Filmkritik Verblendung (US-Version)
Filmwertung: |
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| 9/10 |
Skeptisch wurde auf die Neuverfilmung des Besteller-Krimis von Stieg Larsson gewartet. Gerade die deutschen Larsson-Fans misstrauten der Hollywood-Version des schwedischen Romans und Kinoerfolgs "Verblendung". In wenigen Tagen erscheint diese neue Interpretation nun in den Kinos. Es zeigt sich: Alle Sorgen sind vergebens. US-Regisseur David Fincher (SIEBEN) bringt einen hervorragenden Film auf die Leinwand. Er bleibt nah an der Vorlage, verzichtet nicht auf wichtige, wenngleich gewaltsame Szenen und zeigt gute Schauspieler.
Der Unternehmer Henrik Vanger (Christopher Plummer) beauftragt den Enthüllungsjournalisten Mikael Blomkvist (Daniel Craig) das Verschwinden seiner Nichte Harriet aufzuklären. Unterstützung erfährt Blomkvist – zuerst ungewollt – von der Hackerin Lisbeth Salander (Rooney Mara). Mit Lisbeths Hilfe gelingt es Blomkvist, die Hintergründe von Harriets Verschwinden zu durchschauen. Dabei sieht das ungleiche Paar in die düstersten Abgründe der Familie Vanger.
Finchers "Verblendung" ist düster, dunkel, traurig. Er ist so düster wie die Vergangenheit der Familie Vanger, so dunkel wie die Abgründe, die sich während der Ermittlungen auftun und so traurig wie die Kindheit der Lisbeth Salander. Die trüben Aufnahmen und schattenhaften Bilder passen perfekt zum Drehbuch. Ein Drehbuch, das sehr dicht an der Vorlage des schwedischen Journalisten und Schriftstellers Stieg Larsson bleibt. Doch nicht nur mit ihrem Drehbuch erwies Fincher dem verstorbenen Larsson eine Ehre, auch bei der Umsetzung. Eine besondere Freude bereiten Regisseur und die Produzenten Scott Rudin (TRUE GRIT) und Ceán Chaffin (THE SOCIAL NETWORK) wohl vor allem den eingefleischten Fans: Ihre Neuverfilmung wurde in Schweden gedreht. Und so begeistern auch Bilder von der eingeschneiten skandinavischen Halbinsel.
Zugegeben sei, dass man sich auf die Schauspieler möglicherweise erst einmal einstellen muss. Rooney Mara (A NIGHTMARE ON ELM STREET) spielt die Rolle der Lisbeth Salander sehr talentiert. Sie wirkt aber auf den ersten Blick jugendhafter als ihre Vorgängerin Noomi Rapace. Umso erstaunlicher erscheint es, wenn sie dann zum Schlag gegen ihren Peiniger ausholt oder im Büro von Vangers Rechtsanwalt freien Mutes über das Liebesleben des Mikael Blomkvist spricht. Neben Mara spielt Daniel Craig (JAMES BOND 007: CASINO ROYALE) den sozialdemokratischen Journalisten Mikael Blomkvist. Auf dieses Spiel muss man sich wirklich erst einmal einlassen. Den Bond-Darsteller, der normalerweise Action sucht und immer gutaussehend nach den Schurken dieser Welt jagt, nunmehr als intellektuellen Schreiberling präsentiert zu bekommen, mag für einige Kinogänger befremdlich sein. Letztlich liefert Craig aber auch mit ungepflegtem Stoppelbart und Hornbrille eine gute Figur ab.
Jenseits von Schauspielern und technischen Attributen wirkt Finchers "Verblendung" an vielen Stellen kaum wie ein üblicher Hollywood-Streifen. Eine Vergewaltigungsszene zum Beginn der Geschichte lassen die Amerikaner nicht aus. Sie sparen auch nicht an Gewalt, wenn sich das Opfer später zur Wehr setzt. Fincher macht keine Kompromisse. Auch nicht, wenn Blomkvist am Höhepunkt der Geschichte erfährt, welche Machenschaften in der Familie Vanger gespielt wurden.
Fazit: Finchers "Verblendung" überzeugt in fast jeder Hinsicht. Eine spannende Neuverfilmung mit düsterer Stimmung und schönen Bildern, die dicht an der Vorlage bleibt.
by Ramon Weilinger