Filmkritik Ich darf nicht schlafen
Filmwertung: |
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| 5/10 |
Der Film beruht auf dem gleichnamigen Roman von S.J. Watson aus dem Jahr 2011. Der Thriller kam bei den Lesern bestens an und war in vielen Ländern ein Bestseller. Die spannende Geschichte hat es vielen angetan. Der Ruf aus Hollywood ließ nicht lange auf sich warten und so verfilmte der frühere Drehbuchautor Rowan Joffe (Brighton Rock) diesen Film als seine dritte Regiearbeit.
Christine Lucas (Nicole Kidman) erwacht jeden Morgen aufs Neue ohne Erinnerung an ihre jüngere Vergangenheit. Sie denkt, dass sie 27 Jahre jung ist, obwohl sie schon 40 Jahre alt ist. Seit einem Unfall leidet sie unter Amnesie. Sobald sie schläft, sind alle Erlebnisse des Tages wie weggeblasen. Ihr Mann Ben Lucas (Colin Firth) muss ihr jeden Tag wieder erklären, wer er ist. Mit Hilfe des Psychologen Dr. Nash (Mark Strong) versucht sich Christine anhand eines Videotagebuches an ihren Unfall zu erinnern. Mit zunehmender Zeit entdeckt sie, dass alle Beteiligten lügen. Wem kann sie noch vertrauen?
Der Geschichtsansatz ist hochinteressant. Die Umsetzung hingegen eine schwere Enttäuschung. Denn man findet als Zuschauer keinen Zugang zu dem Film. Schon der Beginn ist schwerfällig. Auch danach gelingt es Joffe nicht, den Schalter umzulegen und einen spannenden Film zu entwickeln. Stattdessen legt er Wert auf die übertriebene Darstellung von Gefühlen (in gefühlt jeder Szene wird geweint oder zumindest mit Tränen in den Augen agiert) und sinnlose Schockeffekte (laut hupendes Auto, vorbeifliegendes Flugzeug), die von ihrer Darstellungsart eher an einen Gruselfilm als an einen handwerklich gut gemachten Thriller erinnern. Es mangelt an allen Ecken und Enden an Qualität. Das ist wirklich traurig, denn das Potenzial der Geschichte ist unbestritten und auch immer wieder erkennbar. Es gibt einige gute Wendungen und interessante Aspekte. Doch Spannung kommt nur deshalb auf, weil man wissen möchte, wie die Story ausgeht. Der Film selbst schafft es nicht, zu packen oder den Zuschauer mitzureißen. Dazu kommen klaffende Logiklöcher, die so auffällig sind, dass man sich fragt, wie Joffe und sein Team diese übersehen konnten. So hat der Zuschauer an diesem Film keinen Spass, wenig Thrill und wird bestenfalls unterdurchschnittlich unterhalten.
Dabei sind die Leistungen der Schauspieler ausgesprochen gut. „Oscar“-Gewinnerin Nicole Kidman (The Hours, Australia, Die Dolmetscherin) liefert eine starke Performance als eine Frau, die sich jeden Tag neu orientieren und hinterfragen muss, ab. Sie zeigt dabei eine beeindruckende Vielseitigkeit und Tiefe. An ihrer Seite kann „Oscar“-Preisträger Colin Firth (The Kings Speech, Das Mädchen mit dem Perlenohrring, Die letzte Legion) eine vielschichtige, exzellente Leistung zeigen. Leider ist sein Charakter aber sehr schlecht und nicht nachvollziehbar gezeichnet, weshalb man sich mit ihm nicht identifizieren kann. Das liegt aber nicht an Firth selbst. Auch der häufig unterschätzte, kernige Charakterdarsteller Mark Strong (Kick-Ass, Sherlock Holmes, Zero Dark Thirty) kann in der größten Nebenrolle brillieren und spielt deutlich ruhiger als normalerweise. Die Schauspieler machen den Film deutlich besser. Nicht auszudenken, wie schlecht der Film ohne die drei geworden wäre.
Von den Nebenkategorien können die dynamische Kameraführung und die schöne Landschaftsauswahl überzeugen, während die Musik nicht weiter auffällt. Der Schnitt hat einige Schwächen. Trotz der gerade mal 92 Minuten Laufzeit wirkt der Film deutlich länger, was nicht positiv zu verstehen ist. Immerhin ist die Ausstattung solide.
Schwacher, enttäuschender Thriller, der weit hinter den diesjährigen Größen Who Am I, Gone Girl, Non-Stop, Stereo oder auch Ruhet in Frieden und The Equalizer zurückbleibt.
by Stefan Bröhl