Filmkritik Wild Tales - Jeder dreht mal durch
Filmwertung: |
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| 10/10 |
Argentiniens Kinobeitrag „Wild Tales - Jeder dreht mal durch“ (im Original „Relatos Salvajes“) 2015 hebt sich schon oberflächlich gesehen deutlich von der Menge ab. Ein Episodenfilm, der im Kern das Ausrasten thematisiert und davon handelt, was passiert, wenn man seiner Wut freien Lauf lässt, lockte auch Argentiniens Créme de la Créme in die Studios. Und siehe da: Dieser Film ist so böse, dass man sich beinahe schämen müsste, ihn gut zu finden. Der oscargekrönte Regisseur Pedro Almodóvar verpackt sechs rabenschwarze Kurzfilme zu einem Episodenfilm, der nicht ohne Grund als Nominierter für den Fremdsprachenoscar gehandelt wird.

Thematisch ähneln sich alle Episoden, inhaltlich sind sie aber nicht miteinander verknüpft und auch die Charaktere tauchen nicht erneut auf. Somit kann man sich prima seine Lieblingsepisode aussuchen. Schon zu Anfang, noch vor dem Vorspann, knallt es so gewaltig, dass die Vorfreude auf den restlichen Streifen stetig steigt. In der Mitte nimmt die Spannung ein wenig ab, jedoch ist die Endepisode mehr als sehenswert. Das Beste kommt eben erst zum Schluss.
So brutal, lustig und teilweise psychopathisch schätzt man „Wild Tales“ gar nicht ein. Doch dann reißt der Film einen mit einer Lust in den Abgrund des menschlichen Verstandes, dass es die Vernunft und das Gewissen beinahe ruiniert. Doch genau darin liegt das Geheimnis: Dieses Loslassen macht Spaß, die Vernunft auszuschalten befreit und im Endeffekt ist es ja „nur“ ein Film. Sprich: Ein schlechtes Gewissen ist nicht nötig. Wer sich darauf einlässt, wird einen Mordsspaß haben.

Die Darsteller könnten trockener nicht sein. Den absurdesten Momente wird durch den Ernst der Figuren eine große Portion Witz verliehen. Einer der renommierten Schauspieler Argentiniens, Ricardo Darín („Der Sohn der Braut“), zum Beispiel ist in der Episode „Bombita“ am Rande des Wahnsinns und schafft es, Mitleid und Schadenfreude zugleich zu erzeugen. Und bei „Pasternak“ erwischt man sich dank Darío Grandinettis („Sprich mit ihr“) Auftritt selbst in der Situation wieder, sich aufs boshaftigste rächen zu wollen.
Der Subititel „Jeder dreht mal durch“ passt: Dank des Films wird sich jeder in Momenten angesprochen fühlen, die er normalerweise zu verbergen versucht. Dabei wird nicht nur mit der Vernunft, sondern auch mit den Lachmuskeln gespielt. Eine klasse Abwechslung zur sonstigen Kinolandschaft, die man sich nicht entgehen lassen sollte. 10 Punkte für „Wild Tales“.
by Jennifer Mazzero
Bilder © Prokino Filmverleih GmbH