Filmkritik Türkisch für Anfänger
Filmwertung: |
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| 8/10 |
Ein Flugzeugabsturz gehört zu den schlimmsten Dingen, die einem Menschen passieren können. Die Folgen dieses traumatischen Erlebnisses können das gesamte Leben verändern. Für die Familie Schneider und Öztürk ist dieses schreckliche Unglück jedoch der Beginn einer gemeinsamen Zukunft.
Basierend auf der beliebten ARD-Serie Türkisch für Anfänger erzählt Regisseur und Drehbuchautor Bora Dagtekin die Geschichte seiner TV-Serie noch einmal für die Kinoleinwand neu. Auch wenn die stereotypischen Charaktere identisch sind, wird das Kennenlernen der zwei, in völlig unterschiedlichen Kulturen beheimateten Protagonisten, aus einem völlig neuen Blickwinkel erzählt. Die Adaption der TV-Serie funktioniert dennoch einwandfrei. Amerikanische Vorbilder haben dies bereits erfolgreich unter Beweis gestellt und nun kann man auch in Deutschland das Prinzip als lohnenswert beschreiben. Problemlos kann der Zuschauer mit den Figuren an den Start zurückkehren und eine völlig neue Geschichte erleben, bei der ebenfalls Zynismus und konträre Lebensansichten im Vordergrund stehen.
Therapeutin Doris Schneider (Anna Stieblich) gibt sich auch im Kinofilm bewusst jugendlich und aufgeklärt, womit sie ihre 19-jährige Tochter Lena (Josefine Preuß) den letzten Nerv raubt. Des Öfteren kann man sich die Frage stellen, wer hier der pubertierende Teenager ist. Immerhin ist Lena im Gegensatz zu ihrer Mutter geradezu spießig und verklemmt und betrachtet den Lauf des Lebens ziemlich ernüchternd. Demnach können nach ihrer eigenen Einschätzung manche Erziehungsexperimente einfach nur schief gehen. Immerhin hat sie ihr Abitur in der Tasche und plant ihr Studium. In der türkischen Familie Öztürk sind die Rollen allem Anschein besser verteilt. Auch wenn Vater Metin (Adnan Maral) die Marotten seines Sohnes Cem (Elyas M´Barek) nur bedingt ertragen kann. Der Möchtegern-Rapper fühlt sich dennoch in seiner klischeehaften Rolle sichtlich wohl, nicht zuletzt weil ihm seine Schwester Yagmur (Pegah Ferydoni) alle Wünsche erfüllt.
Zwei Kulturen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, prallen nach dem Absturz der Boeing auf einer einsamen Insel aufeinander. Während Cem als dominanter Hengst sein Revier absteckt, muss sich Lena verbiegen und ihre feministische Einstellung herunterschlucken. Denn nur gemeinsam können sie die Tragödie meistern, die sie schneller als gedacht enger zusammenrücken lässt. Nach anfänglichen Diskrepanzen finden nicht nur Einzeller-Cem und Duden-Lena zusammen, sondern auch Mutter Doris datet bereitwillig den türkischen Beamten. Und selbst die zurückhaltende Yamur fühlt sich zu dem stotternden Griechen Costa (Arnel Taci) hingezogen, der ihr ohne Scheu seine gefundene Muschel zeigt.
Pointierte Dialoge und durchgedrehte Charaktere sorgen für absoluten Filmspaß. Wie in der Serie werden auch hier die Themen Integration und Migration bitterböse aufs Korn genommen, wodurch der gewisse Biss entsteht. Fans der Serie können sich entspannt zurücklehnen und den alternativen Beginn der Patchworkfamilie erleben, während Serienunkundige einer urkomische Liebesgeschichte beiwohnen. Gedreht wurde der witzige Film zwischen April und Juni 2011 in Berlin, München und Thailand, sodass auch dem Auge wunderschöne Bilder geboten werden können.
Fazit: Für Serienfans und die, die es vielleicht noch werden wollen, ein absolutes Muss.
by Sandy Kolbuch
Bilder © Constantin Film