Larry und der Dude - zwei Extreme aus der Welt der Coens
11.08.2010
Die Coen Brüder haben in der langen Zeit ihres filmischen Schaffens schon jede Menge einzigartige Figuren entstehen lassen. Doch keine Gestalt aus ihrer Welt hat sich so tief in die Popkultur gegraben wie der Dude aus „The Big Lebowski“. Dieser Film erschuf beharrlich einen Kult, der wahrscheinlich aus dem Wunsch geboren wurde, in einer Welt des steigenden Drucks dem inneren Schweinehund kampflos das Feld zu überlassen. Nun erscheint am 13. August ihre neue Komödie „A Serious Man“ auf Blu-ray und DVD. Sieht man sich die beiden Filme an und sucht nach Parallelen zwischen den Hauptcharakteren, so wird man auch fündig. Larry Gopnik heißt die Figur, um die sich die Handlung von „A Serious Man“ windet. Genau wie der Dude ist Larry durchaus zufrieden mit einer Situation, die den meisten Mitgliedern der Bevölkerung wohl unerträglich monoton vorkommen würde.
Die Eckpfeiler des Dude-Lebens heißen White Russian, Bowling, Kiffen und Flip Flops und damit hat er einen Grad der Zufriedenheit erreicht, für den ein Buddhistischer Mönch eine ganze Weile meditieren müsste. Die Geschichte von Larry spielt in den 60er Jahren, er bewohnt einen stark jüdisch geprägten amerikanischen Vorort und lebt ein Leben, was so unglaublich normal und eintönig ist, dass es schon einige andere Figuren aus amerikanischen Filmen in den Wahnsinn getrieben hat. Larry hingegen liebt sein Leben und er will nichts weiter, als dass es immer genauso weitergeht. Daran klammert er sich wie der Dude an seinen Teppich und so wie der Dude ansehen muss, wie auf seinen Teppich gepinkelt wird, ist Larry Zeuge, wie scheinbar eine höhere Macht auf sein Leben uriniert. Denn bei ihm geht alles den Bach runter: seine Frau will auf einmal die Scheidung, die Uni, für die er als Physikprofessor arbeitet, erhält Briefe, die ihn denunzieren, ein koreanischer Student versucht in aberwitziger Beharrlichkeit ihn zu bestechen, um eine bessere Note zu bekommen und fortwährend ruft ein Mann vom Schallplattenversand mit Geldforderungen an, obwohl Larry gar kein Clubmitglied ist. Alles was da auf Larry hereinbricht, bringt ihn allerdings nicht wirklich zum Handeln. Anstatt selber aktiv zu werden, lässt er sich von Misere zu Misere treiben und sucht dabei beharrlich nach dem WARUM.
Damit hat man auch schon einen der größten Unterschiede zwischen Larry und dem Dude: Larry sieht hinter allem einen höheren Sinn. Er wendet sich verzweifelt an einen Rabbi nach dem anderen, um den Grund für sein Unglück zu entdecken. Der Dude hingegen treibt mit THC-geschwängertem Gemüt durch das Meer der Absurditäten in „The Big Lebowski“, ohne dabei auch nur einmal nach dem Grund zu fragen. Der Dude macht während der gesamten Zeit, die wir mit ihm verbringen, einen grundsoliden und zufriedenen Eindruck, während Larry immer weiter in Richtung Verzweiflung abdriftet. Dadurch übt „A Serious Man“ einen unwiderstehlichen Reiz aus. Zu sehen, wie das Schicksal immer weiter seinen Fuß in den Hintern eines rechtschaffenden Mannes ohne große Fehler tritt, ist Coen-Unterhaltung auf allerhöchstem Niveau und darum ist die Oscarnominierung als bester Film auch absolut nachvollziehbar. Wer jetzt neugierig geworden ist, sollte sich den 13. August unbedingt im Kalender vormerken, seinen DVD- oder Blu-ray-Player mit „A Serious Man“ füttern und selbst herausfinden, warum Larry das alles ertragen muss.