Filmwertung: |
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| 7/10 |
Leo Tolstojs 1878 erschienener Roman „Anna Karenina“ gilt als gesellschaftskritisches Meisterwerk. Schon mehrfach wurde seine zeitlose Geschichte über die sozialen Strukturen im russischen Zarenreich um 1874 für das Fernsehen und Kino adaptiert. Nun wagt sich Regisseur Joe Wright, nach seinen Kinoerfolgen „Stolz und Vorurteil“ und „Abbitte“ an das dramatische Leben der jungen Anna Karenina. Schauspielerin Keira Knightley, die bereits in den Historienfilmen „Stolz und Vorurteil“ und „Die Herzogin“ glänzte, verkörpert die Hauptrolle der jungen Anna Karenina. Nahezu spielend einfach stellt sie die perfekte Haltung einer gesellschaftlich gefestigten Frau dar, die an dem baldigen Verlust ihres Status zu zerbrechen droht. Sowohl als liebende Mutter und Schwester, ehebrecherische Liebhaberin, als auch als gebrochene Frau beweist Knightley eine gute Figur. Als Ehefrau des hochrangigen Regierungsbeamten Karenina (Jude Law) genießt sie einen angesehenen Status in der St. Petersburger Gesellschaft. Doch ihre Bekanntschaft mit dem Kavallerie-Offizier Wronskij (Aaron Taylor-Johnson – „Savages“) kommt ihrem gesellschaftlichen Fall gleich. Ihre baldige Liebesaffäre wird zum Skandal, für den sie die gesellschaftlichen Kreise mit Missachtung strafen. Schnell begreift der Zuschauer das tragische Schicksal der jungen Anna, die einst alles hatte, aber das begehrte, was sie nicht haben konnte. Galant eingeflochten in diesen Haupthandlungsstrang werden weitere Nebenstränge, die ebenfalls alle miteinander verworben sind. So wird auch die verschmähte Liebe von Lewin zu der jungen Kitty (Alicia Vikander) aufgegriffen, wenn auch nur am Rande betrachtet. Während Knightley durch ihr Schauspiel den gesamten Spielbereich einnimmt, gelingt es Alicia Vikander („Die Königin und der Leibarzt“) mit ihrer dezenten Darstellung zu überzeugen. Auch Jude Law („Sherlock Holmes“), der ungewohnter Weise im Hintergrund angesiedelt wird, werden mit seiner distanzierten Rolle kleinere glanzvolle Auftritte zuteil.
Das Drehbuch für das Kostümdrama stammt von dem Oscar-preisgekrönten Film- und Theaterautor Tom Stoppard, der seiner Leidenschaft für die Theaterbühne mit „Anna Karenina“ Tribut zollt. Durch eine galante Zweiteilung des Films in Spielfilm und Theaterstück, bietet er dem Zuschauer einen stetigen Perspektivwechsel an. Eingeschobene Theaterkulissen verleihen das Gefühl, einem Bühnenstück zu folgen, bevor die nächsten Sequenzen aus unmittelbarer Nähe der Hauptfiguren erfolgen. Die sehr detailreichen Kostüme, die stets brillanten Farben und die beeindruckenden Szenerien bieten ein eindrucksvolles Erscheinungsbild. Doch der individuelle Look, der durch den fortlaufenden Perspektivwechsel entsteht, dürfte nicht jedem Zuschauer gefallen. Immer wieder droht man aus den Sequenzen herausgerissen zu werden, um sich nach wenigen Minuten wieder in diese einordnen zu müssen. Dadurch wird dem Kinopublikum eine erhöhte Konzentration abgefordert, die zum Ende hin ermüdend wirken kann.
Fazit: Gelungene Adaption von Tolstojs mehrfach inszenierten Kostüm-Drama, die durch die Darstellung von Keira Knightley neue Aspekte des 1878 erschienenen Romas offenbart.
by Sandy Kolbuch
Bilder © Universal Pictures Intl.