Filmkritik Die Schachspielerin
Eine Filmperle der besonderen Manier: Schach, das Königsspiel für die französische Königin des charismatischen Autoren-Kinos:
Sandrine Bonnaire (“Vogelfrei“) entdeckt die Macht und Magie der Nachdenklichkeit, das Schachspielen. Wie sagte einstens Vladimir Nabukov? „Schachprobleme erfordern dieselben Tugenden wie jede künstlerische Bestätigung, die diesen Namen verdient: Originalität, Einfallsreichtum, Knappheit, Harmonie, Komplexität und erhabene Täuschung.“ Alles jene Attribute, die Bonnaire als Zimmermädchen Hélène besitzt. In der kleinen korsischen Nobelherberge wienert sie sich durch ein monotones Dasein, bis sie ein Gästepaar beim Tricksen mit Bauer, Turm und Dame entdeckt. Augenblicklich verfällt sie dem schweigsamen Bann von Konzentration und Kontemplation. Beim kauzigen Dr. Kröger (
Kevin Kline), der den Optimismus eines Arthur Schopenhauer und die Jovialität eines August Strindberg besitzt, findet sie nach hartnäckigem Bitten und Betteln ihren heimlichen Großmeister und geistigen Vater des „Spiels“. Es ist eine sehr bizarre Beziehung, zwischen dem todkranken Witwer und der Schüchternen, ein knisternder Antagonismus von Ablehnung und Annäherung, obgleich das Mit- und Gegeneinander von allen sexistischen Soßen entfettet bleibt. Helène büffelt heimlich vor dem Schachcomputer, vergisst den familiären Frust und erobert en passent ihre Individualität und Ikonizität zurück. Bald wird sie den gegnerischen König kippen. Schach heilt sie zur Reflektion und Reanimation. Und in der Schluß-Sequenz an der Schiffreling verlässt sie erhaben die Enge der Insel zum Turnier, in ein neues weltoffeneres Leben. Diese letzte Sequenz ist auch eine heimliche Hommage an Maurice Pialats „À nos amours“ aus dem Jahre 1983. Da erkundete sie ebenfalls als renitente Tochter die pubertierende Freiheit. Sandrine (Bonnaire) hieß damals Suzanne und war gerade einmal 16 Jahre jung. Nicht nur wegen der brillanten Darstellung eine grandioses kleine Filmperle, sondern insbesondere der Themati wegen: Diskriminierung Frauen im Männerspiel Sschach: So wurde Susan Susan Polgar, die erste Frau, die durch ihre Turnierergebnisse den Großmeistertitel der Männer errang, systematisch benachteiligt: So weigerte sich der Ungarische Schachverband etliche Jahre, sie zu Turnieren ins Ausland zu schicken oder nominierte sie trotz erfolgreicher Qualifikation nicht für die Teilnahme am Interzonenturnier – mit der plötzlichen Begründung, dort dürften nur Männer spielen. Heute jedoch genießen Spielerinnen wie Alexandra Kosteniuk, Antoaneta Stefanova, Humpy Koneru oder auch Shahade die Vorzüge, als Frau in der Schachwelt zu leben. Gleichwohl:
Offensichtlich werden Frauen in der Schachwelt heute nicht in erster Linie wegen ihres starken Spiels bevorzugt behandelt, sondern weil sie eben (oftmals) attraktive Frauen sind.
by Jean Lüdeke
Bilder © Concorde Filmverleih GmbH