Tschick

Tschick (2016), Deutschland
Laufzeit: - FSK: 12 - Genre: Jugend / Komödie / Abenteuer
Kinostart Deutschland: - Verleih: StudioCanal

-> Trailer anschauen

Tschick Filmplakat -> zur Filmkritik

erhältlich auf 4K UHD, Blu-ray und DVD

Inhalt

Während die Mutter in der Entzugsklinik und der Vater mit seiner Assistentin auf „Geschäftsreise“ ist, verbringt der 14-jährige Außenseiter Maik Klingenberg die großen Ferien allein am Pool der elterlichen Villa. Doch dann kreuzt Tschick auf. Tschick, eigentlich Andrej Tschichatschow, stammt aus dem tiefsten Russland, kommt aus einem der Hochhäuser in Berlin-Marzahn – und hat einen geklauten Lada dabei. Damit beginnt eine Reise ohne Karte und Kompass durch die sommerglühende ostdeutsche Provinz. Die Geschichte eines Sommers, den wir alle einmal erleben wollen... Der beste Sommer von allen eben!

Tristan Göbel, Anand Batbileg und Mercedes Müller | mehr Cast & Crew


Tschick - Trailer




DVD und Blu-ray | Tschick

Blu-ray
Tschick Tschick
Blu-ray Start:
09.03.2017
FSK: 12 - Laufzeit: 93 min.
Tschick (Special Edition) Tschick (Special Edition)
Blu-ray Start:
09.03.2017
FSK: 12 - Laufzeit: 93 min.
DVD
Tschick Tschick
DVD Start:
09.03.2017
FSK: 12 - Laufzeit: 89 min.
Tschick (Special Edition) Tschick (Special Edition)
DVD Start:
09.03.2017
FSK: 12 - Laufzeit: 89 min.

Filmkritik Tschick

Filmwertung: | 8/10


Zu den großen deutschen literarischen Erfolgsgeschichten der letzten Jahre muss man ohne Zweifel Wolfgang Herrndorfs Bildungsroman „Tschick“ zählen, der nun unter großer Erwartungshaltung fürs Kino adaptiert wurde. Der brillante Maler, Satiriker und Schriftsteller Herrndorf, der leider mit erst 48 Jahren im Jahr 2013 verstarb, schuf hier eine persönliche gefärbte Abenteuergeschichte über zwei junge Außenseiter, die im Osten Deutschlands den Sommer ihres Lebens erleben. Mittlerweile ist der 2010 erschienene moderne (und deutsche) Huckleberry Finn „Tschick“ sogar Pflichtlektüre in vielen Schulen. Tschick SzenenbildUmso mehr wird die Verfilmung erwartet, da mit Fatih Akin („Gegen die Wand“, „Auf der anderen Seite“) einer der aufregendsten deutschen Filmemacher der Gegenwart die Regie übernahm. Auf den ersten Blick ist Akin eine unkonventionelle Wahl und tatsächlich war auch ursprünglich „Feuchtgebiete“-Macher David Wnendt für die Regie vorgesehen, jedoch musste der Schweizer aus zeitlichen Gründen abspringen. So inszenierte Akin in Kooperation mit seinem Mentor Hark Bohm, dessen eigener Film „Nordsee ist Mordsee“ eine wichtige Inspiration für Buch und Film war, einen kurzweiligen, spaßigen, aber dennoch durchaus tiefgründigen Jugendfilm, der alle Altersklassen ansprechen sollte.

Maik (Tristan Göbel) ist ein 14-jähriger Außenseiter, der sich im Umgang mit seinen Mitschülern und vor allem gegenüber seinem großen Schwarm Tatjana (Aniya Wendel) eher zurückhaltend verhält und am ehesten mit recht eigenwilligen Aufsätzen auffällt, durch die ihm ein leidiges „Psycho“-Image anhaftet. Auch in seinem wohlhabenden Elternhaus ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Mit seiner alkoholkranken und oft abwesenden Mutter hat er ein recht gutes Verhältnis, mit seinem distanzierten und aggressiven Vater teilt er lediglich die Gene. Eines Tages erscheint der neue Mitschüler Andrej Tschitchatschow (Anand Batbileg) in Maiks Klasse, ein geheimnisvoller, ungepflegter Typ in grellen und wild gemusterten Klamotten, der direkt ebenfalls zum Außenseiter degradiert wird. Maik hat zunächst wenig Interesse an dem etwas zwielichtigen und wortkargen Russen, sein unaussprechlicher Nachname führt schließlich zur vereinfachten Kurzform „Tschick“. Als Maiks Vater mit seiner Assistentin Mona für vierzehn Tage auf sogenannte „Geschäftsreise“ geht und seine Mutter mal wieder zur „Beauty Farm“ (alias Entzugsklinik) geht, genießt Maik die sturmfreie Zeit und die Sommerferien. Doch die Ruhe währt nur kurz, denn Tschick schaut plötzlich mit einem geklauten klapprigen Lada Niva vorbei, mit dem er in die Walachei zu seinem Großvater fahren will. Tschick SzenenbildEtwas widerwillig begleitet Maik ihn auf einem Trip durch die ostdeutsche Provinz, der viele Abenteuer bereithalten wird.

Fatih Akin inszeniert hier ein klassisches Road Movie und Jugendabenteuer, das zwar durchaus altmodische und leicht nostalgische Züge hat, aber dennoch primär sehr modern und frisch daherkommt. Nur bedingt ist der Film so von Klassikern wie Rob Reiners Stephen King-Verfilmung „Stand by Me“ inspiriert, der ganz stark auf berührende Melancholie und Nostalgie setzt. „Tschick“ ist da letztlich rauer, giftiger und energischer, wo sicher Fatih Akin sein eigenes Gespür miteinbringt. Was „Tschick“ jedoch mit einem Film wie „Stand by Me“ teilt, ist sein empathisches und ernsthaftes Verständnis für Heranwachsende, die hier multidimensional portraitiert werden. „Tschick“ ist rasant und fetzig inszeniert, Akin lässt bei der 93-minütigen Laufzeit nur wenig Luft zum Atmen und springt von Episode zu Episode, von Szene zu Szene, von kurzem Eindruck zu Eindruck. So gibt der Film auch ein wenig den adoleszenten und auch sehr zeitgemäßen Rausch wieder, den die Figuren verspüren müssen.

Wie es sich für echte Road Movies gehört, ist „Tschick“ von zahlreichen sonderbaren Begegnungen geprägt, die mal mehr, mal weniger einschneidend sind. Am wesentlichsten ist da wohl das späte Aufeinandertreffen mit der mysteriösen und etwas älteren Isa (Mercedes Müller), die ganz verwahrlost in einer alten Industrieruine haust und den beiden neuen Freunden (etwas arg Holzhammer-mäßig) mit rotzfrechen Beleidigungen entgegen tritt. Dann schließt sich das Mädchen doch Maik und Tschick auf ihrer Reise an und es entwickelt sich eine aufkeimende Freundschaft und Sympathie, die schließlich in leichtem Verschossensein seitens Maik endet. Über Isa erfährt man nichts weiter, sie ist letztlich eine geheimnisvolle Figur, die als flüchtige Begegnung fungiert, die sicher eine bleibende Erinnerung dieses besonderen Sommers bleibt.

Tschick Szenenbild Auch von den anderen Figuren erfährt man nur das absolut Notwendige: Da wäre die Tennis-spielende Mutter, die „auch mit einer Flasche Wodka noch die Vereins-Mannschaften gewonnen hat“ und den schmierigen Vater, der bei seinen wenigen Auftritten primär durch seine cholerische Art gegenüber Maik auffällt. Das Familienleben ist so wie es ist, die Alkoholprobleme werden nicht weiter thematisiert, Maik leidet scheinbar auch nicht unter den Konflikten Zuhause. Dafür ist „Tschick“ zu komplex und intelligent, als das er ein verklärender und biederer Problem- und Themenfilm sein wollte. Viel wichtiger ist ohnehin natürlich die klassisch schmerzhafte Frustration unglücklich in ein Mädchen verliebt zu sein, das einen überhaupt nicht beachtet und schließlich (mit Tschick) als einzigen nicht zu ihrem Geburtstag einlädt. Auch das Gefühl Außenseiter zu sein, fängt Akin realistisch und mit Einfühlungsvermögen, aber nie ohne Herrnsdorfs hintersinnigen und geistreichen Humor ein. Akin hält sich hier nur wenig mit den Problemen seiner Figuren auf und prescht immer zur nächsten Situation, wodurch der Film einen rasanten Erzählrhythmus hat, der einen immer bei der Stange hält.

Was „Tschick“ wie auch andere Akin-Filme auszeichnet, ist seine betont filmische und angenehm „undeutsche“ Machart. Ganz auffällig ist der kraftvolle und kontrastreiche Einsatz von Farben, etwa das Blau des Ladas, des Himmels und des Pools von Maiks Familie, das Rot seines Hemdes, das intensive Gelb seines Baseballshirts, Tschicks grelle, gemusterten Hawaii-Hemden und natürlich das saftige Grün der ostdeutschen Landschaften. Akin ist immer wieder am stilisierten Filmmoment interessiert, um die Gefühle und Innenwelt seiner Figuren kreativ zu bebildern: So sticht wohl vor allem die überaus coole Fantasie-Sequenz mit überraschendem Punch heraus, in der Maik auf seinen Vater und seine Affäre Mona mit einer imaginären Waffe schießt. Trotz überraschender Gewalt in diesem Traummoment erzielt Akin hier eine völlig nachvollziehbare jugendliche, unschuldige Wirkung. Oder da wären eine surreale nächtliche Sequenz auf der Autobahn, die durch einen sonderbaren Unfall resultiert und das leichte Durch-den-Raum-Schweben von Maik auf Tatjanas Geburtstag, die zu den visuell interessantesten Momenten von „Tschick“ gehören. Tschick SzenenbildÜberhaupt sieht der von Akins Stammkameramann Rainer Klausmann eingefangene Film super aus und gibt zudem wunderbar sommerliche Stimmung wieder.

Insgesamt ist „Tschick“ so ein über weiteste Strecken gelungener Film und eine sehr zufriedenstellende Adaption, die den Geist ihrer vielgelesenen Vorlage wunderbar einfängt, ohne dabei sklavisch dem Inhalt zu folgen. Was eventuell nicht so gut von der schriftlichen in die filmische Form übersetzt werden konnte, ist die Sprache. Die zugegebenermaßen oft sehr witzigen und immer geistreichen Dialoge sind bewusst teilweise etwas stilisiert und wirken in der gesprochenen Form gelegentlich schon zu clever und dadurch aufgesetzt. Immer wieder glaubt man den jugendlichen Figuren dann nicht so ganz, deren Stimme sehr durch ihren erwachsenen Autor gefärbt ist. Ansonsten überzeugen die Darsteller aber durchweg, Göbel ist eine sehr ansprechende (gelegentlich an Wiley Wiggins aus Linklaters „Dazed and Confused“ erinnernde) Präsenz, der man gerne folgt und hervorragend von Newcomer Batbileg ergänzt wird. Batbileg stiehlt immer wieder allen die Show, ebenso wie Mercedes Müller, die eine echte Entdeckung ist. „Tschick“ ist ein schöner, ausgewogener Spaß, der nur selten bemüht daherkommt und vielleicht bald mindestens im Kanon deutscher Jugendfilme stehen wird.

Fazit:
Fatih Akins visuell sehr gelungene Bestseller-Adaption „Tschick“ ist einer der besten Jugendfilme der jüngeren Gegenwart, der das Potential hat, Jung und Alt zum Lachen und auch ein wenig zum Nachdenken zu bringen.
by Florian Hoffmann

Bilder © StudioCanal