Der seidene Faden

Phantom Thread (2017), USA
Laufzeit: - FSK: 6 - Genre: Drama
Kinostart Deutschland: - Verleih: Universal Pictures Intl.

Der seidene Faden Filmplakat -> zur Filmkritik

erhältlich auf 4K UHD, Blu-ray und DVD

Inhalt

Niemand kann Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis) in Sachen Mode und Schneiderkunst das Wasser reichen. Unterstützt von seiner Schwester Cyril (Lesley Manville) kleidet er Adlige, Filmstars, Erbinnen, Damen aus der Society und Debütantinnen im London der Nachkriegsjahre ein. Alle reißen sich um die unverwechselbaren Modelle des „House of Woodcock“. Frauen kommen und gehen im Leben des Modemachers, dienen dem überzeugten Junggesellen als Inspiration und leisten ihm Gesellschaft. Bis er Alma (Vicky Krieps) kennenlernt. Eine junge, natürliche und unbefangene Frau mit starkem Willen. Bald schon ist sie aus seinem Leben nicht mehr wegzudenken. Als Muse. Als Geliebte. Und sein maßgeschneidertes Leben, kontrolliert und planvoll, beginnt sich an den Säumen aufzulösen...

Daniel Day-Lewis, Lesley Manville und Vicky Krieps | mehr Cast & Crew


DVD und Blu-ray | Der seidene Faden

Blu-ray
Der seidene Faden Der seidene Faden
Blu-ray Start:
07.06.2018
FSK: 6 - Laufzeit: 130 min.
DVD
Der seidene Faden Der seidene Faden
DVD Start:
07.06.2018
FSK: 12 - Laufzeit: 125 min.

Filmkritik Der seidene Faden

Filmwertung: | 5/10


Der seidene Faden (2018) dürfte der meisterwartete Film des Frühjahrs 2018 sein, von einem der visionärsten und innovativsten Filmregisseure seiner Generation. Gelangen Paul Thomas Anderson (*1970) mit There Will Be Blood (2007) und The Master (2012) noch herausragende Meisterwerke der jüngeren Filmgeschichte, so kündigte sich mit der Thomas Pynchon-Verfilmung Inherent Vice – Natürliche Mängel (2014) ein erster künstlerischer Dämpfer an. Das unterirdische Niveau dieser billigen Klamaukkomödie setzt sich im neuesten Werk zwar nicht mit deren Vehemenz fort, doch lässt leider auch Der seidene Faden nichts von der notorischen Brillanz seines Regisseurs erkennen.

Daniel Day-Lewis und Vicky Krieps in Der seidene Faden
Daniel Day-Lewis und Vicky Krieps in Der seidene Faden © Focus Features, LLC.
Daniel Day-Lewis spielt den renommierten englischen Modeschöpfer Reynolds Woodcock, der im England der 1950er-Jahre Kleider für die Prominenz seiner Zeit kreiert. Cholerisch, paranoid-pedantisch und überaus egomanisch agierend, verschleißt er die Menschen um sich herum, insbesondere seine weiblichen Modelle, wie leblose Schaufensterpuppen. Als er die Bedienung Alma (Vicky Krieps) kennenlernt, wird seine bisherige Lebensführung einer Belastungsprobe unterzogen. In seiner Prämisse ähnelt dies speziell Steven Soderberghs Liberace – Zuviel des Guten ist wundervoll (2013) wie generell hundert anderen Filmen seiner Sparte: Ein charakterlich schwieriger, eremitischer und von sich und seinem Lebenswerk besessener Künstler wird durch eine ihm gänzlich verschiedene Person zu neuen Lebenseinsichten gezwungen.

Der gesamte Film ist einzig und allein auf das traditionell herausragende Schauspiel Daniel Day Lewis’ angelegt, der als Daniel Plainview in There Will Be Blood unter der Regie von Anderson 2008 bereits den Oscar als Bester Hauptdarsteller erhielt. Dass allerorts auch die Leistung der luxemburgischen Darstellerin Vicky Krieps hochgehandelt wird, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Sowohl hinsichtlich dramaturgischer Möglichkeit als auch tatsächlicher Performance ist sie kein wirkliches Kontergewicht zum Protagonisten. Die Dialoge, die sich die beiden Figuren liefern, wirken unendlich eintönig und hölzern. Dies lässt sich auch nicht mit der vermeintlichen zeitgenössischen Prätentiosität des Künstlermilieus der 1950er-Jahre Englands rechtfertigen. Im Vergleich zum seinerzeit grandiosen Spiel Philip Seymour Hoffmans und Joaquin Phoenix’ in The Master, das von einer inneren reziproken Energie sondergleichen zehrte, wurde zwischen Day-Lewis und Krieps hier anscheinend sogar dezidiert das Gegenteil gesucht und leider auch gefunden.

Alma (Vicky Krieps) und Reynolds (Daniel Day-Lewis)
Alma (Vicky Krieps) und Reynolds (Daniel Day-Lewis) © Focus Features, LLC.
Der Regisseur verfügt jedenfalls bei der langen Spieldauer von 130 Minuten über keine Erzählökonomie. Vermeintliche Wendepunkte wie eine gescheiterte Modeschau oder die für Hollywood geradezu obligatorische Streitszene des Paares am Esstisch, in der sich die beiden Figuren sinnloses Palaver liefern, abarbeiten lediglich eine formale dramaturgische To-do-Liste ohne inhaltlichen Geist. Wenn sich die Inszenierung Andersons und die Leistung Day-Lewis’ letztlich in endlosen Details verlieren, mag dies die Grundprämisse des Films sein, doch fragt man sich ernstlich, ob für deren Einimpfung nicht auch die erste Viertelstunde genügt hätte.

Das größte Problem des Films liegt neben dieser leblosen und hölzernen Dialog- und letztlich auch Inszenierungstechnik jedoch im formalästhetischen Umgang mit sich selbst. Mancherorts stellt man sich die Frage, ob man gerade Zuschauer eines ernsten Künstlerdramas oder aber einer Komödie ist. Beispielhaft mag die Szene sein, in der Reynolds und Alma Hand in Hand eine pittoreske englische Küstenlandschaft entlangschlendern. Abrupt hält Alma inne, schaut Reynolds in die Augen und entlässt ihn und den Zuschauer mit der völlig inhaltslosen und deplatzierten Sentenz „Egal, was du machst, mach es vorsichtig.“ in die nächste Szene.

Lesley Manville in Der seidene Faden
Lesley Manville in Der seidene Faden © Focus Features, LLC.
Solcherart wiederkehrende kleinere ironische Brechungen steigern sich letztlich bis in surrealistische Dimensionen gegen Ende des Films hinein, helfen dem Werk jedoch aufgrund ihrer Einfallslosigkeit und Unmotiviertheit letztlich nicht weiter. Sie sind zudem auch schon kunstvoller und stilsicherer inszeniert worden, man erinnere sich etwa nur an die Schlusssequenz in Xavier Dolans Mommy (2015). Schmerzvoll fühlt man sich nur noch an die grandiose Ironie und Komik früherer Anderson-Werke wie Boogie Nights (1997) oder Magnolia (1999) erinnert. Es darf wohl somit als belegt gelten, dass sich Anderson spätestens mit Der seidene Faden stilistisch überlebt habt.

Wie immer beim Regisseur positiv zu würdigen ist der gewohnt virtuose Umgang mit Kamera, Schnitt und Musik. Insbesondere letztere durchströmt als großes Highlight den gesamten Film und verleiht ihm seine misstrauische, enigmatische und träumerische Grundnote. Dem Gegenwartskino muss dennoch dringend bewusst werden, dass ästhetische Schönheit, bestenfalls noch garniert mit großen schauspielerischen Leistungen, allein noch keinen wertvollen Film ausmacht. So steht Der seidene Faden und dies ausgerechnet unter der Regie eines Paul Thomas Anderson exemplarisch für den aktuell so viralen filmischen Mangel an künstlerischem Wagemut und Tiefsinn.

Fazit:
Paul Thomas Andersons künstlerische Durststrecke setzt sich nach Inherent Vice – Natürliche Mängel nun mit Der seidene Faden auf erschreckende Weise fort. Gewohnt technische Brillanz stößt auf dramaturgische und inhaltliche Leere.
by ehemaliger Mitarbeiter

Bilder © Universal Pictures Intl.