Stonewall

Stonewall (2015), USA
Laufzeit: - FSK: 12 - Genre: Drama
Kinostart Deutschland: - Verleih: Warner Bros.

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Stonewall Filmplakat -> zur Filmkritik

erhältlich auf 4K UHD, Blu-ray und DVD

Inhalt

„Stonewall“ ist die Geschichte eines fiktiven jungen Mannes, der 1969 in die historischen Stonewall-Unruhen hineingezogen wird: Als Danny Winters (Jeremy Irvine) von seinen Eltern verstoßen wird, muss er seine Freunde zurücklassen und nach New York fliehen. Ohne Dach über dem Kopf und völlig mittellos lernt er in Greenwich Village eine Clique von Street Kids kennen, die ihn in die Kneipe The Stonewall Inn mitnehmen. Doch die zwielichtige Bar gehört der Mafia und ist nicht gerade eine Oase der Ruhe und Besinnlichkeit. Danny und seine Freunde werden diskriminiert und übel behandelt, selbst die Polizei schreckt vor Übergriffen nicht zurück – mit der Zeit staut sich eine ungeheure Wut in ihnen an. Das gilt für Danny ebenso wie für die gesamte Gemeinschaft der jungen Schwulen, Lesben und Transvestiten, die sich im Stonewall Inn treffen. Bis sich eines Tages ihr Zorn entlädt: Als der erste Stein fliegt, kommt es zum Aufstand – der Beginn ihres Kreuzzugs für die Gleichberechtigung.

Jeremy Irvine, Joey King und Caleb Landry Jones | mehr Cast & Crew


Stonewall - Trailer


Stonewall - Trailer


DVD und Blu-ray | Stonewall

Blu-ray
Stonewall Stonewall
Blu-ray Start:
19.05.2016
FSK: 12 - Laufzeit: 129 min.
DVD
Stonewall Stonewall
DVD Start:
19.05.2016
FSK: 12 - Laufzeit: 124 min.

Filmkritik Stonewall

Filmwertung: | 5/10


Die Stonewall Ausschreitungen im New Yorker Viertel Greenwich Village Ende der Sechziger Jahre waren ein einschneidendes historisches Ereignis für die LGBT-Bevölkerung, das heute noch nachhallt. Das Stonewall Inn war wohl die bedeutendste Schwulenbar in New York City, die interessanterweise der Mafia gehörte und in der regelmäßig Razzien von der Polizei durchgeführt wurden. Barbesucher mussten ihren Ausweis vorzeigen, Transsexuelle wurden direkt abgeführt. Am 28. Juni 1969 kam es bei einer solchen Razzia zu einer spontanen Eruption, bei der sich die homosexuelle Gemeinschaft zum ersten Mal gewaltsam gegen die damals allgegenwärtige Unterdrückung und Demütigung auflehnte. Mit großem Zusammenhalt und viel Wut im Bauch kämpfte man gegen die New Yorker Polizei und das System, das Homosexualität für einen Akt der Perversion und eine geistige Störung ansah. Auf dem Höhepunkt der amerikanischen Gegenkultur der späten Sechziger, bei der auch unter anderem vehement für die Rechte von Afroamerikanern und gegen die amerikanischen Kriegseinsätze protestiert wurde, war es überfällig, für die soziale Eingliederung von Homosexuellen zu kämpfen. Nach der wilden Nacht im Greenwich Village folgten viele weitere Proteste in New York City, bis der Aktivismus der LGBT-Community schließlich zur Bildung von weltweiten Organisationen führte, die für die Rechte der Homosexuellen kämpften. Genau ein Jahr später fanden in den Großstädten Amerikas auch schon Gay Pride Märsche statt, die bis heute an die Stonewall-Ausschreitungen erinnern.

Nun hat sich ausgerechnet der deutsche Katastrophen- und Blockbusterkinoexperte Roland Emmerich das Thema herausgesucht, um es filmisch zu verarbeiten. Das kommt allerdings nicht von ungefähr, denn Emmerich ist selbst homosexuell, weshalb „Stonewall“ zweifelsohne ein sehr persönliches Projekt für ihn darstellte, das er seit vielen Jahren verwirklichen wollte. So persönlich sogar, dass Emmerich den Film zu großen Teilen selbst finanzierte. Nach dem Shakespeare-Thriller „Anonymus“ ist „Stonewall“ Emmerichs erst zweiter Ausflug außerhalb des Science-Fiction- oder Actiongenres („Der Patriot“ ist vielleicht eine weitere Ausnahme). Man sieht dem Film durchaus an, dass viel Leidenschaft darin steckt, doch letztlich handelt es sich um eine überraschend blutleere und eher uninteressante Angelegenheit, die zwar in eine hübsche Hochglanzhülle gepackt ist, aber dramatisch flach fällt. Auch der historischen und gesellschaftlichen Relevanz wird die weitestgehend banale Coming-of-Age-Geschichte Film kaum gerecht. Viel Kritik zog der Film bereits im Vorfeld seiner Veröffentlichung auf sich. Emmerich und sein Drehbuchautor Jon Robin Baitz wählten nämlich eine fiktive Figur als Protagonisten, der wohl laut Emmerich einem breiteren Publikum den Zugang zu dem Material erleichtern soll. Diese Figur ist Danny Winters (Jeremy Irvine), ein junger Mann, den seine Homosexualität im ländlichen und sehr konservativen Kleinstadt-Indiana zum Außenseiter macht – auch bei seinen Eltern. Vor allem sein Vater (David Cubitt), der die High School-Football-Mannschaft trainiertg, verstößt seinen Sohn regelrecht, weshalb Danny nichts anderes übrig zu bleiben scheint, als in das scheinbar weit offenere New York City zu flüchten. In der Christopher Street trifft er auf eine Ansammlung sehr exzentrischer Figuren aus der LGBT-Community, wobei er vor allem mit dem wilden Ray (Jonny Beauchamp) eine freundschaftliche Beziehung entwickelt. Danny versucht in dieser neuen und ungewohnten Umgebung sein Glück und Erfüllung zu finden, doch er muss unter anderem mit Obdachlosigkeit kämpfen und ist ständig zwischen verschiedenen Charakteren hin- und hergerissen, darunter auch dem aktionistischen und charismatischen Journalisten und Anführer der Mattachine Society Trevor (Jonathan Rhys-Meyers). Im Village brodelt es und Danny findet sich an einem Ort wieder, der bald zu explodieren scheint...

Dass Baitz und Emmerich einen weißen und blonden All-American-Schönling als Protagonisten für den Film erfanden, der dann schließlich die Ausschreitungen gewissermaßen mitinitiierte, erzürnte viele Kritiker. Wer den ersten Stein gegen die Polizei warf, ist nicht ganz klar, viele Historiker sehen jedoch gerade farbige Drag Queens und auch Lesben als Anführer der Homosexuellen-Bewegung. Sicher, im Hintergrund tummeln sich alle Sorten von Charakteren, darunter eben auch jede Menge Transsexuelle wie Marsha P. Johnson (Otoja Abit), die als Ikone der Bewegung gilt. Auch Ray/Ramona, der/die ein Auge Auge auf Danny geworfen hat, aber weitestgehend zurückgewiesen wird, ist nicht nur transsexuell, sondern auch Latino. An Vielfalt mangelt es Emmerichs Film sicherlich nicht, doch es ist größtenteils eben der Hintergrund, der gefüllt wird, großartig charakterisiert wird eigentlich keine Figur. Trotz aus angeblichen dramatischen Gründen vorgenommenem historischem Revisionismus hätte „Stonewall“ ein packender, bewegender und würdiger Film werden können, doch er funktioniert eigentlich zu keinem Zeitpunkt wirklich. Eines der größten Probleme ist dann eben die Hauptfigur, die erstaunlich blass und uninteressant bleibt. Jeremy Irvine, der unter Steven Spielberg in „Gefährten“ noch ein ganz ansehnliches Debüt gab, wirkt hier einfach überfordert und wie eine leere Hülle. Irvine ist kein Darsteller, bei dem ein Blick mehr als Tausend Worte sagt, als Schauspieler fehlt ihm einfach entscheidendes Charisma, um einen ohnehin schon problembehafteten Film zu tragen. Viel Hilfe erhält er nicht von den Filmemachern, denn Danny wird scheinbar rein als Projektionsfläche für die Zuschauer eingesetzt, nicht als dreidimensionaler und interessanter Charakter. In seinen vielen emotionalen Momenten greift Irvine zudem zu recht dick aufgetragenem und gelegentlich schon fast zum Schmunzeln einladendem Spiel, das nur ganz selten zu überzeugen weiß. Die interessanteste Figur ist dann noch Ray/Ramona, den Jonny Beauchamp aber oft übertrieben flamboyant darstellt. Immerhin entdeckt man anders als bei der Heldenfigur Danny unter der grellen Oberfläche jedoch ein echtes menschliches Herz. Die restlichen Charaktere sind fast ausnahmslos sehr klischeehaft und stereotyp gezeichnet. Emmerich inszeniert ohne jede Subtilität, das Skript ist von vorne bis hinten vorhersehbar und „Stonewall“ gestaltet sich so schon sehr früh als ziemlich langatmige Angelegenheit. Es gelingt nicht, den Film packend zu gestalten, die Figuren bleiben entweder schwach charakterisiert und Emmerich scheint zudem keinen passenden Ton für den Film zu finden. Es gibt zudem zahlreiche fast schon unfreiwillig komische Momente, etwa die übertrieben dick aufgetragene und theatralische Verführungsszene durch Trevor (Rhys-Meyers), der im Stonewall „A Whiter Shade of Pale“ in der Jukebox spielen lässt und sich wie ein Raubtier auf Danny zubewegt. Momente, die kraftvoll ausfallen sollten, wie der erste Steinwurf von Danny und der darauf folgende Ausruf „Gay Power“ (historisch belegt), fallen völlig flach und sorgen eher für Lacher als ein bewegtes und gepacktes Publikum.

Trotz aller dramatischer und inszenatorischer Schwächen ist „Stonewall“ wie von Emmerich gewohnt natürlich ein sehr schön produzierter Film. Trotz nicht allzu großem Budget hat man viel Mühe verwendet, um die damalige Zeit liebevoll und detailfreudig auszustatten. Kostüme und Set-Design sind erstklassig, die gesamte Ästhetik ist auf digitalen Hochglanz poliert. Der Look des Films ist prinzipiell damit sehr ansprechend, Filmpuristen könnten jedoch kritisieren, dass hier etwas viel Farbkorrektur betrieben wurde, weshalb das nahezu stilisierte Aussehen des Films fast schon wieder ablenkt.

Man hätte unter Umständen verschmerzen können, dass Emmerich und Baitz die fragwürdige Entscheidung getroffen haben, ihrem Film angeblich zielgruppengerecht eine Figur wie Danny erfunden haben. Doch „Stonewall“ ist trotz aller Bemühungen, ein Monument für die LGBT-Bewegung zu sein, eine sehr schwache und ermüdende Angelegenheit. Mit dem offen vorgetragenen Revisionismus schossen die Macher schließlich ein Eigentor, denn vielerorts wurde sogar zum Boykott des Films aufgerufen. Dieser Appell erwies sich sogar als erfolgreich, denn „Stonewall“ war in den USA nur einen Monat in gerade mal 129 Kinos zu sehen und spielte traurige 187.000 Dollar ein. Das ist trotz allem schade, denn auf diesem Niveau produzierten Filme sind leider sehr selten und mit diesem Boykott und dem folgenden Misserfolg wird es vermutlich auch so bleiben.

Fazit:
Was ein bewegendes und packendes gesellschaftliches Monument der LGBT-Community und eines einschneidenden historischen Meilensteins sein sollte, verkommt in Roland Emmerichs Händen zu einer formelhaften, dick aufgetragenen und schwach erzählten Coming-of-Age-Story. Zu allem Übel betreibt der Film fehlgeleiteten historischen Revisionismus und erfindet einen Protagonisten, der völlig kalt lässt.
by Florian Hoffmann

Bilder © Warner Bros.