Filmwertung: |
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| 5/10 |
Deutschland braucht den modernen, angesagten Hashtag. Im US-Amerikanischen Original heißt der Film nämlich sehr simpel, aber auch steril „Men, Women and Children“. Nach schneller Recherche folgt die logische Lösung des scheinbar weniger verkaufsträchtigen Titels: Der Film ist die Adaption des gleichnamigen Romans von Chad Kultgen, der auch für Filme wie „Der Unglaubliche Burt Wonderstone“ von 2013 Drehbücher schreibt. Im Deutschen wurde der Filmtitel also mit dem Wissen, dass das angesagte Statement-Symbol sich verkaufen wird, rundum erneuert. Der offensichtliche Plan dahinter: Die jungen Leute aus der anfälligen Generation „Hashtag“ werden wie Magneten angezogen, die Älteren daraufhin neugierig macht, um mitreden und ein wenig „Social Media“-Wissen erhaschen zu können.
Von digitaler Nähe und analoger Entfremdung, das hört sich ganz nach einer Kolumne der Zeitschrift „Neon“ an. Mit diesen Worten endet jedoch der Trailer zu dem Film „#Zeitgeist“. Mit der einfühlsamen, bass-melodischen Hintergrundmusik und frei von Worten zieht es Menschen, so wie auch mich, an. Der Streifen behandelt mehrere Handlungsstränge, die parallel zueinander laufen und wird von Einblendungen aus Chats und sozialen Netzwerken begleitet. Diese Methode wurde in letzter Zeit des Öfteren aufgegriffen, zum Beispiel in „Love, Rosie – Für immer vielleicht“ mit Lily Collins und Sam Claflin. Jedoch ist „#Zeitgeist“ der erste Film, der Dialoge teilweise komplett mit ihnen ausfüllt und das Geschriebene nicht zusätzlich mit vorliest. Man muss dabei bedenken, dass bei jeder Synchronisierung des Streifens auch die Texte überarbeitet und gedolmetscht werden. Hört sich nach Arbeit und Zeit an, die sich die Entwickler gerne noch mehr hätten nehmen sollen. Unglücklicherweise wurde ein wenig an der Umsetzung mit digitalen Bildschirmen gespart, denn andererseits hätte sich der Streifen durch die Mehrzahl an geschrieben Dialogen perfekt als einen Kultfilm inszenieren können. Im Film kann man sehen, dass es auch Möglichkeiten dazu gibt, Gesprächsverläufe einzubringen, denn in manchen Szenen werden unter Anderem Smartphones benutzt, in denen Texte auch inhaltlich Sinn machen.
Regisseur Jason Reitman (bald erscheint sein möglicher Oscarkandidat „Whiplash“), der das Screenplay mit zu Papier gebracht hat, hat die einzelnen Fragmente der Novelle umgesetzt. Allerdings ist der Großteil des Films zu still. Szenen, in denen nichts gesagt wird, sondern durch die Ausführung von Stab und Cast berührt werden soll, gehen leider kaum zu Herzen. Die Dialoge enden oft an der falschen Stelle oder sind häufig zu vulgär ausgedrückt. Während der Handlung sind bei dem Mix aus Komödie und Drama jedoch auch lustige Passagen mehr Fremdwort als Wortschatz. Die Gags entstehen nur bei der ironischen, auktorialen Erzählerstimme (Emma Thompson, „Saving Mr. Banks“), die ironischerweise dann ertönt, wenn Aufnahmen des Weltalls und von Satelliten auf der Leinwand flimmern. Komplizierter wird es, wenn man sich den Inhalt vor Augen hält. Mit dem Wissen, dass es sich um eine Verfilmung einer bereits bestehenden Erzählung handelt, liegt die Zusammenfuhr aller angesprochenen Themen schwer im Magen. Oftmals sind die Probleme der Individuen nicht nur extrem, sondern ebenfalls extrem mit Stereotypen verseht worden. Ein Online-Zocker in der Rollenspielwelt ohne Freunde in der Schule? Eine Magersüchtige, die am Kuchen riecht und dabei in den Sellerie beißt? Die krankhaft sorgende Mutter, die Social Media verabscheut und ihr Kind deswegen auch nicht mehr schutzlos vor die Tür gehen lässt? Damit die Moral auf sich wirken kann, sollte vieles in diesem Film nicht so radikal erscheinen und in ihren Katastrophen zu vorhersehbar und beinahe unrealistisch werden. Denn dass der Kern des Inhalts eine Warnung vor dem Verlieren des „Ich's“ in unserer Zeit sein soll, ist dem gesunden Menschenverstand erfreulicherweise auch so bewusst.
Ein Lob spreche ich für die Besetzung aus. Überwiegend sind die Darsteller als ihre Rollen auch in der Realität vorstellbar. Gelingen tut dies im Übrigen auch dank der Kostüme und dem Styling, für die Leah Katznelson („Don Jon“) zuständig war. Eine nicht zu biedere, aber auch nicht zu unaufregende Jennifer Garner („Die Coopers – schlimmer geht immer“) überzeugt zum Beispiel sehr als engagierte, Anti-“Facebook“ -Mutti Patricia. Das sehr deutliche Gegenteil dieser namens Donna verkörpert Judy Greer („Planet der Affen: Revolution“), welche ihre Tochter gerne, doch mit verhängnisvollen Mitteln zur Berühmtheit unterstützt. Diese Seite passt sehr zu Greers Look in dem Streifen, die andere, bereuende Fassade jedoch erst zu ihrem Spiel. Interessanterweise hat auch Adam Sandler („Urlaubsreif“) einer Figur Leben eingehaucht, die ganz und gar nicht wie seine bekannten Alter-Egos albern wirken. Daraus resultiert, dass die zahlreichen „Goldenen Himbeeren“ in Anbetracht der Leistung in „#Zeitgeist“ gar nicht so verdient sind. Er kann ernst durchaus gekonnt spielen, obwohl ihm dass Genre einfach nicht ganz so gut steht. Unter den Jungschauspielern macht Ansel Elgort („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“) als einer der Hauptprotagonisten, Tim, die beste Figur. Dank „#Zeitgeist“ erweist er sich vollständig als wandelbar, auch wenn seine Rollen oft in die selbe Alterskategorie fallen. Ihm gelingt es als melancholischer, isolierter Jugendlicher, das Publikum ohne große Worte in seinen Bann zu ziehen und da zu berühren, wo es in dem Film sonst nicht funktioniert. Damit stellt er nicht nur einige der alten Hasen in den Schatten, sondern desgleichen seine Kolleginnen Kaitlyn Dever („The Spectacular Now“) alias Brandy und Olivia Crocicchia („Palo Alto“) alias Hannah, deren Rollen allerdings auch weniger Anspruch benötigen.
„#Zeitgeist“ spiegelt die Rolle der sozialen Medien in den jetzigen Generationen zu überzogen und medial wieder. Das ist sehr schade, da sich der Film als überaus Interessant und Anspruchsvoll angekündigt hatte. Die Handlungen beginnen vielseitig und spannend, enden aber leider radikal und realitätsfern und auch die meisten Charaktere sind nur anfangs anziehend, bis sie sich in Klischees verwandeln. Ebenso ist die Länge von fast zwei Stunden nicht angemessen, da man den Szenen gut hätte kürzen können. Die darstellerischen Potenziale und ihre Interaktionen retten den Film in ihrer Anschaulichkeit und Jugendliche wird er höchstwahrscheinlich auch ansprechen. Auf einer Gesamtskala bekommt Reitman's „#Zeitgeist“ somit eine Punktzahl von fünf.
by Jennifer Mazzero
Bilder © Paramount Pictures Germany