Karoline Schuch

Karoline Schuch ©Zorro Film

Daten und Fakten

Geburtstag:
19.10.1981
Geburtsort:
Jena, Deutschland


zum Interview mit Karoline Schuch

Filmographie Karoline Schuch

Karoline Schuch hat in folgenden Filmen mitgewirkt, als:

Darsteller:

Ballon
Ballon
(2018)






Interview mit Karoline Schuch

Karoline Schuch im Interview zu Hannas Reise


Reist du gerne?
Ja, aber ich reise nicht gerne hin und her. Heute bin ich zum Beispiel aus Berlin nach München gekommen, später fliege ich nach Köln und übermorgen geht es wieder zurück nach Berlin. Solche Kurzreisen und immer verschiedene Hotelbetten fand ich früher super, aber mit Anfang 20 war das eine ganz andere Geschichte als mit Anfang 30. Weite Reisen finde ich noch immer toll, aber ich mache das viel zu selten. Gerade habe ich richtig Fernweh und all meine Freunde haben über Weihnachten und Silvester schon gebucht, aber ich bin jetzt so spät dran, dass es mir zu teuer ist. Ich investiere das Geld lieber in eine Reise, bei der ich dann einen ganzen Monat weg bin. Meine letzte große Reise ging nach Mexiko und ich möchte wahnsinnig gerne nach Neuseeland, weil ich noch nie da war. Diesen Sommer war ich in Norwegen und habe festgestellt, dass ich eher der Berg-Typ als der Meer-Typ bin.

Was darf in deinem Koffer nie fehlen?
Das klingt jetzt bescheuert, aber ehrlich gesagt ein Nachthemd. Klar wären Zahnpasta und Zahnbürste auch ganz gut, aber das Nachthemd hat höchste Priorität (lacht).

In HANNAS REISE findet ein Kulturschock statt. Gibt es kulturelle Unterschiede, die unvereinbar sind?
Ja, das glaube ich, aber ich es geht meiner Meinung nach auch gar nicht darum, alle kulturellen Unterschiede miteinander zu vereinen. Ich habe zum Beispiel kein Problem damit, mich in Malaysia anders zu kleiden, da in muslimischen Ländern nun mal andere Regeln gelten. Ich möchte nicht auf eine kulturelle Annäherung drängen, sondern passe mich kulturellen Gegebenheiten gerne an. Tut man das nicht, dann wird das schnell nervig und unfair. Die westliche Ansicht ist ja nicht das einzig Wahre. Bei aller Kritik an anderen Kulturen sollte man im Hinterkopf behalten, dass deren Wahrheiten genauso in Ordnung sind, wie die eigenen.

Definiert man sich auch heute noch zu sehr über die Kultur und zu wenig als Mensch?
Ich habe das Gefühl, dass speziell in Deutschland ein Definieren über das eigene Selbst, aber nicht unbedingt über die Kultur erfolgt. Der Trend, den ich erlebe, ist zweigeteilt: Einerseits möchte man nicht "deutsch-deutsch" sein, auf der anderen Seite lässt sich aber auch wieder eine Tendenz zum Stricken, Backen und "Heimisch-Werden" beobachten. Auf jeden Fall geht es bei uns sehr viel um das Ego und viel zu wenig um die Gemeinschaft. Das nervt teilweise sehr und auch auf Hanna trifft es zumindest zu Anfang des Films zu.

Viele meinen, dass u.a. das Technologiezeitalter das Miteinander beeinträchtigt, da die Menschen nicht mehr auf direkten Kontakt angewiesen sind. Wie siehst du das?
Ich glaube, da muss man differenzieren. Ich sehe durchaus, dass durch den Trend von Online-Dating-Portalen oder Sozialen Netzwerken eine Nähe entsteht, die real gar nicht existiert. Manchmal treffe ich Leute mit denen ich bei Facebook befreundet bin und habe ihnen nicht das Geringste zu sagen, obwohl ich ihren Posts regelmäßig ein Like gebe. Diese Pseudo-Nähe ist vielleicht ein Trend, der komisch ist, aber auf der anderen Seite erleichtert die Technologie auch viel. Man kann Kontakt im Grunde leichter halten. Für jemanden wie Hanna, der ein halbes Jahr in Israel ist, hilft das doch ungemein, den Kontakt nach Hause zu halten. Es ist für sie auf der anderen Seite auch ein großes Problem, weil ihr der (Ex-)Freund dazwischen schneit, während sie auf der anderen Seite der Welt wichtige Lebenserfahrungen sammelt.

Hanna ist im Film sehr karriereorientiert. Woher kommen die falschen Prioritäten?
Ich habe mich u.a. mit einem Dokumentarfilm auf HANNAS REISE vorbereitet, der Jungkarrieristen fokussiert. Da ging es fast nur um dieses und jenes Netto-Einkommen. Ein bestimmter Verdienst war für sie Gesetz und alles andere schien erst mal so gut wie egal. Dann stehen sie mit Anfang 30 da und denken: Es kann doch nicht wahr sein, dass ich das den Rest meines Lebens mache. Ungeschriebene Regel unserer Gesellschaft ist auch, dass man umso besser im Berufsleben durchstartet, je jünger man ist. Ich halte das für eine Lüge. Ich habe Psychologie studiert und festgestellt, dass das gerade in diesem Berufsfeld nicht stimmt. Ich will doch nicht von einem 20-Jährigen erwarten, dass er mit seiner Lebenserfahrung 60-jährigen, vielleicht depressiven Menschen hilft. Die je-jünger-desto-besser Annahme ist dem geschuldet, dass man so schnell und lang wie möglich in sämtliche Kassen einzahlen soll. Ich halte es für eine gute Tendenz, dass viele Leute heute langsam wieder weniger arbeiten, eine Familie gründen und die Berufsangst nicht ununterbrochen um sich haben wollen. Hanna versteht das in dem Film auch mehr und mehr. Daher finde ich den Film wichtig für junge Menschen, die gerade ihr Abitur machen. Man sollte sich nicht einreden lassen, dass man scheitern wird, wenn man nicht so schnell wie möglich Karriere macht.

Der Film enthält einige politische Aspekte. Ist hier Sensibilität gefragt?
Was das deutsch-israeliche Miteinander angeht halte ich Sensibilität für nötig, aber genauso wichtig finde ich den Versuch, neue Wege zu gehen. Der Film tut meiner Meinung nach beides. Bei den Kinovorführungen, die ich miterlebt habe, fand ich das befreite Lachen über die Witze des Films als eins der schönsten Dinge empfunden. Die Komik und Ironie des Films hätten sich meine Großeltern und Eltern wahrscheinlich nicht getraut, aber trotzdem lachen sie (hoffentlich) darüber, weil dadurch ein neuer Aspekt in dieses komplizierte und belastete Verhältnis gebracht wird. Ich habe bei meinem Aufenthalt in Israel eigentlich darauf gewartet, von Israelis stark mit der deutschen Schuldfrage konfrontiert zu werden, aber es ist nie dazu gekommen. Viele Israelis leben heute in Berlin und ich habe hier wie dort beobachten können, dass zwischen Deutschen und Israelis eine interessante Grundsympathie besteht.

Wie du andeutest, nähert der Film sich in einige Szenen mit Humor an die Thematiken an. Gibt es in diesem Fall eine Grenze für Witz?
Ja. Es gab auch Menschen, deren Grenze durch den Humor des Films überschritten wurde. Es gab zum Beispiel einen Mitarbeiter des Goethe-Instituts, dem der Film zu weit ging. Das sind persönliche Grenzen, die man akzeptieren muss. Ich hoffe aber, dass wir nicht in Erklärungsnöte geraten werden, denn ich finde, dass ein Film dazu da ist, persönliche und allgemeine Grenzen auszuloten.In jedermanns ethisch/moralischem Rahmen zu liegen ist sowieso unmöglich. Trotzdem sind einige Witze beim Schnitt des Films herausgeschnitten worden, weil sie in der Endlinearität dann doch zu viel waren. Manchmal fand ich das schade. Es gab zum Beispiel eine Frage, die mit Hitler zu tun hatte. Die Holocaust-Überlebenden, die an der Szene beteiligt waren, fanden den Witz in Ordnung, aber im Rohschnitt haben einige ihn als zu viel empfunden.

Findest du, dass Filme als Kunst in der Verantwortung stehen, Weltkrisen zu thematisieren oder sogar zu polarisieren?
Ja. Ich war gestern auf der Filmbörse in Berlin und habe einen Stand mit alten Filmplakaten entdeckt. Eins von ihnen enthielt einen Hinweis, der Film habe in Cannes große Skandale ausgelöst, sei nun aber vom "höchsten Gericht" in Deutschland für den Verleih zugelassen worden. Film war schon immer dazu da, Grenzen auszuloten. Ein Kunstobjekt kann für mich nur so funktionieren. Wenn man sich zum Beispiel Lars von Triers Filme ansieht, dann erkannt man diesen Anspruch unschwer. Der Neue Lars von Trier wird wieder die Grenzen von Millionen Menschen überschreiten. Mit dem Vorvorgänger (Antichrist) war es genauso. Ich habe damals nur gehört, um was es geht und schon gemerkt, dass ich nicht mehr schlafen kann, wenn ich mir das ansehe.

Sind Unterhaltungsfilme für dich weniger Kunst ?
Nein. Ich sehe gerne Til-Schweiger-Filme und erkenne auch in ihnen einen Kunstaspekt. Ich möchte das auf gar keinen Fall trennen, weil auch ein Unterhaltungsfilm ein großes Kunstwerk sein kann. Das muss man erstmal schaffen, dass ein ganzes Kino herzhaft lacht, das ist verdammt schwer. Film kann beides sein: unterhalten und zum Nachdenken anregen. HANNAS REISE zum Beispiel ist zwischendurch sehr lustig.

Findest du es wichtig, die Holocaust-Thematik an die Folgegenerationen weiterzugeben?
Ja, aber die Art und Weise, wie es statt findet, empfinde ich zunehmend als schwierig. Mir als Wendekind ging der Holocaust-Geschichtsunterricht "en masse" schon auf den Geist. Meine Generation hat wahnsinnig wenig über DDR-Geschichte oder die RAF gehört, dafür umso mehr über den Holocaust. Ich glaube man könnte sich durch eine Reise nach Israel einige Stunden Geschichtsunterricht sparen, Israel und ein Besuch in YAD VASHEM ist gelebte Geschichte. Der Lernaspekt ist so viel höher als sämtliche Betroffenheiitsgeschichtsstunden. Ich weiß wirklich nicht, wie mein kleiner Bruder, der gerade sein Abitur macht, noch eine Verbindung zu der Thematik aufbauen kann. Ich glaube, seine Generation hat das alles bereits so weit hinter sich gelassen, dass es nur noch über persönliche Begegnungen weitergegeben werden kann. Sich einen Film nach dem Anderen anzusehen und sich Jahreszahlen merkenzu müssen, hilft da kaum.

Lässt sich eine kulturelle Vergangenheit in dieser Art je vollständig aufarbeiten?
Nein, wie auch. Ich glaube der Verdrängungsaspekt auf beiden Seiten könnte einer der Gründe sein, dass es zwischen Israelis und Deutschen heute wieder so gut funktioniert. Es gibt aber auch Familien in Israel, die ihre Kinder nicht nach Deutschland gehen lassen wollen, was legitim ist. Ich habe mit Doron Amit, meinem Filmpartner, bei den Dreharbeiten oft darüber gesprochen und wir haben festgestellt, dass weder seine noch meine Großeltern mit uns vielüber diese Zeit geredet haben. Es ist interessant, dass oft weder die "Opfer-" noch die "Tätergeneration" darüber reden wollten, was passiert ist. Vielleicht macht es dieser Umstand aber auch etwas leichter, heute wieder miteinander auszukommen - darüber habe ich zumindest viel nachgedacht.

Eine moderne Heilungstheorie besagt, dass man sich nach der Aussöhnung mit der Vergangenheit unabhängig von ihr sehen sollte, um vollständig geheilt zu werden. Was hältst du davon?
Als Psychologin halte ich die Aussöhnung für das entscheidende Heilungsmoment. Ich glaube außerdem, dass man niemals völlig unabhängig von dem sein kann, was einem widerfahren ist. Hinzu kommt, dass das "soll" ziemlich anstrengend klingt. Deshalb glaube ich nicht, dass das richtig sein kann.

Wenn du Hanna als Psychologin analysieren würdest, wie würde das Profil lauten?
Das Spannende an Hanna ist ihr bewusster Wille, sich von ihren Eltern, in diesem Fall ihrer Mutter, abzugrenzen. Die Nächstenliebe und das Dasein für andere, das ihre Mutter lebt, möchte sie keinesfalls leben. "Das was du bist, will ich nicht sein." ist ein starker psychologischer Motor, ein Mechanismus, der bei vielen Kindern statt findet. Bei Hanna ist es besonders nachvollziehbar, da mit dem Lebenstil ihrer Mutter eine große Kränkung einhergegangen ist. Für viele andere Menschen war die Mutter da, nur für die Tochter nicht. Am Ende des Films bemerkt Hanna, dass sie ihrer Mutter ähnlicher ist, als sie es gerne hätte.

Wie du andeutest, geht Hannas Reise mit einem großen Perspektivwechsel einher. Welche Dinge sind einem Perspektivwechsel förderlich?
Schocks und Ausnahmezustände jeglicher Form. Auch der Umstand nicht weiter zu wissen, der Hanna begegnet. Das "Man kann alles schaffen, wenn man nur will." scheitert für sie an einer behinderten Frau, die die Uhr nun mal nicht lernen kann. Man muss irgendwann loslassen. Natürlich sollte man bis zu einem gewissen Grad dran bleiben, aber irgendwann muss man Dinge einfach akzeptieren wie sie sind.

Gibt es etwas, das deine eigene Perspektive gewaltig verändert hat?
Im Laufe meines Psychologiestudiums habe ich irgendwann zum Beispiel aufgehört davon auszugehen, dass alle Menschen so ticken wie ich. Das hat viel mit Loslassen zu tun und ist meiner Meinung nach der wesentliche Aspekt dieses Studiums, oder des Lebens überhaupt. Dieser Perspektivwechsel findet für viele bis zum Ende des Studiums nicht wirklich statt. Dass der Maßstab immer die eigene Sichtweise ist, ist ein Fehler, viel begangen wird. Ich habe das irgendwann durch meine beste Freundin erkannt, die selbst gar nicht Psychologin ist. Auch privat hilft das selbstverständlich viel. Wenn man aufhört, Freunde, Familie oder Liebespartner und deren Meinungen ändern zu wollen und akzeptiert, dass sie nun einmal anders sind , dann erkennt man, dass man genau zwei Möglichkeiten hat: Entweder man hält das aus und will trotzdem mit diesen Menschen zusammen sein, oder man muss gehen.

Kannst du dir eigentlich vorstellen, tatsächlich als Psychologin zu arbeiten?
Ja, warum eigentlich nicht. Momentan macht mir das Schauspiel großen Spaß, aber meine engsten Freunde sind Psychologen. Ich kriege von deren Ausbildung zum Psychotherapeuten und Berufsleben viel mit und ich finde das so spannend, dass ich mir durchaus vorstellen kann, später einzusteigen. Das kann ich ja auch in einigen Jahren noch tun. Bis dahin genieße ich den Wechsel zwischen Drehzeiten und Ruhezeiten sehr und brauche diese Veränderung nicht.

Hanna will die Reise nach Israel anfangs nicht antreten und wie Menschen es gerne tun den leichtesten Weg wählen. Muss einem etwas den Weg versperren, wenn man sich entwickeln will?
Ich glaube es ist wichtig, dass wir mindestens einmal im Leben richtig aufs Maul fallen, weil gerade dann der Perspektivwechsel möglich wird. Wenn alles wie am Schnürchen läuft, dann ist das Leben auch nicht mehr spannend. Ich habe es in den Zeiten zwar anders gesehen, aber rückblickend war mein Leben für mich immer am interessantesten, wenn es am kompliziertesten war. Eine Krise macht ja auch immer etwas mit einem und hilft daher mit Sicherheit dabei, über sich hinauszuwachsen.

Interview by Sima Moussavian