Filmwertung: |
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| 9/10 |
Die Familie Kim hat es nicht leicht. Sie leben in einer erbärmlichen Behausung, müssen sich selbst das WLAN erschnorren und haben kaum Geld. Als aber der Kommilitone von Ki-woo (Choi Woo-shik) ins Ausland verreist und ihn fragt, ob er den Nachhilfejob für die Tochter einer sehr reichen Familie übernommen kann, sehen seine Eltern eine große Hoffnung für den Erhalt ihrer Familie.
„Parasite“ ist ein südkoreanischer Film und ist am ehesten dem Genre des Thrillers einzuordnen. Den Film in Worte zu fassen ist sehr schwer, da das Kinoerlebnis unfassbar ist. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass man vor dem Besuch so wenig wie möglich von dem Film wissen sollte. Der Film lebt zwar nicht von weltenveränderten Plot Twists, allerdings wird man sich viele schöne Momente vorwegnehmen, wenn man den Trailer ausgiebig analysiert oder sich anderweitig komplett spoilern lässt.
Die arbeitslose Familie Kim (Choi Woo Shik, Song Kang Ho, Chang Hyae Jin, Park So Dam) kommt gerade so u?ber die Runden. © Koch Films
Der Film setzt extrem viel auf die vierköpfige Familie Kim. Dabei werden die Charaktere aber nicht von Anfang etabliert und genau beleuchtet, sondern erst im Laufe des Films. Im Film wird das allerdings nicht durch simple Zeitsprünge oder Dialoge vollbracht, sondern durch Interaktionen mit anderen Menschen. Der Film setzt viel Wert auf das genaue Kennen der einzelnen Familienmitglieder, der Zuschauer muss aber in ihren Reaktionen auf bestimmte Verhaltensweisen sein eigenes Bild erstellen. Diese Bilder der Charaktere münden dann in einem fulminanten Finale, was beim erneuten Sehen die Charaktere komplett umdreht. Die Story dabei ist zwar recht simpel, der Film schafft es aber eine unglaublich dichte Atmosphäre zu kreieren. Die 132 Minuten Laufzeit vergehen im Flug, sodass man sich eigentlich immer mehr wünscht, denn ab der Mitte nimmt der Film die einzelnen Handlungsfäden und erstellt einen unfassbaren Sog, der die komplette zweite Hälfte anhält. Es folgen interessante Charakterentwicklungen auf die skurrilsten Facetten des Genres „Thriller“ und genau das macht diesen Film einzigartig. Das Ende nimmt im Vergleich zu Anfang so interessante Stimmungswendungen, sodass man völlig geschockt sitzen bleibt, wenn der Abspann anfängt. Der Film durchspielt viele Ebenen des abwechslungsreichen, inszenatorischen Erzählens, sodass das dauerhaft ein atemberaubender Sog entsteht.
Für kostenloses Internet kriechen Ki-jung (Park So Dam) und ihr Bruder Ki-woo (Choi Woo Shik) in die entlegensten Ecken ihrer Behausung © Koch Films
Nebenbei versucht der Film allerdings sehr stark die soziale Situation in Korea zu kritisieren, was durch immer wiederholtes Aufkommen ab einer gewissen Zeit ziemlich stört. Der Film nimmt gewisse Handlungswege, nur um immer mehr zu kritisieren und das stört irgendwann. Nichtsdestotrotz trotz wird dadurch nicht der Filmfluss unterbrochen.
Der Regisseur Bong Joon Ho („
Snowpiercer“/„Okja“) hat mit tollen Schauspielern und einer interessanten Geschichte einen unglaublich fesselnden Film inszeniert. Mit dem Großteil seines Cast und der Crew hat er schon zusammengearbeitet und man spürt eine richtige Synergie bei allen Elementen des Films. Besonders erwähnenswert ist da die Familie Kim, bestehend aus Song Kang-ho („Snowpiercer“), Lee Jung-eun („Okja“), Choi Woo-shik („Okja“) und Park So-dam („The Silenced“). Aber auch die anderen Schauspieler sind großartig, sodass eine unfassbar gute Ensemble-Leistung entstanden ist. Ein weiterer toller Aspekt des Films ist die Bildkomposition. Der Film sieht wahnsinnig gut aus. Bei jeder Einstellung merkt man, wie viel Mühe dahintersteckt und vor allem ist das dem Kameramann Hong Kyung-pyo („Snowpiercer“/„Burning“) zu verdanken. Er hat sehr interessante Bilder entwickelt, die für die deutschen Sehgewohnheiten ziemlich ungewöhnlich sind. Aber auch die auditive Unterstützung macht einen großen Teil des Seherlebnisses aus, da der Komponist Jung Jae-il („Okja“) einen interessanten Mix erschaffen hat.
Yeon-kyo (Cho Yeo Jeong) hat keine Vorstellung davon, was in ihrem Haus vor sich geht. © Koch Films
Fazit: „Parasite“ bekommt eine uneingeschränkte Sehempfehlung, da der Film die verschiedensten Facetten eines Thrillers zu bieten hat, die noch nie so kombiniert wurden. Was mit einer eigentlich simplen Grundprämisse gestartet ist, entwickelt sich sehr rasch zu einem der spannendsten Filme des Jahres.
by René Fischell