Mjam, mjam, es ist angerichtet
Über den Zombiefilm
„Sie kommen, um Dich zu holen, Barbara“, röchelt der ungezogene Johnny und versucht seine Schwester Barbara zu erschrecken. Die ist eigentlich nur genervt und beobachtet während des gemeinsamen Friedhofsbesuchs nur einen merkwürdigen Mann, der etwas unbeholfen herumläuft. Jeder, dem diese Szene bekannt vorkommen sollte, wird wissen, dass Johnny recht behalten wird. Mit „Die Nacht der lebenden Toten“ (1969) schuf George A. Romero nicht nur einen Klassiker der Filmgeschichte, der mittlerweile auch im Museum of Modern Art, zu finden ist, sondern entdeckte auch ein neues Subgenre des Horrorfilms. Der moderne Zombiefilm war geboren.
Bis dahin waren die Zombies im Kino so gut wie nie in Erscheinung getreten, sieht man einmal von „White Zombie“(1932) von Victor Halperin ab. Hier waren die Zombies aber noch gänzlich in der Mythologie des Voodoo verankert und dienten als willenlose Sklaven einem machthungrigen Priester, der eigentlich auch nur scharf auf eine für ihn unerreichbare Frau war. Aber Romero schuf die Zombies so, wie sie heute im kollektiven Bewusstsein verankert sind: als vom Tode wiederauferstandene Wesen, die auf Menschenfleisch versessen sind.
Warum die Zombies über 30 Jahre in ihrem Grab geblieben waren, lässt sich einigermaßen nachvollziehen. Im Grunde sind Zombies stupid und stereotyp, sie schlurfen nur durch die Gegend und wenn sie einen Menschen zu packen bekommen, fressen sie ihn. Sie bieten als Charaktere weit weniger Spielraum als zum Beispiel die Vampire. Die Entwicklung der Zombies vollzog sich eigentlich nur im Makeup, in deren Bewegungsgeschwindigkeit („28 Days later“) und, seit neuestem, rudimentärem Denkvermögen („Land of the Dead“, „Day of the Dead“ Remake).

Viel interessanter als die Zombies an sich, ist die Reaktion der Menschen auf die Bedrohung. So schaffen die Zombies eine ideale Projektionsfläche für die verschiedensten Diskurse. Ein Tenor fast aller Zombiefilme ist der Diskurs über die Menschlichkeit und wie man sie angesichts einer existentiellen Bedrohung bewahrt (so kann man die Bekämpfungsmethoden in „Dawn of the Dead“ in eine anarchistische und faschistische aufteilen). In diesem Zusammenhang ist es interessant zu beobachten, dass Zombiefilme meist in Wellen auftreten und zwar dann, wenn in der Gesellschaft eine tiefe Verunsicherung zu beobachten ist. Anhand der wiederbelebten Menschen, die sich gegen Menschen wenden, um sie zu verschlingen, wendet sich die Gesellschaft gegen sich selbst. „Night of the living Dead“ erschien 1969, als deutlich war, dass sich die USA dauerhaft in Vietnam verbissen hatten. Der Nachfolgefilm „Dawn of the Dead“ (1979) war geprägt von den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, Subkulturen und des Misstrauens gegenüber Autoritäten nach dem Watergateskandal.

Zombies sind auch eine Spiegelung für die Angst vor dem Tod. Sie erinnern einen an den Zustand, wie man im Sarg liegt und verkörpern die Auflösung des menschlichen Körpers im doppelten Sinne: als Verwesungszustand und als das menschliche Tabu des Kannibalismus.
Die Zombies dienen nicht nur als Projektionsfläche gesellschaftlicher Zusammenhänge und Symbolik, sondern können auch, durch ihren nicht vorhandenen eigenen Charakter, als Hintergrund für andere Genres dienen. Die „Resident Evil“-Filme sind so zum Beispiel mehr Action- als Horrorfilme. Häufig zu beobachten ist auch das geschickte Spiel mit der Klaustrophobie („Nacht der lebenden Toten“, „Dawn of the Dead“, „Day of the Dead“, „28 Weeks later“, „Resident Evil“, „Plane of the Living Dead“). In fast jedem Zombiefilm kommt man an eine Stelle, in der sich die Protagonisten verschanzen und sich dem Ansturm der Zombies von außen erwehren müssen. Der Feind kommt aber nicht nur von außen, sondern auch von innen: der Biss eines Zombies ist schließlich hoch infektiös. Die Gesellschaft zersetzt sich selbst und klare Feindbilder lösen sich auf. Und trotz der Bedrohung wenden sich die Menschen gegeneinander wie in „Day of the Dead“.

Aber auch für Komödien taugen die Zombies: in der Parodie auf die heile amerikanische Vorstadt „Fido“ sind Zombies halbwegs domestiziert und verrichten niedrige Arbeiten. In dem Meisterstück „Shaun of the Dead“ merkt der Protagonist Shaun zuerst gar nichts von der Bedrohung, weil die meisten Menschen sich eh schon wie Zombies verhalten haben: seelenlos, lustlos, immer den gleichen Trott begehend. In „Return of the Living Dead 3“ finden wir eine Romeo und Julia Variante mit Zombies vor. In “Dead Girl” ist der weibliche Zombie nichts weiter als ein willenloses Sexobjekt für männliche Teenager. Und mittlerweile haben die Zombies, nachdem sie in „Plane of the Dead“ fliegen lernten auch den Weltraum erobert: „Space of the living dead“. Die Zombies sind weiterhin auf ihrem Eroberungszug. Guten Appetit.
by Jons Marek Schiemann