Filmkritik Whiskey Tango Foxtrot
Filmwertung: |
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| 7/10 |
Tina Fey ist bislang primär als Komikerin bekannt, vor allem durch ihre Arbeit bei Saturday Night Live, der Emmy-gekrönten Serie „30 Rock“ und ihren herrlich respektlosen Golden Globe Moderationen mit Freundin und Kollegin Amy Poehler. In Filmen war Fey bislang eher eine wenig gesehene Präsenz, vor allem blieb das Material oft unter den Fähigkeiten der talentierten Amerikanerin.

Das ändert nun „Whiskey Tango Foxtrot“, ein nicht immer geglückter Genremix, in dem Fey ihre bisher beste Film-Leistung zeigt. Sie ist der wohl beste Aspekt in einem interessanten, aber unausgegoren Film, der auf den Memoiren der Journalistin Kim Barker basiert, die mehrere chaotische Jahre in Afghanistan verbrachte. Der Film spricht zum einen Feys gewohntes und ganz natürliches komödiantisches Talent an, auf dankbarerweise noch seltenen vulgären Humor folgt mancher geistreicher Moment. Zum anderen ist „WTF“ ein durchaus ernstes und komplexes Portrait einer Frau in ihren Vierzigern, die ausgerechnet im Krisengebiet Naher Osten ein zweites Erwachen erlebt. Regie führten John Requa und Glenn Ficarra, die sich unter anderem für den exzellenten „
Crazy, Stupid, Love.“ und den weniger gelungenen „Focus“ verantwortlich zeigten.
2003. Die New Yorker TV-Journalistin Kim Barker hat gerade die 40er Schallmauer durchbrochen, ist immer noch kinderlos und mit ihrem Job, der ihr nur kleine Stories liefert, eher unzufrieden. Ohne zu zögern nimmt sie das Angebot ihres Senders an, für drei Monate nach Afghanistan zu reisen, um dort als Kriegsberichterstatterin der Operation Enduring Freedom zu fungieren. In Afghanistan folgt der erwartungsgemäße Kulturschock, doch nach anfänglichen Startschwierigkeiten steigert sie sich zunehmend in ihren Job hinein. Unterstützt wird sie von dem ihr zugeteilten Fremdenführer Fahim (Christopher Abbott), dem australischen Bodyguard Nic (Stephen Peacocke) und dem jungen Kameramann Brian (Nicholas Braun). In ihrer spartanischen Unterkunft trifft sie außerdem auf die erfolgreiche britische Journalistin Tanya (Margot Robbie), mit der sie sich anfreundet. Gemeinsam mit ihrem Team und Marines Commander General Hollanek (Billy Bob Thornton) reist Kim durchs Land, interviewt Soldaten, kommt in unerwartete Gefechtssituationen, feiert wilde Partys und

baut schließlich einen Kontakt mit dem einflussreichen afghanischen Bürokraten Ali Massoud Sadiq (Alfred Molina) auf, der ein Auge auf sie geworfen hat. Aus Monaten werden schließlich Jahre, denn Kim hat in Afghanistan scheinbar ihre Berufung gefunden…
Über weite Strecken ist „Whiskey Tango Foxtrot“ ein richtig interessanter Film, gerade weil er so schwer einzuordnen ist. Tina Feys Präsenz verspricht viel Humor, den es gerade zu Beginn auch häufig, wenn auch eher rar gesät, in gewohnter Form gibt. Inszeniert ist der Film in oft unruhigen und dokumentarisch wirkenden Bildern, die das Chaos in Afghanistan effektiv und mit sichtlichem Aufwand vermitteln. In seinem ersten Drittel ist „Whiskey Tango Foxtrot“ sogar überraschend aufregend und groß bebildert, etwa wenn Militärkonvois mit Humvees durch die Wüste brettern, Helikopter durch die Luft rattern und plötzlich alles ganz ernst wird, wenn Schüsse fallen und Autos explodieren. Hier reiben sich immer wieder situationskomische Momente, beispielsweise wenn der ganze Konvoi halten muss, weil Kim pinkeln muss, mit explosiver Action und tödlichem Ernst. So ist der Film durchaus lebendig, nicht nur wegen seiner Unberechenbarkeit, sondern auch der überzeugenden Präsenz von Tina Fey.
Doch man beginnt sich zunehmend zu fragen, was der Film eigentlich aussagen will, wohin er sich bewegt. So wirkt „Whiskey Tango Foxtrot“ zunehmend unfokussiert, die immer wieder eingestreuten kurzen Partysequenzen wiederholen sich, die Jahre vergehen und man versteht nur andeutungsweise, was diese Frau antreibt.

Geht es um Adrenalin? Um die Sucht nach Gefahr? Das Gefühl, sich lebendig zu fühlen? Das alles möchte der Film nicht explizit aussprechen, Kabul ist jedenfalls wohl viel belebender als New York. Afghanistan ist ein Ausbruch aus Kims scheinbar drögen Realität und ihr Auftrag ist eine Form der Selbstverwirklichung. Seine feministische Agenda trägt der Film in keiner Weise dick auf und bleibt letztlich vielleicht eher zu subtil. Kim wird im Verlauf des Films immer risikofreudiger, sie wird selbstbewusster und souveräner im Vergleich zum etwas tollpatschigen Beginn, der nie überzogen wirkt. Sie ist zudem kein Charakter, der künstlich sympathisch gemacht wird, sie hat zahlreiche Schwächen und erweist sich als real und überzeugend gezeichnete Figur. An einem gewissen Punkt führt der Film dann den schottischen Fotografen Iain (Martin Freeman) ein, der eher ätzend, lästig und notgeil als charmant daherkommt. Doch es entwickelt sich etwas zwischen ihm und Kim, was für den Zuschauer eher schwierig nachzuvollziehen ist. Hier will der Film dann gegen Ende in etwas gehetzten und weit hergeholten Situationen noch etwas Spannung aufbauen, was nur bedingt funktioniert, ebenso wenig wie seine Versuche den Film emotional abzurunden.
Also, was genau ist „Whiskey Tango Foxtrot“ nun für ein Film? Das bleibt schwer zu beantworten und am Ende ist man nicht unbedingt schlauer wie vorher. Es gibt manch einen wirkungsvollen Lacher, spätestens ab der Hälfte ist der Film jedoch eindeutig eine ernstere Angelegenheit. Er plätschert über weite Strecken etwas vor sich hin, man verbringt im Grunde nur Zeit mit den Figuren und lernt die wilden und chaotischen Lebensumstände vor Ort kennen. Hier gibt es nicht viel Neues zu sehen, denn Filme über den Nahostkonflikt gab es mittlerweile nun wirklich einige, auch wenn Afghanistan glaubhaft dargestellt wird (tatsächlich wurde in New Mexico gedreht).

Am ehesten ist „Whiskey Tango Foxtrot“ eine oft abenteuerliche und wilde Geschichte über die Selbstfindung und das Neuerfinden einer Frau in ungewohnter Umgebung. Requa und Ficarra halten das alles unvorhersehbar und unkonventionell, sein Potential löst der Film aber nicht wirklich ein. Hier und da flackert ein an „M.A.S.H.“ erinnernder satirischer Unterton auf, doch „Whiskey Tango Foxtrot“ ist auf politischer Ebene ziemlich zahnlos und neutral ausgefallen. Damit erreicht er nicht ansatzweise die Pointiertheit, die den Film schließlich zu etwas wirklich Erinnerungswürdigem hätte machen können. Es bleibt ein interessanter Film, der eben nur bedingt weiß, was er sein möchte.
Fazit: „Whiskey Tango Foxtrot“ ist ein unberechenbarer und origineller Film über die Selbstfindung einer Frau, die in der ungewohnten Umgebung vom kriegsgebeutelten Afghanistan zu neuem Leben findet. Leider wirkt der Film trotz vieler interessanter Ideen und Ansätze etwas zusammenhangslos und sich seiner selbst nicht wirklich sicher, wodurch einen das Ganze am Ende etwas kalt lässt.
by Florian Hoffmann
Bilder © Paramount Pictures Germany