Filmkritik Voll verzuckert - That Sugar Film
Filmwertung: |
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| 8/10 |
Der Australier Damon Gameau hat vor einigen Jahren noch ungesund gelebt, geraucht, getrunken und wenig über seine Ernährung nachgedacht. Als er seine jetzige Frau Zoe Tuckwell-Smith kennenlernte, versuchte er sie zu beeindrucken und verzichtete fortan auf zuckerhaltige Nahrung.
Als sie schwanger wurde, entschied sich Gameau, sich genauer mit len Auswirkungen von Zucker auf den menschlichen Körper zu beschäftigen, um eine gewissenhafte Ernährung für sein Kind zu finden und sich selbst viele offene Fragen zu beantworten. Der Schauspieler entschied sich dabei für seine vielleicht schwierigste Rolle: er startete einen Selbstversuch, in welchem er sich zwei Monate ausschließlich von zuckerhaltigen Produkten ernährte. Allerdings nicht von Schokolade, Eiscreme oder Fast Food. Nein, nur von eigentlich gesunder Nahrung wie Joghurt, Müsli, Fruchtriegeln, Säften und Smoothies. Doch über diese Lebensmittel nahm er so viel Zucker zu sich, wie ein australischer Teenager im Durchschnitt – 40 Teelöffel am Tag. Dabei überwachten renommierte Wissenschaftler, Ärzte und Ernährungsberater seine „Diät“.
Diese Ausgangslage wird sehr gut umgesetzt. „That Sugar Film“ ist kein gewöhnlicher Dokumentartfilm. Denn Gameau bemüht sich, gerade die standardisierte Interviewform aufzulockern und fügt einige witzige und gut unterhaltende Elemente ein. Etwa wenn ein Professor aus einer Verpackung spricht, ist das zu Beginn überraschend und auch amüsant. Dazu tragen auch die passende Kameraführung, die schönen Locations, die verspielte Musikuntermalung und die Effekte ihren Teil zur atmosphärischen Stimmung des Filmes bei. Die Synchronisation an sich ist ebenfalls gelungen, die mangelhafte Lippensynchronität zieht sich aber störend durch den gesamten Film.
Dies ist eine von zwei kleinen Schwächen dieses wichtigen, aufklärenden Filmes.
Die andere ist, dass er stellenweise zu angestrengt versucht lustig zu sein, wodurch er manchmal arg geskriptet- und an diesen Stellen nicht wie eine Dokumentation wirkt, was wiederum Glaubwürdigkeit kostet.
Doch insgesamt überwiegen die positiven Aspekte deutlich. Es ist wirklich bemerkenswert, wie aufschlussreich Gameaus Film ist. Für diesen nutzte er seine Kontakte und konnte bekannte Schauspieler wie Hugh Jackman (Wolverine in allen „X-Men“-Filmen, Prisoners, Australia), Stephen Fry (Bürgermeister von Esgaroth in „Der Hobbit“-Trilogie, Sherlock Holmes: Spiel im Schatten, V wie Vendetta), Brenton Thwaites (Son of a Gun, Hüter der Erinnerung – The Giver, Maleficent – Die dunkle Fee) und Isabel Lucas (Transformers – Die Rache, Careful What You Wish For, The Loft) für kurze Auftritte gewinnen, was vor allem in Australien für eine große Popularität sorgte und „Voll verzuckert“ zum erfolgreichsten Dokumentarfilm aller Zeiten in „Down Under“ machte. Am Boxoffice spielte er bis heute fast 1,2 Millionen US-Dollar ein. Zurecht, wie man nach dem Anschauen festhalten muss. Denn Gameaus Film ist eines dieser Werke, welches man selbst gesehen haben sollte. Schließlich haben sogar gesundheitsbewusste Menschen Probleme, eine richtige und ausgewogene Ernährung zu finden, da es unzählige widersprüchliche Aussagen gibt. „That Sugar Movie“ ist nicht darauf aus, Zucker aus dem Speiseplan zu verbannen – er möchte lediglich ein Bewusstsein für die (schlimmen) Auswirkungen schaffen und verdeutlicht diese den ganzen Film über.
Dabei wird gezeigt, wie die Zuckerindustrie die intern längst bekannte Wahrheit über Zucker verschleiert, wie sich Aborigines dagegen wehren und was Experten zu alldem sagen.
Eine Szene bleibt besonders im Gedächtnis und ist nichts für Zartbesaitete. Als Gameau einen Zahnarzt in der Armengegend Barbourville in Kentucky, USA, begleitet, trifft er einen 17-Jährigen. Dieser liebt das stark zuckerhaltige Getränk Mountain Dew. Dadurch sind seine Zähne so zerstört, dass der Zahnarzt sie alle ziehen muss. Doch selbst das Zahnfleisch ist so befallen, dass eine Betäubung wirkungslos bleibt. Diese Szene ist schrecklich und verbildlicht auf eindringliche Art und Weise, wie gefährlich Zuckerkonsum sein kann.
Fazit: Wichtiger, brisanter Film, der zum Nachdenken über die eigene Ernährung und die gesamte Lebensmittelindustrie anregt. Es gilt nach wie vor für jeden einzelnen von uns: „ein jeder Kauf im Supermarkt ist ein Votum, was wir essen wollen.“
Sehenswert und dringend zu empfehlen!
by Stefan Bröhl