Filmkritik Wir sind die Millers
Filmwertung: |
 |
| 5/10 |
Als Jennifer Aniston am 15. August zur Deutschlandpremiere ihres neuesten Filmes "Wir sind die Millers" in Berlin auf dem roten Teppich erschien, drehte sich alles um die wirklich relevante Frage, ob die 4 Stunden seit ihrer Ankunft von der Londoner Premiere nur ausreichten, um die Haare so hochzustecken, wie sie sie jetzt trug. Einen Radiosender hört man bei dem Event Leute befragen und als jemand über den Film sprechen will, ist zu hören: Wen interessiert denn der Film? Wir sind wegen Jennifer Aniston hier! Derweil laufen B- und C-Promis über den roten Teppich, die befragt zu Miss Aniston herumdrucksen, sie sei nett, doch niemand will ihr großes Schauspiel attestieren. Abgesehen davon, dass die Befragten selbst Lichtjahre davon entfernt sind. All dies zeigt, wie viele Fans, aber auch stille Kritiker Jennifer Aniston hat und wie sehr Filme mit ihr auch von ihrem bloßen Mitwirken leben.
In "Wir sind die Millers" erleben wir den kleinen Drogendealer David Clark (Jason Sudeikis), der sich von einer Straßengang nicht nur die gesamten Ersparnisse klauen lässt, sondern auch den ganzen Stoff, den ihm sein Zulieferer Brad Gurdlinger (Ed Helms) anvertraut hatte. Um die nun angefallenen hohen Schulden zu begleichen, bietet Brad ihm die Chance zur Wiedergutmachung. David soll für ihn eine große Marihuana-Lieferung über die mexikanische Grenze in die USA schmuggeln. Da David selbst schon ein bisschen wie ein Drogendealer aussieht, engagiert er als Tarnung die Stripperin Rose (Jennifer Aniston), den etwas dämlichen Teenager Kenny (Will Poulter) und das gepiercte Straßenkind Casey (Emma Roberts). Gegen Bezahlung willigen die drei ein, eine Scheinfamilie zu gründen, die hoffentlich bieder genug wirkt, den Grenzbeamten nicht aufzufallen. Zusammen brechen sie als "Familie Miller" in einem Wohnmobil zu ihrem vorgetäuschten Kurzurlaub nach Mexiko auf, wo natürlich die eine oder andere chaotische Situation auf sie wartet.
Bevor Rawson Marshall Thurber sich auf den Regiestuhl für "Wir sind die Millers" setzte, schraubten zwei separate Teams bestehend aus Bob Fisher und Steve Faber ("Die Hochzeits-Crasher") sowie Sean Anders und John Morris ("Mr. Poppers Pinguine") am Drehbuch. In der vierköpfigen Scheinfamilie sind Jennifer Aniston, Jason Sudeikis, Will Poulter und Julia Roberts-Nichte Emma Roberts als die vermeintlichen Millers auf Achse. Als Möchtegern-Drogenboss Brad Gurdlinger ist Ed Helms in einer für ihn untypischen Rolle wunderbar überdreht zu sehen. Einen überraschend guten Start legte "We're the Millers" an den amerikanischen Kinokassen hin und rangierte am Startwochenende mit etwa 27 Millionen eingespielten US-Dollar nur knapp hinter "Elysium". Es mag an Jennifer Anistons Popularität oder einfach an dem Umstand liegen, dass in den letzten Wochen kaum große Comedy-Produktionen in die US-Kinos kamen, dass der Streifen somit sein Budget von 30 Millionen $ fast sofort wieder einspielte.
Die Handlung liegt nicht auf der Goldwaage, wenn man Jennifer Aniston zu sehen bekommen kann, die ein bisschen strippt oder ein Bündel Haschisch wie ein Baby auf dem Arm trägt. Dazu sehen wir einen wirklich lustigen Jason Sudeikis, der Miss Aniston komödiantisch locker an die Wand spielt, einen herrlich verpeilten Will Poulter, der mit seiner Performance von TLC's "Waterfalls" ordentlich für Fremdschäm-Humor sorgt und eine wunderbar garstige Emma Roberts, die Miss Aniston mit ihrer rotzigen Schlagfertigkeit eigentlich auch alt aussehen lässt. Doch es ist Jennifer Aniston, die von den Zuschauerinnen zum Mädelsabend eingeladen werden soll, weil sie alle aus "Friends" kennen und weil sie die Haare schön hat. Meistens. Und so dürfte es weiter keinen stören, dass Jennifer auch diesen Film nicht trägt, obwohl ihr Name ganz oben steht und dass ihre Strippeinlage nett war, aber keine Filmgeschichte schreiben wird. Es spricht aber für einen gewissen verschrobenen Charme, dass der ausreichend absurde und mit vulgärer Sprache angereichte Miller'sche Roadtripp wohl auch von den Produzenten mit einer sympathischen Portion Selbstironie gesehen wird. Im Abspann erklingt nicht nur der "Them song" der Serie "Friends" ("I'll Be There For You" von The Rembrandts) für Jen, sondern auch der Ausspruch "Oscars für euch alle" von Kathryn Hahn. Wohl wissend, dass man der Himbeere sehr viel näher ist.
"Wir sind die Millers" ist eine lockere Sommerkomödie, die das Genre sicherlich nicht gerade neu erfindet, aber trotzdem für verschrobene Unterhaltung sorgen kann. Sympathisch ist, dass allen Beteiligten klar zu sein scheint, dass sie keinen Meilenstein der Filmgeschichte erschaffen.
by André Scheede