Intrige

An officer and a spy / J'accuse (2019), Frankreich / Italien
Laufzeit: - FSK: 12 - Genre: Thriller / Historienfilm
Kinostart Deutschland: - Verleih: Weltkino Filmverleih GmbH

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Intrige Filmplakat -> zur Filmkritik

erhältlich auf 4K UHD, Blu-ray und DVD

Inhalt

Am 5. Januar 1895 wird der junge jüdische Offizier Alfred Dreyfus wegen Hochverrats in einer erniedrigenden Zeremonie degradiert und zu lebenslanger Haft auf die Teufelsinsel im Atlantik verbannt. Zeuge dieser Entehrung ist Marie-Georges Picquart, der kurz darauf zum Geheimdienstchef der Abteilung befördert wird, die Dreyfus der angeblichen Spionage überführte. Anfänglich überzeugt von dessen Schuld kommen Picquart Zweifel, als weiterhin militärische Geheimnisse an die Deutschen verraten werden. Doch seine Vorgesetzten weisen ihn an, die Sache unter den Tisch fallen zu lassen. Entgegen seines Befehls ermittelt er weiter und gerät in ein gefährliches Labyrinth aus Verrat und Korruption, das nicht nur seine Ehre, sondern auch sein Leben in Gefahr bringt.

Jean Dujardin, Louis Garrel und Emmanuelle Seigner | mehr Cast & Crew


Intrige - Trailer




DVD und Blu-ray | Intrige

Blu-ray
Intrige Intrige
Blu-ray Start:
03.07.2020
FSK: 12 - Laufzeit: 132 min.
DVD
Intrige Intrige
DVD Start:
03.07.2020
FSK: 12 - Laufzeit: 127 min.

Filmkritik Intrige

Filmwertung: | 8/10


Kaum ein historischer Moment spaltete das französische Volk wohl in vergleichbarer Weise wie die Dreyfus-Affäre: Ende des 19. Jahrhunderts wurde der aufstrebende Hauptmann Alfred Dreyfus von einem Kriegsgericht wegen angeblichen Landesverrats und Spionage zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, degradiert und ins Exil auf die Teufelsinsel in Französisch-Guayana verbannt. Doch die Beweislage war überaus dünn: Marie-Georges Picquart, der neu ernannte Leiter des militärischen Nachrichtendiensts, fand so schon schnell nach Dreyfus Verbannung entlastendes Beweismaterial, das jedoch von seinem Vorgesetzten-Apparat vehement unterdrückt wurde. Dreyfus war Opfer einer weitreichenden Intrige, bei der seine jüdische Herkunft eine nicht zu verachtende Rolle spielte. Doch entgegen aller Widerstände kämpfte Picquart für die Gerechtigkeit, was ihn schnell selbst in ernsthafte Probleme brachte…

So der historische Hintergrund, den Roman Polanski in „Intrige“ behutsam, präzise und schließlich sehr spannend verarbeitet. Nicht zum ersten Mal wird die weitreichende Verschwörung um die Dreyfus-Affäre verfilmt, so gewann etwa William Dieterles „Das Leben des Emile Zola“ 1938 sogar den Oscar als bester Film. Romanautor und Journalist Émile Zola spielt auch in „Intrige“ eine entscheidende Rolle, denn sein in der französischen Tageszeitung L’Aurore veröffentlichter offener Brief J’accuse…! (Ich klage an) gab dem Fall um Dreyfus und seinem standfesten Verteidiger Picquart eine entscheidende Wendung, die in der französischen Gesellschaft einen Skandal auslöste und die Politik in eine ernsthafte Krise stürzte.

INTRIGE | Von Lehrer zu Schüler: Picquart (Jean Dujardin) und Dreyfus (Louis Garrel)
INTRIGE | Von Lehrer zu Schüler: Picquart (Jean Dujardin) und Dreyfus (Louis Garrel) © Guy Ferrandis / Weltkino Filmverleih
Es liegt natürlich auf der Hand, dass man Polanskis eigene Geschichte mit seinem Sujet verbindet und die Stimme des umstrittenen Meisterregisseurs förmlich bei Betrachtung des Films hört. So war es Polanski selbst, der seinen Autoren-Freund Robert Harris zu seiner Buchvorlage motivierte, da die Dreyfus-Affäre schon lange ein Herzensthema des polnischen Filmemachers war. Wie jeder weiß, ist der in Los Angeles wegen sexuellen Missbrauchs verurteilte Polanski selbst ein Exilant, aber eben auch Jude. So entpuppt sich „Intrige“ als überaus zeitgemäßer Film, der im Juden- und Fremdenhass Frankreichs überdeutliche Parallelen zur Gegenwart zieht, die beängstigen und erschüttern.

„Intrige“ beginnt eindrucksvoll mit Dreyfus theatralischer Degradierung im Jahr 1895. Schon in diesen überaus präzise und nüchtern komponierten Bildern etabliert Polanski eine stille Kraft, die sich durch den gesamten Film zieht. Der Film braucht zunächst allerdings auch etwas, um in Fahrt zu kommen. Polanski und Harris führen die zahlreichen Figuren ein, wobei ganz klar Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin) im Mittelpunkt steht. Der verdiente Oberstleutnant übernimmt zunächst das Amt seines schwer an Syphilis erkrankten Vorgängers Sandherr (Eric Ruf) in der militärischen Spionageabwehr. Obwohl es sich um einen Aufstieg auf der Karriereleiter handelt, muss Picquart feststellen, dass er einen Scherbenhaufen übernommen hat, in dem schon lange nicht sauber gearbeitet wurde. Er beginnt das Amt mit eiserner Hand zu führen und aufzuräumen, was seinem Adjutanten Major Henry (Grégory Gadebois) spürbar bitter aufstößt. Denn nicht nur erkennt Picquart nach dem Studium der Dreyfus-Akten, dass immer noch Interna an die Deutschen weitergeleitet werden, er stellt auch zweifelsfrei fest, dass man Alfred Dreyfus mit fingierten Beweisen verurteilt hat…

NTRIGE | Oberstleutnant Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin) auf der Suche nach der Wahrheit
NTRIGE | Oberstleutnant Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin) auf der Suche nach der Wahrheit © Guy Ferrandis / Weltkino Filmverleih
Polanski inszeniert seinen Film betont nüchtern und damit gewissermaßen im Stile eines historischen „Spotlight“. Das ist zunächst nur mäßig mitreißend und angesichts vieler Figuren, unübersichtlicher Zusammenhänge und diverser eingestreuter Rückblenden gar nicht so einfach zu folgen. Doch sobald sich das groß angelegte Komplott herauskristallisiert und Picquarts pflichtbewusster, aber emotionsloser und unpersönlich geführter Kampf den Fokus des Films bildet, entwickelt „Intrige“ einen Sog, der zunehmend packt. Wie so oft in derartigen Filmen zu sehen, befindet sich der ungeliebte Aufdecker vertuschter Wahrheiten schnell selbst in Gefahr, denn Picquart wird diskreditiert und plötzlich selbst abgehört und verfolgt.

Polanski inszeniert den Film mit großer Präzision, Kompetenz und Klarheit, die mehr und mehr beeindruckt. An reißerischen Zügen ist er hier keineswegs interessiert, er verzichtet gar größtenteils auf Musik. Umso effektiver wird der Film dann in seinen Schlüsselmomenten, die wuchtig von Alexandre Desplats raffinierter Filmmusik untermalt werden: Da wäre etwa eine brillante Montage, die von Zolas „J’accuse“-Brief unterlegt ist und die Angeklagten beim Lesen der Zeitung offenbart und in ihrer plötzlich angreifbaren Position bloßstellt. Dann ist da aber auch die wütende pogromähnliche Reaktion des französischen Mobs, der auf den Straßen Zeitungen verbrennt und die Parole „Tod den Juden!“ skandiert und an jüdische Geschäfte malt. Polanski entlarvt hier blinde Herdenmentalität und macht überhaupt immer wieder unmissverständlich auf Hunderte Jahre bestehenden institutionalisierten Juden- und Fremdenhass aufmerksam. Beiläufig eingestreute Hassparolen von hochrangigen Persönlichkeiten des französischen Militärs erscheinen hier jedenfalls mit beängstigender Häufigkeit.

INTRIGE | Der vermeintliche Verräter Alfred Dreyfus (Louis Garrel) auf der Teufelsinsel
INTRIGE | Der vermeintliche Verräter Alfred Dreyfus (Louis Garrel) auf der Teufelsinsel © Guy Ferrandis / Weltkino Filmverleih
So ist „Intrige“ nicht nur ein zunehmend packender Justizthriller und bitter entlarvende Studie aus den Fugen geratener Autorität, er ist auch ein unmissverständlicher und anklagender Kommentar auf Gruppendenken. Polanski begreift die immer wiederkehrenden Muster der Geschichte, die zu sich selbst rechtfertigendem Fremdenhass führen und gerade in der heutigen Zeit an trauriger Relevanz gewinnen. Die wütenden Reaktionen, die durch die reine Existenz des Films bei den Festspielen von Venedig auf sozialen Medien hervorgekommen sind, geben Polanski angesichts der allgegenwärtigen Empörungskultur dann nochmal umso mehr Recht.

Fazit:
„Intrige“ ist ein kompetent und präzise inszenierter Justizthriller, der mit zunehmender Laufzeit trotz seiner meist nüchternen Erzählweise zu packen weiß. Das liegt nicht nur an den faszinierenden historischen Begebenheiten, sondern auch an der überaus zeitgemäßen Relevanz, die sich hier bedrohlich auftut.
by Florian Hoffmann

Bilder © Weltkino Filmverleih GmbH