Oliver Hirschbiegel

Oliver Hirschbiegel ©2013 Concorde Filmverleih GmbH

Daten und Fakten

Geburtstag:
29.12.1957
Geburtsort:
Hamburg, Deutschland


zum Interview mit Oliver Hirschbiegel

Filmographie Oliver Hirschbiegel

Oliver Hirschbiegel hat in folgenden Filmen mitgewirkt, als:


Regisseur:

Diana
Diana
(2012)




Interview mit Oliver Hirschbiegel

Oliver Hirschbiegel im Interview zu "Diana"


Wo waren Sie, als Diana starb?
Daran erinnere ich mich nicht mehr, aber dafür erinnere ich mich daran, was ich gefühlt habe. Ich war damals überrascht, wie sehr mich die Nachricht berührt, weil ich mich zuvor eigentlich nie besonders für sie interessiert hatte. Ihr Tod aus dem Nichts heraus ist mir trotzdem sehr nahe gegangen.

Woran liegt das?
Alle 60 oder 70 Jahre gibt es Menschen, die die Welt berühren. Das entzieht sich ab einem bestimmten Punkt der Erklärbarkeit. Auch Gandhi stand den Leuten neben seinem Glauben und seinen Lehren durch eine über alles hinausgehende Präsenz wahnsinnig nahe. So ähnlich war es auch mit Diana. Sie hatte eine kindliche Unschuld und Reinheit. Im Buddhismus kennt man dieses "etwas" als "divine innocence".

Im Film wird Dichter Rumi zitiert, dessen Werk die Liebe zu jedem Element der Welt als Himmel auf Erden beschreibt. Hat diese Liebe Diana ausgemacht?
Ich habe mich bemüht, diesen Aspekt im Film nicht zum Kitsch werden zu lassen, aber die Liebe als Wert und Energie ist durchaus in Diana gewesen . Sie war eine unglaublich spirituelle Frau. Das steht in keinem Buch oder Artikel, aber ich habe es im Zuge meiner Recherche über das Gespräch mit verschiedenen Menschen erfahren. Die Leute haben für mich bestätigt, dass sie eine unglaubliche Liebe in sich hatte und dadurch derart viel geben konnte. Sie alle haben von einer unheimlichen Präsenz, Energie, Klarheit, Wärme und Unverstelltheit gesprochen. Gleichzeitig hat sich Diana aber auch schwer getan, diese Liebe zuzulassen. Im Film spielt das eine große Rolle und schon ganz zu Anfang wird darauf dialogisch Bezug genommen, als man sie auffordert: "Let it in." Ich denke, dass diese Scheu an ihrer furchtbaren Kindheit gelegen hat, denn als kleines Kind von der Mutter verlassen zu werden prägt bis an Lebensende. Hinzu kommt, dass sie sich Charles vollständig geöffnet hat, letztendlich aber erneut Zurückweisung erfahren musste.

Teilen Sie das Bild von Diana als Märchenprinzessin?
Nein. Sie hatte viele verschiedene Facetten und auch dunkle Farben. Im Film gehen wir nicht zu tief hinein, weil es irritiert hätte, aber sie hatte auch manipulative Eigenschaften an sich. Sie war hochintelligent und hat nicht rational, sondern instinktiv gedacht. Außerdem war sie wahnsinnig verletzlich und scheu. Das ist grundsätzlich keine Eigenschaft, die jemanden zu einer geeigneten Prinzessin macht. Sie war instabil und kam mit dem Hause Spencer gleichzeitig aus einem der ältesten aristokratischen Häuser Englands.

Sie sprechen von einer manipulativen Seite. Im Film wird das über Dianas Umgang mit der Presse gezeigt. Sind die dargestellten Ereignisse wahr?
Dass sie die Presse kontrolliert hat, ist eine dokumentierte Tatsache. Sie hat die Medien manipuliert und bis zu einem bestimmten Punkt funktioniert das, aber die Presse hat eben auch eigene Interessen, sodass das Ganze schnell kippt. Dianas Annahme, dass dieser Umgang mit den Medien funktionieren kann, war ein bisschen überheblich. Für mich sind ihre letzten Wochen ein Beispiel dafür, wie leicht ein Kontrollgedanke aus den Fugen geraten kann.

Der Film impliziert, dass Diana ihren Prinzessinnenstatus vollständig angenommen hat. Hat sie ihn sogar gebraucht?
Ja, weil er ihr für die Öffentlichkeit Machtpotenzial gegeben hat. Bei Geschichten wie der im Film thematisierten Landminenkampagne kann man von politischem Engagement sprechen, das nur wegen ihrem "Fame" funktioniert hat. Ich glaube nicht unbedingt, dass sie den Prinzessinenfaktor an sich gebraucht hat, aber die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, weil ihr Engagement anders nicht mögliich gewesen wäre. Was Brad Pitt, Angelina Jolie und andere Prominente heute tun, hat Diana erfunden. Probleme, die mächtige Institutionen wie die UN oder das Rote Kreuz über Jahrzehnte erfolgslos zu lösen versucht haben, hat Diana durch den "Fame" innerhalb weniger Tage gelöst. Das ist bemerkenswert und tragisch, weil sie die Idee hatte, jedes Jahr ein solches Problem zu lösen und starb, bevor sie all ihre Ziele erreicht hatte. Sie hätte über ihren Prinzessinnenstatus noch viel erreichen können.

Sie haben vorhin von Dianas Verletzlichkeit gesprochen. War gerade das die Herausforderung an dem Projekt, da Sie zuvor vor allem "übermächtige" Persönlichkeiten inszeniert haben?
Ich wollte mit DIANA einen Film machen, der so berührt, wie sie berührt hat. Ich wollte, dass der Film Diana atmet. So etwas habe ich zuvor nie gemacht, sodass mich dieser Aspekt am meisten herausgefordert hat. Außerdem gibt es diese Art Filme gar nicht mehr: Echte Liebesgeschichten in dem Sinn, wie wir sie umsetzen wollten, existieren heute kaum. Romantic Comedies zum Beispiel haben immer ein Happy End. DIANA nicht, denn je tiefer es geht, desto geringer die Chance auf ein gutes Ende. Die Intensität und die Radikalität steigen in einer großen Liebe, aber das Ende ist meist ein trauriges - das scheint der Preis dafür zu sein.

Der Film lebt von dialoglose Szenen, über die eine gewaltige Komposition gelegt wird. Was war die Intention?
Das Ziel war, Dianas Seelenleben ohne Umwege wiederzugeben. Wir haben mehrmals eine Komposition benutzt, die ich "bubble" nenne. Das Leben in Berühmtheit, wie viele junge Menschen es sich heute erträumen, ist das Leben in einer "Seifenblase". Man ist vollständig von der Welt isoliert. Das kann eine Paranoia auslösen, weil man nicht mehr weiß, was Realität und was Verkünstlichung ist. Man weiß zum Beispiel nicht mehr, warum die Menschen freundlich sind, ob es strategische oder persönliche Gründe hat. Das ist eine sehr erstickende Vorstellung, die ich mit dem Sound-Design untermauern wollte. Am Anfang ihrer 2 letzten Jahre ist Diana ziemlich einsam und isoliert. Sie hat ein unerfülltes Privatleben und beinahe alle ihrer Freunde abgeschnitten.

DIANA, DER UNTERGANG und DAS EXPERIMENT basieren alle auf realen Stoffen. Realisieren Sie lieber authentische Geschichten?
Das Experiment beruht nur während der ersten Hälfte auf wahren Ereignissen. Wir haben uns für den zweiten Teil sehr große Freiheiten genommen und überlegt, was passieren könnte, wenn das Experiment nicht abgebrochen worden wäre. Beim UNTERGANG habe ich monatelang gezögert, aber bei DIANA wusste ich sofort, dass ich das Projekt umsetzen möchte. Reale Stoffe sind immer eine größere Herausforderung als ein fiktiver Thriller, wobei es mir bei der Auswahl noch mehr um den Grad der Faszination geht, den ich für die Geschichte an sich empfinde.

Hätte die Geschichte von DIANA auch als Fiktion funktioniert?
Als reale Geschichte ist es auf jeden Fall spannender. Ich weiß gar nicht genau, woran das liegt, aber mir und wahrscheinlich auch den meisten Zuschauern geht es so, dass Geschichten, die auf wahren Ereignissen beruhen, interessanter zu beobachten sind. Noch spannender wird die Story dann, wenn sie von einer realen Person handelt, die alle Menschen kennen. Dass es auch gefährlicher ist, eine "reale" Geschichte zu realisieren, war mir immer klar. Die Irrationalität der britischen Reaktionen hat mich überrascht, aber dass es Kritik geben würde, war mir von Anfang an klar. Momentan ist die englische Gesellschaft durch William und Kate einer Aussöhnung nahe und gerade deshalb will man nicht daran erinnert werden, wie bösartig und herablassend man damals medial und gesellschaftlich mit ihr umgegangen ist. Ihr Tod war ein Ultraschock, an den man sich genauso wenig erinnern möchte. Interessanterweise schmerzt diese Wunde offenbar auch heute noch immer so sehr, dass die Konfrontation kaum möglich ist.

Haben Sie ihre Entscheidung für DIANA je bereut, weil Sie Hasnat als reale Person mit dem Wiederaufrollen der Geschichte zu verletzen könnten?
Darüber darf man als Filmemacher nicht nachdenken. Das ist nicht meine Verantwortung: Er hat die Entscheidung vor langer Zeit selbst getroffen, als er sich auf Diana eingelassen hat. Auch, wenn es eine "geheime"" Affäre und Leidenschaft war, war Hasnat immer bewusst, dass er sich auf die berühmteste Frau der Welt eingelassen hat. Die Annahme, dass eine solche Affäre kein Faktum in ihrer Biografie werden würde, wäre doch sehr naiv. Er hätte sie zurückweisen müssen, wenn er das vermeiden hätte wollen. Ich kann mich aber durchaus in ihn hineinversetzen. Ich bin davon überzeugt, dass sie die Liebe seines Lebens war und möchte nicht wissen, wie schmerzhaft es ist, diese Liebe zu verlieren. Obwohl sie Charles wahnsinnig geliebt haben muss, glaube ich übrigens, dass Hasnat auch ihre große Liebe war. Vollständig eingelassen hat sie sich auf beide Männer und das ist ja auch der Sinn der Sache, wenn man jemanden liebt.

Hat Diana ihr Leben verloren, als sie Hasnat verloren hat?
Liebende können sich tausend Mal trennen, ohne wirklich getrennt zu sein. Irgendwo tief in einem weiß man, ob eine Trennung von Dauer sein wird. Diana und Hasnat haben sich nicht getrennt, weil sie nichts mehr für einander empfunden haben. Ihre Wege sind für den Moment auseinander gegangen, weil ihre Liebe momentan nicht möglich war. Es ging gerade nicht anders - so sagt Hasnat es im realen Leben auch in seinen Statements - aber diese Liebe war nicht beendet und das war beiden klar. Das macht die Geschichte umso tragischer, weil die beiden nie die Gelegenheit hatten, einander ein halbes Jahr später zu begegnen und wieder zusammen zu finden.

Der Film deutet an, dass sich für die muslimische Welt einiges verändert hätte, hätte die Beziehung funktioniert. Was hätte sich verändert?
Wenn die beiden geheiratet hätten, dann wäre die Welt heute mit Sicherheit eine andere. Selbst wenn der 11. September dann statt gefunden hätte, hätte die Geschichte nicht diese Ausmaße angenommen. Die Idee, dass die ultimativ christliche Prinzessin Diana einen muslimischen Doktor aus Pakistan heiratet und vielleicht sogar dort zu leben beginnt, hätte die Welt um einiges nach vorne gebracht.

Interview by Sima Moussavian