Filmkritik Bis zum Horizont, dann links
Filmwertung: |
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| 8/10 |
Wer das Alter erreicht hat, in dem er sich nicht mehr selbst versorgen kann, ist auf die Hilfe und Pflege der Familie oder Freunde angewiesen. Sind auch diese nicht in der Lage, die Betreuung zu übernehmen, ist meist das Pflege- oder Altersheim die letzte Möglichkeit. Dort herrscht ein geregelter Alltag, bei dem die Bedürfnisse der Rentner oft außer Acht gelassen werden. Regisseur Bernd Böhlich („Du bist nicht allein“) widmet sich mit seiner zynisch, aber dennoch optimistischen Komödie „Bis zum Horizont, dann links“ diesem allseits bekannten Problem. Mit einem lachenden und gleichzeitig weinenden Auge skizziert er eine stinknormale Familie, die mit den Altersbeschwerden der Großmutter überfordert ist. Da ein beruflich bedingter Umzug bereits in Planung ist, muss Annegret Simon (Angelica Domröse) kurzerhand ihr Eigenheim verlassen. Ihr neues Wohndomizil ist das Seniorenheim Abendstern, das allen gängigen Klischees entspricht. Auch hier haben die Pfleger wenig Zeit und haken ihre Patienten einer Liste nach ab. Hauptsache alle sind versorgt, scheint die Devise zu sein. Und demnach unglücklich sind auch die Bewohner, die sich eher wie Insassen behandelt fühlen. Doch auch, wenn alle noch recht fit sind und ihre eigenen Bedürfnisse äußern können, fehlt ihnen die Macht zur Veränderung. Erst als ein Propellerrundflug auf dem Tagesplan steht, nutzen die Rentner ihr scheinbar letzte Chance für ein durchaus gewagtes Abenteuer.
Otto Sander nimmt als eigenbrötlerischer Herr Tidgen das Zepter in die Hand und entführt seine Mitbewohner. Nach anfänglichen Bedenken sind alle Feuer und Flamme für die bizarre Idee. Über den Wolken können die Rentner ihre zurück gewonnene Freiheit nutzen, um über ihr Leben nachzudenken. Und dabei erkennen fast alle, dass sie noch lange nicht alt genug sind, um den Rest ihres Lebens vor sich hin zu vegetieren. Und wenn sich am Ende alle einig sind, dass sie nicht wie Kinder bevormundet und anhand der Hausregeln zu einem Tagesablauf genötigt werden wollen, muss sich auch Schwester Amelie ihre Fehler eingestehen. Und somit kann auch die abenteuerliche Reise unter Beweis stellen, dass den Alten noch eine Menge zu zutrauen ist.
Der Film reiht sich an gut konstruierten Werke des Subgenres Seniorenfilm, wie beispielsweise „Wolke 9“ von Andreas Dresen oder „Dinosaurier - Gegen uns seht ihr alt aus!“ von Leander Haussmann, an. In den Hauptrollen geben sich neben Angelica Domröse und Otto Sander die ergrauten Darsteller Ralf Wolter, Herbert Köfer und Thilo Prückner als eigenwillige Herren die Ehre. Herbert Feuerstein und Monika Lennartz brillieren als Ehepaar Miesbach, das auf der abenteuerlichen Reise endlich den Mut findet, die störenden Macken des Partners zu kommunizieren. Und Marion van de Kamp und Us Conradi sorgen als ungleiches Schwestern-Gespann für amüsante Situationen, die gemeistert werden wollen. Auf der Seite der Pflegekräfte sorgt Anna Maria Mühe für die Altersheimbewohner und Robert Stadlober kommentiert seine ganz eigenen Ansichten über das Leben im Alter.
Fazit: Amüsante Renter-Komödie, die einen kritischen Blick auf das deutsche Sozialsystem wirft.
by Sandy Kolbuch