Filmwertung: |
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| 7/10 |
Der Gewinner des Golden Globes für den besten fremdsprachigen Film sowie eine Oscarnominierung: Das hat Regisseur Andrey Zvyagintsev („Elena“) mit seiner kritischen Darstellung der russischen Behörden in dem Drama „Leviathan“ geschafft und somit auch internationale Aufmerksamkeit für die Probleme in seinem Heimatland erreichen können.
Dass das natürlich sehr zum Ärger russischer Einwohner führen wird, war abzusehen, denn so krass wurde ihr Land durch einen Mitbürger in der Öffentlichkeit noch nicht dargestellt.
Kolia (Alexey Serebryakov, „Moscow Never Sleeps“) wohnt mit seinem Sohn und seiner Freundin in einem kleinen Häuschen in an der idyllischen Küste von Kirowsk. Das Areal gefällt aber auch dem korrupten Bürgermeister Vadim Shekevyat (Roman Madyanov, „Wildes Feld“), da dort oftmals Wale gesichtet wurden. Direkt engagiert Kolia seinen Kumpel Dmitri (Vladimir Vdovitchenkov, „360 – Jede Begegnung hat Folgen“), einen angesehen Anwalt aus Moskau, um sich zu verteidigen, doch dieser bringt mehr Probleme als Lösung in das Leben des Mannes.
Basierend auf dem Buch Hiob der hebräischen Bibel greift Leviathan im Kern die Thematik auf, nicht vom Glauben abzufallen und sich aufzugeben, wenn einem etwas Schlechtes im Leben widerfährt. Hier kann man aber absolut mit der Hauptfigur und seinen Reaktionen mitfühlen. Trotzdem entsteht kein erwartungsgemäßes Mitfiebern, sondern eine allgemeine, enorme Wut auf das Schicksal und natürlich auf den Bürgermeister als Antagonisten, die zum Nachdenken anregt. Zvyaginstev hat wie schon bei „Elena“ das Drehbuch zusammen mit Oleg Negin geschrieben und erwirkt, dass man einen Draht zu den Figuren findet, der die Fiktion dieser beinahe vergessen lässt. Darüber hinaus zeichnet die Produktion außerdem aus, dass sie ein durchgehend unwohles Gefühl beim Zuschauer gewollt erzielt. Trotzdem ist es gut vorstellbar, dass ein deutsches Publikum sich nicht im Ansatz so angesprochen fühlt wie ein Betroffenes, Russisches.
Leider ist der Streifen mit 140 Minuten nicht nur sehr lang, sondern stellenweise auch betont zäh. Die Korruption in Russland wird tatsächlich sehr negativ und krass veranschaulicht, ohne dabei überzogen oder unrealistisch zu wirken. Dazu leisten auch die Darsteller einen großen Beitrag. Denn sie mimen passend zur Thematik sehr unterkühlt und geplagt. Man sieht ihnen den Schleier, der über der Bevölkerung, bei jeder Mimik an. Eine Identifikation mit ihnen ist zwar nicht ganz so einfach, weil die Charakteristika recht speziell sind, aber Authentizität ist kompromisslos vorhanden. Doch auch eine sehr schöne Seite Russlands wird nicht verschwiegen: Die Schönheit der zwar kahlen und kühlen, aber dennoch eindrucksvollen Schauplätze.
Fazit: Bei „Leviathan“ handelt es sich definitiv um Programmkino. Nur wen die Thematik wirklich interessiert, wird einen Zugang zu dem sehr anspruchsvollen Film finden. Dennoch lässt sich nicht dementieren, dass es sich hier um einen sehr hochwertigen, kritisch wertvoll umgesetzten Film handelt, der 7 Sterne bekommt.
by Jennifer Mazzero