-Stück adaptierst, ist eigentlich kein großer Unterschied. Man benutzt die gleichen Aspekte hinsichtlich des Erzählens der Geschichte und wie du es ins Kino übersetzt.“
Das Ausmaß bei „Assassin´s Creed“ sei allerdings deutlich größer: „Wir haben 93 Tage gedreht. „Macbeth“ war in 32 Tagen abgedreht.“
Diese langen, strapaziösen Drehtage kosteten Kurzel viel Kraft, doch er war stolz und erleichtert, einen solchen Film überlebt zu haben: „Am sechzigsten Tag weißt du nicht mehr, wer du eigentlich bist. Es war einmalig und ich war wirklich glücklich, diese Erfahrung gemacht zu haben.“

Diese Aussage erscheint logisch, wirkt der Film doch großteilig wirr, lässt viele Erklärungen aus und ist nicht zusammenhängend geschnitten. Die Dreharbeiten scheinen Kurzel zu viel abverlangt zu haben. Dabei wurde dem Regisseur von Ubisoft viele Freiheiten gelassen: „Michael hat das Drehbuch zwei Jahre, bevor ich an Bord kam, mitentwickelt. Daher war schon ein Prozess im Gange, der das Spiel hinsichtlich kultiger Momente und Look huldigt.“
Für Fassbender war die Größe des „Assassin´s Creed“-Universums das größte Problem: „Da ist so viel enthalten. Das auf die Schlüsselmomente herunterzufahren, war die eigentliche Herausforderung.“ Für den 39-Jährigen sind Assassinen, der Apfel von Eden, der genetischer Speicher und Animus die wichtigsten Dinge, auf die man sich konzentrieren sollte: „Diese Konzepte herüberzubringen, auch für Leute, die die Spiele nicht gespielt haben, das war schon viel.“
Wobei: hätte man nicht so viele Action-Sequenzen in den Film eingebaut und sich mehr auf die Komplexität der Geschichte, die Charakterzeichnung oder zumindest auf die Herkunft der Dinge wie des Apfels von Eden oder des Gen-Speichers konzentriert, wäre es für jeden Zuschauer, auch für die Gamer, ein viel interessanterer Film geworden. Immerhin hatte die Kunstabteilung bahnbrechende Ideen für den Animus und hob dessen Darstellung laut Fassbender auf ein neues Level: „Im Spiel sitzt du in einem Stuhl. Wir wollten aber etwas Physikalischeres. Wir hatten verschiedene Einfälle. Dann kam Justins Team mit der Idee des Arms. Das war großartig. Selbst die Leute von Ubisoft überlegen, ob sie das vielleicht in Zukunft nutzen.“
Das ist auch verständlich, denn zumindest in diesen Szenen entwickelt sich eine gewisse Dynamik. Hier ist der Aufwand der Produktion erkennbar. Ohnehin war die Vorgeschichte bis zum Drehbeginn für Fassbender am schwersten: „Vor fünf Jahren mit Ubisoft zusammenzukommen, Drehbuchautoren zu verpflichten, das Drehbuch zu entwickeln – das war eine neue Rolle für mich. Ich hatte vorher nur bei „Slow West“ mitproduziert, einem Zwei-Millionen-Dollar-Film.“
Dieser ist qualitativ mehrere Klassen besser, weil er sich auf die Figuren und die Storyline fokussierte. Doch kritische Fragen zum Film wurden ohnehin nicht gestellt, weil die Pressekonferenz lediglich eine halbe Stunde ging und man in dieser Zeit erstmal die Standardfragen zum Film abarbeiten musste.

Es wurde deutlich, wie gut er die Zusammenhänge versteht: „ Nicht nur in den USA, es passiert auch hier. Es ist traurig, dass diese Art, Menschen in Rassen einzuteilen, Angst und Hass zu benutzen, um Leute zu manipulieren, auch nach so vielen Generationen immer noch funktioniert. „
Denn das größte Problem sei die menschliche Arroganz und der Glaube daran, dass wir ach-so-zivilisiert seien und uns weiterentwickelt hätten: „Ich denke nicht, dass wir das haben. Diese Art von Dingen kommt immer wieder auf. Es ist eine besorgniserregende Zeit. Was jetzt passiert müssen wir abwarten.“
„Oscar“-Preisträgerin Cotillard (La Vie en Rose) appellierte an den Zusammenhalt unter den Künstlern: „In Zeiten der Finsternis stehen Künstler tendenziell enger zusammen. Die Kunstwelt muss verstehen, was passiert ist und sich dem stellen. Wir müssen sehen, was wir Positives aus der Finsternis ziehen können und müssen kreativ bleiben.“
Das war das Schlusswort der Pressekonferenz. Fassbender machte noch mit ein paar Journalisten Fotos, ehe auch er verschwand, als er merkte, dass der Andrang weiter stieg, weil jeder ein Selfie mit „Magneto“ ergattern wollte.
by Stefan Bröhl / Photos by Twentieth Century Fox