Filmkritik Turbo - Kleine Schnecke, großer Traum
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| 6/10 |
Pimp my snail… könnte man sagen. Dreamworks präsentiert seinen neuen 3D-Animationsfilm "Turbo - Kleine Schnecke, großer Traum" und damit nach Ameisen, Bienen, Drachen, Steinzeitfamilien, Pinguinen, Katze mit Stiefeln, Pandabären und grünem Oger nun mal eine Schnecke, deren Ambitionen genau auf das Gegenteil zielen, wie es Mutter Natur für sie angedacht hat. Wie sie ihrer naturgemäßen Veranlagung ein Schnippchen schlägt, wird noch zu erörtern sein, allerdings verlief es an den amerikanischen Kinokassen für "Turbo" eher im sprichwörtlichen Schneckentempo.
Studios und PR-Leute vermuten eine gewisse Müdigkeit beim Publikum hinsichtlich der Animationsfilme nach den guten Läufen von "Monsters University" und "Despicable Me 2" und hoffen indes wieder auf freie Köpfe bei den Zuschauern, wenn im Frühjahr die Muppets aufschlagen.
Wir lernen die ordinäre Gartenschnecke Turbo (im Original gesprochen von Ryan Reynolds) kennen, die sich ausgegrenzt fühlt und davon träumt, schneller zu sein als die anderen. Turbo möchte die berühmteste Rennschnecke der Welt werden und seinem Vorbild Guy Gagné nacheifern, doch der Alltag hält für ihn nur Strauchtomaten bereit. Sein Enthusiasmus lässt Turbo allmählich zum Außenseiter werden, denn alle anderen Schnecken möchten lieber ein gemächliches Leben führen. Sie halten nicht viel von Schnelligkeit, allen voran sein Bruder Chet (Original-Stimme von Paul Giamatti), der Turbos Wunsch eher peinlich findet. Durch einen mysteriösen Unfall erlangt Turbo eines Tages tatsächlich eine unglaubliche Schnelligkeit und sein Traum, beim großen Indianapolis 500-Rennen gegen seine Idole anzutreten, rückt in greifbare Nähe. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Der kanadische Regisseur David Soren brachte auch gleich die Idee zum Film mit, als er Fast & Furious mit Schnecken konzipierte, mit diesem Konzept eine Ausschreibung bei der DreamWorks Animation gewann und sodann grünes Licht für die Umsetzung bekam. Entsprechend wird der Film auch eine Fortsetzung in Form einer Serie mit dem Titel "Turbo: F.A.S.T." (Fast Action Stunt Team) bekommen. Eine ganze Reihe namhafter Schauspieler wie Ryan Reynolds, Samuel L. Jackson, Richard Jenkins, Snoop Dogg, Michelle Rodriguez, Ken Jong, Michael Peña, Bill Hader und Paul Giamatti fanden sich im Synchronstudio ein, um den mehr oder weniger flitzenden Schnecken ihre Stimme zu leihen. Als deutsche Stimmen ist mit etwas weniger Prominenz ausgestattetes Personal wie Malte Arkona, Giovanni Zarrella und Manuel Cortez zu hören, was aber nicht zum Erlahmen der Schnecken führt.
Das 3D-Animationsabenteuer mit der Schnecke Turbo ist durchaus liebevoll gestaltet, temporeich und auch lustig. Der wirtschaftliche Misserfolg der Produktion ist wohl eher dem Umstand geschuldet, dass sich das Schneckenabenteuer an ein explizit junges Publikum wendet, während die letzten Animationsfilme immer mehr auf alle Altersklassen abzielten. Die mittlerweile sehr hohen Produktionskosten dieser Animationsfilme, die auch bei "Turbo" mit 135 Millionen Dollar exorbitant waren, erlauben kaum noch den Zuschnitt auf Publikum bestimmten Alters. Das Ansinnen der Story verdeutlicht eigentlich schon der Titel, aber spätestens wenn im finalen Rennen die Rocky-Hymne "Eye of the Tiger" von Survivor erklingt, will jeder den Underdog siegen sehen, der hier als Schnecke im Versuch schnellster zu sein, den amerikanischen Traum überdeutlich lebt. Liebevoll sind die Schnecken gestaltet mit ihren runden Augen und man verlässt mit ihnen eigentlich ungern das Areal mit den Tomaten im Garten des Einfamilienhauses aus Angst, dass der skurrile Charme verloren gehen könnte. Nach etwas Gewöhnungszeit machen jedoch Turbo und Chet auch in der rauen Menschenwelt eine gute Figur und können für abenteuerlichen Spaß sorgen. Was bis zum finalen Rennen folgt, ist ein zwar erzählerisch überschaubarer, aber doch herzlicher Ritt der kleinen Außenseiter. Und so wie einst Rocky seinen "Goliath" auf die Bretter schickte, so rockt auch Turbo das große Rennen in einem dramatischen Finale, wo es dann gar nicht mehr auf Superkräfte, sondern auf puren Sportsgeist und Willen ankommt.
"Turbo - Kleine Schnecke, großer Traum" ist eine liebenswerte Underdog-Story, die dem jungen Publikum zuliebe vielleicht etwas harmlos ausfällt, letztendlich aber mehr Charme zu bieten hat, als die Autos und die Flugzeuge.
by André Scheede
Bilder © 20th Century Fox