Filmkritik Evil Dead Rise
Filmwertung: |
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| 7/10 |
Auch wenn das „Evil Dead“-Franchise bislang „nur“ vier Filme und eine Serie umfasste, schlägt das Herz von Horror-Fans hier wohl höher als bei den meisten anderen Vertretern seiner Art. Spürbar viel Herz- und Unmengen Kunstblut hat man nun auch bei dem fünften Teil aufgewendet, der als Nachfolger mit jeder Menge eigener Ideen wie auch als Hommage wunderbar funktioniert. Dass hier Kontinuität gewährleistet wird, macht die Produzentenliste deutlich, die u.a. aus den Urgesteinen Rob Tapert, Sam Raimi sowie auch dem Gesicht der Reihe Bruce Campbell besteht. Frisches Blut liefert dann der irische Autor und Regisseur Lee Cronin („The Hole in the Ground“), der hier einen immens stimmigen, ultrabrutalen und erfindungsreichen Terrorfilm abliefert, der in fast jeder Hinsicht abliefert und als weiterer Höhepunkt dieser nicht tot zu kriegenden Horrorreihe gezählt werden darf.
Fans werden sich schon direkt zu Beginn ganz zuhause fühlen, wenn Cronin und sein „Ash vs. Evil Dead“-Kameramann Dave Garbett Raimis legendär holprige „Shaky Cam“ durch den Wald und seine Sümpfe jagen. Die Ästhetik ist schon mal vertraut, doch dann weiß Cronin diese auch ganz gewitzt im nächsten Moment mit einem wirklich gelungenen Gag zu brechen, ohne in aktuell typisch distanzierte Meta-Ironiefallen zu treten. „Evil Dead Rise“ spielt größtenteils in einem Hochhaus in Downtown Los Angeles, doch zumindest im Prolog besinnt man sich in Sachen Schauplatz zunächst auf die Wurzeln der Reihe zurück. Hier darf nicht zu viel verraten werden, aber es wird richtig, richtig schmerzhaft und wild. Cronin hat seine Zuschauer schon ganz früh fest in der Hand, denn er zeigt ein nahezu virtuoses Händchen in Sachen Atmosphäre, Spannungsaufbau und Erfindungsreichtum. Mit einem markerschütternden Sounddesign und dem dröhnend-bedrohlichen Soundtrack von Komponist Stephen McKeon ist man als Fan schnell dem Film verfallen. Ohne Übertreibung liefert Cronin dann als i-Tüpfelchen noch ein wahrlich sensationelles und ernsthaft gänsehauterregendes Titelbild, das zu den besten der letzten Jahre gezählt werden darf.
Doch wie angedeutet springt „Evil Dead Rise“ dann in sein neues Setting: Ein Apartment in einem heruntergekommenen Hochhaus in L.A., das vielleicht bald schon zu den ikonischen Horrorsettings gezählt werden darf. Im Mittelpunkt steht die frisch geschiedene Ellie (Alyssa Sutherland), die irgendwie versucht ihre drei Kinder Bridget (Gabrielle Echols), Danny (Morgan Davies) und Kassie (Nell Fisher) alleine großzuziehen und über die Runden zu bringen. Unerwarteter Besuch kommt von ihrer entfremdeten Schwester Beth (Lily Sullivan), die Ellie die letzten Jahre mit ihren Problemen meist alleine gelassen hat. Als es zu einem Erdbeben und metergroßen Rissen im Boden kommt, entdeckt Danny unter der Tiefgarage einen alten Tresorraum einer stillgelegten Bank. Dort findet er das berüchtigte Necronomicon, das Buch der Toten inklusive diverser Schallplatten. Neugierig öffnet der die Büchse der Pandora und schwört dadurch unfreiwillig böse Geister herbei, die Besitz von seiner Mutter Ellie ergreifen…
Es ist wirklich bemerkenswert, wie hochkarätig „Evil Dead Rise“ in technischer Hinsicht daherkommt: Szenenbilder Nick Bassett erschafft hier unglaublich detailreiche und stimmige Sets, die dieses Apartment mit seiner gesamten Hochhaus-Umgebung so lebendig und greifbar in ihrer bedrückenden Atmosphäre werden lassen wie einst in David Finchers „Sieben“. Auch die bereits gelobte Kameraarbeit von Dave Garbett hat hier natürlich einen großen Anteil: Nicht nur kriechen die düster-schmutzigen Bilder unter die Haut, die bewegte Kamera mit ihren häufig eingesetzten Dutch Angles fügen den Film ästhetisch immer wieder in das altbekannte „Evil Dead“-Gesamtbild ein, ohne je wie ein Abklatsch zu wirken. Im Gegenteil, man bewegt sich hier auf höchstem Niveau in der Erschaffung kraftvoller Bildgewalt, die Raimis verspielte Art anerkennt, aber mit mehr Wucht ein so wichtiges Eigenleben verpasst.
In all diesem immer weiter eskalierenden Wahnsinn lässt Cronin zwar auch vor allem durch seine Überspitzung humorvolle Momente einfließen, doch vor allem ist „Evil Dead Rise“ ganz wie Fede Álvarez unnachgiebiger Vorgänger eins: Grimmig und knüppelhart. Auch wie in besagtem Film setzt Cronin auf starke Figurenzeichnung, die vor allem auf das dysfunktionale Schwesternpaar fokussiert wird. Ellies und Beths Beziehung und Dinge, die lange unausgesprochen waren, werden überzeugend menschlich etabliert, um im späteren Horrorgespritze von der dämonischen Ellie höhnisch aufgenommen zu werden. Diese Erdung macht den Film letztlich noch wesentlich effektiver als eine reine Aneinanderreihung von wahnwitzigen und sich immer weiter übertreffenden Gore-Momenten.
Und hier hält sich Cronin absolut nicht zurück und liefert volles Rohr: Auch „Evil Dead Rise“ tut richtig weh, ekelt und schockt wie sein Vorgänger. Natürlich soll hier nichts gespoilert werden, aber ganz gemäß den Gesetzen der Reihe werden hier zahlreiche Gegenstände auf fürchterliche Art zweckentfremdet – Stichwort Käsereibe. Referenzen an die legendären Vorgänger dürfen nicht fehlen, so bekommen auch die ikonische Kettensäge sowie eine Shotgun ihren Einsatz, während sogar ein Auge durch die Gegend fliegen darf. Doch die große Stärke des Films ist dann eben, solche Momente organisch einfließen und nicht wie reiner Fanservice daherkommen zu lassen. Cronin weiß genau, wie ein „Evil Dead“-Film auszusehen hat und gibt ihm dennoch eine eigene Identität.
Der Ire baut fantastisch Spannung und das Gefühl von drohendem Unheil und Chaos auf, dass er dann genussvoll loslässt und sich dabei immer wieder zu übertreffen versucht. Alles kulminiert dann in einem unglaublich blutigen Finale, das Grenzen auslotet. Dass bei diesen wortwörtlichen Sturzbächen von Blut zwar kein neuer Rekord aufgestellt wurde, erstaunt schon fast, angebliche 6500 Liter Kunstblut sprechen dennoch ihre eigene Sprache. Und auch ganz getreu der Reihe macht Cronin keine Gefangenen: Hier ist keine Figur vor schlimmem Unheil sicher.
„Evil Dead Rise“ entpuppt sich also als unzweifelhaft starker Genrevertreter, der fast alles richtig macht und insgesamt überaus rund und stimmig daherkommt. Lediglich nach den ersten Gewalteskalationen verliert der Film etwas an Dringlichkeit und Spannung, gibt dem Zuschauer fast schon ein wenig zu viel Zeit zum Atmen. Insbesondere die Klaustrophobie dieses nicht mehr elektrifizierten Apartments, das durch einen wild gewordenen Fahrstuhl (stark!) und ein eingestürztes Treppenhaus von der Außenwelt abgeschlossen wird, kommt ab einem gewissen Punkt nicht mehr ganz so intensiv rüber, wie es vielleicht müsste. Auch fehlt ein wenig das Gefühl für echten emotionalen Terror bei den SchauspielerInnen angesichts der Tatsache, dass ihre Mutter gerade von einem Dämon besessen wurde, scheinbar gestorben und schließlich wieder auferwacht ist. So mangelt es dem Film teilweise an wichtiger Intensität und Spannung, wobei er sich gerade in der Mitte mit einer Aneinanderreihung spektakulärer Gore-Momente zufriedenstellt. Doch wenn Cronin am Ende für sein Grand Finale den Raum wieder etwas öffnet, baut er eine Intensität auf, die absolut erstklassig ist. Hail to the King, Baby!
Fazit: „Evil Dead Rise“ erweist sich als technisch hochkarätiger Genre-Vertreter, der stets atmosphärisch enorm dicht, grimmig und unnachgiebig daherkommt. Regisseur Lee Cronin liefert fantastisch harte, schmerzhafte und eklige Gore-Momente und ein finales Blutbad, das die Herzen von Fans sicher höher schlagen lässt. Zu der selbstbewussten und bildgewaltigen Inszenierung kommt dann auch noch eine überzeugende Figurenzeichnung, die schließlich aber ebenso vernachlässigt wird und in allgemeinem Gekröse untergeht wie richtige Spannung.
by Florian Hoffmann