Filmwertung: |
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| 7/10 |
Auch wenn es heute kaum zu glauben ist: Tulpen waren zum Golden Zeitalter der Niederlanden im 17. Jahrhundert ein heiß begehrtes Objekt, das kommerziell zu immensen Preisen gehandelt wurde. So stiegen die Kosten für seltene Tulpenzwiebeln derart hoch, dass es schließlich Ende der 1630er Jahre durch rapiden Preisverfall zu einem großen Crash kam – die erste Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte war geboren.

Diesen unglaublichen Hintergrund, der viele Existenzen ruiniert hat, nahm die britische Autorin Deborah Moggach als Grundlage für ihren 1999 erschienen Roman „Tulpenfieber“, der nun für die Leinwand mit großem Aufwand und hochkarätiger Besetzung adaptiert wurde. Regie führte Prestige-Drama-Experte Justin Chadwick, der zuvor Nelson Mandelas Lebensgeschichte in dem mäßigen „Mandela“ verfilmt hat und bereits mit „Der Schwester der Königin“ sein Händchen für aufwändige und emotionsgeladene Kostümfilme bewiesen hat. Nach diversen Verzögerungen (der Film wurde bereits 2014 gedreht und sollte schon im Sommer 2016 veröffentlicht werden) erscheint „Tulpenfieber“ nun in den deutschen Kinos.
Im Mittelpunkt steht die in einem Waisenhaus aufgewachsene Sophia (Alicia Vikander), die im Amsterdam des 17. Jahrhunderts mit dem reichen und einflussreichen Kaufmann Cornelis Sandvoort (Christoph Waltz) zwangsverheiratet wird. Dieser beauftragt den aufstrebenden jungen Maler Jan Van Loos (Dane DeHaan) ein Portrait von sich und seiner Frau zu erstellen. Es dauert nur einen Augenblick, bis es um Jan geschehen ist und er sich unsterblich in Sophia verliebt, die schließlich eine leidenschaftliche geheime Affäre mit ihrem Maler eingeht. Derweil führt auch Maria (Holliday Grainger), die Magd der Sandvoorts, eine geheime Beziehung mit dem Fischhändler William (Jack O’Connell). Beide zutiefst romantisch veranlagte Männer werden schließlich auch von der Tulpenmanie ergriffen und versuchen mit teuren Akquisitionen

seltener Tulpenzwiebeln einen Weg aus ihrer Zwangsexistenz zu finden, was schließlich zu beträchtlichen dramatischen Verwicklungen führt…
An der Oberfläche ist „Tulpenfieber“ ein exzellent und bildgewaltig produziertes Kostümdrama voller aufgeladener Emotionalität und komplexen Personenkonstellationen, die viel dramaturgisches Potential bieten. Das Amsterdam des 17. Jahrhunderts (das in England entstanden ist) wird hier lebhaft und voll vibrierender Energie mit großem Aufwand und spürbarer Liebe zum Detail zum Leben erweckt, die von Eigil Bryld („Brügge sehen… und sterbe?“, „House of Cards“) eingefangenen Bilder weisen oft eine opulente und malerische Qualität auf, die sich ästhetisch an der barocken Malerei der abgebildeten Ära zu richten scheinen. Auch die Besetzung, die wohl zu den besten des bisherigen Filmjahres gehört, kann sich wahrlich sehen lassen: Zu den Oscar-Preisträgern Vikander, Waltz und auch Judi Dench in einer kleinen, aber feinen Rolle als Äbtissin gesellen sich aufsehenerregende frische Talente wie Jack O’Connell („Unbroken“, „71“, „Mauern der Gewalt“), Holliday Grainger („Die Borgias“, „Cinderella“, „Jane Eyre“) oder auch Supermodel Cara Delevigne, die in einem fast stillen, aber für die Handlung entscheidenden Part allerdings nur bedingt auffällt.
Doch trotz all dieser positiven Aspekte will der Funke bei „Tulpenfieber“ nur bedingt überspringen. Der Plot des Films mit all seinen Verstrickungen erweist sich als zunehmend komplex und tendiert schließlich dazu, arg konstruiert zu wirken. Die leidenschaftliche Romanze zwischen Sophia und Jan, die sich so rasch und überstürzt entwickelt, erscheint eher erzwungen und aufgesetzt – man hat hier mehr das Gefühl, dass die Figuren nach der Vorgabe des Drehbuchs und weniger aus einem natürlichen Gefühl agieren.

Außerdem kommt nur bedingt so etwas wie Chemie zwischen den beiden Darstellern auf, auch wenn DeHaan und vor allem Vikander an sich keine schlechte Figur machen. Gerade Vikander, die mittlerweile Expertin für diese Art von Kostüm-/Prestigefilm ist, macht hier aber auch ein wenig den Eindruck, dass sie mittlerweile durch ihre auf Dauer zunehmend gleichbleibenden Rollen schlafwandelt. Echte mitreißende Emotionalität und Empathie seitens des Zuschauers kommt bei dieser eher leblosen und eindimensional portraitierten Darstellung wenig auf. Man sehnt sich so langsam wieder nach einem gewagteren und komplexeren Stoff wie „Ex Machina“, in dem sie so glänzen konnte. Dennoch, ihre ätherische, jugendliche und sehr sinnliche Präsenz ist immer noch etwas ganz Besonderes, wovon man seine Augen nicht nehmen kann.
Apropos Schlafwandeln: Christoph Waltz findet sich mittlerweile auch in weitestgehend gleichbleibenden und fest gefahrenen Bösewichter-Parts, die er zwar weiter süffisant mit seinen typisch exzentrischen Eigenarten ausfüllt, aber nur bedingt im Vergleich zu Parts wie in „Big Eyes“ oder „Wasser für die Elefanten“ variieren kann. Seine Rolle als pompöser Kaufmann, der sich schon in seinen ersten Momenten als stereotyper Bösewicht definiert, wo er seine viel jüngere und sichtlich gequälte Frau zu Handjobs zwingt und sein Gemächt als „mein kleiner Soldat“ bezeichnet, wirkt leider recht plump und überzeichnet. Dennoch: Während Vikanders und DeHaans Figuren eher blass bleiben, gewinnt Waltz Charakter dankbarerweise zunehmend Dimension und entwickelt sich schon fast zum Herzen und schließlich geheimen Sympathieträger des Films. Der Konflikt der Figuren, sich heimlich und mit schließlich tatsächlich bösartigen Mitteln aus den Klauen von Cornelis zu entziehen, erscheint am Ende eher überzogen und vor allem nur bedingt sympathisch.

Ein weiteres Problem des schließlich etwas zähen Films sind manche unglaubwürdigen, da zu konstruiert wirkenden Plotenwicklungen. Sonderbarer ist aber auch die sprunghafte Tonalität des Films zwischen kitschigem Melodram und alberner Posse, die möglicherweise durch die Probleme in der Post-Produktion bedingt ist. Gerade der Anfang, in dem Sophias Werdegang von Waisenhaus zur Zwangsehe in Amsterdam bebildert wird, erscheint so abrupt, als hätte man einige wesentliche Szenen entfernt. Dieser teils merkwürdige Erzählrhythmus setzt sich auch später fort, nach und nach findet der Film aber zu sich. Wären dann nicht die zunehmend übertriebenen und abstrusen Wendungen, die „Tulpenfieber“ trotz aller hübschen Schauwerte letztlich kaum über solides Mittelmaß hinausheben. Langweilig wird es hier aber wohlgemerkt nie.
Fazit: Mit großem Aufwand produziertes und opulent bebildertes Kostümdrama, bei dem der emotionale Funke nur bedingt überspringt. Die Besetzung ist überaus namhaft, spielt ihr Potential aber auch nur teilweise aus. Dennoch ein weitestgehend mitreißendes, wenn auch arg konstruiert wirkendes Sittengemälde mit interessantem historischen Hintergrund.
by Florian Hoffmann
Bilder © Prokino Filmverleih GmbH