Triangle of Sadness

Triangle of Sadness (2022), Schweden / Deutschland / Frankreich
Laufzeit: - FSK: 12 - Genre: Komödie / Drama
Kinostart Deutschland: - Verleih: Alamode

Triangle of Sadness Filmplakat -> zur Filmkritik

Inhalt

Mit sorgsam inszenierten Instagramfotos nehmen die Models Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean) ihre Follower auf eine Reise durch ihre perfekte (Mode-)Welt mit – und zwar rund um die Uhr. Als das junge Paar die Einladung zu einer Luxuskreuzfahrt annimmt, treffen sie an Bord der Megayacht auf russische Oligarchen, skandinavische IT-Milliardäre, britische Waffenhändler, gelangweilte Ehefrauen und einen Kapitän (Woody Harrelson), der im Alkoholrausch Marx zitiert. Zunächst verläuft der Törn zwischen Sonnenbaden, Smalltalk und Champagnerfrühstück absolut selfietauglich. Doch während des Captain’s Dinners zieht ein Sturm auf und das Paar findet sich auf einer einsamen Insel wieder, zusammen mit einer Gruppe von Milliardären und einer Reinigungskraft (Dolly De Leon) des Schiffes. Plötzlich ist die Hierarchie auf den Kopf gestellt, denn die Reinigungskraft ist die Einzige, die Feuer machen und fischen kann.

Charlbi Dean, Harris Dickinson und Thobias Thorwid | mehr Cast & Crew


Filmkritik Triangle of Sadness

Filmwertung: | 9/10


Nach dem titelgebenden viereckigen Kunstwerk in seiner beißenden Satire auf die Kunstwelt „The Square“ nimmt sich Ruben Östlund in seinem neuen Film „Triangle of Sadness“ nun einer weiteren geometrischen Form an: Dieses Dreieck der Traurigkeit entpuppt sich als Schönheitschirurgen-Euphemismus für die Zornesfalte, die man mit ein wenig Botox ja ganz schnell entfernen kann. Hier findet Östlund einen Aufhänger für eine weitere dekonstruktivistische Satire, die gewissermaßen einen Abschluss für eine inoffizielle Trilogie bildet, welche mit „Höhere Gewalt“ 2014 ihren brillanten Anfang fand. Haben alle drei Filme ihren herausfordernden Blick auf Männlichkeitsbilder in Krisensituationen gemein, nimmt sein neuester Film nun mit größter formeller Brillanz und beißendem Witz vordergründig die Welt der Models, der Reichen und der Schönen auseinander. Hier jagt eine höchst pointierte und scharfsinnig beobachtete Szene die nächste und sorgt für einen stellenweise genialen wie enorm unterhaltsamen Film, der ständig zu überraschen weiß.

„Triangle of Sadness“, der Östlund seine zweite Goldene Palme in Folge bescherte, ist dann eben auch ein Film, über den man am Besten so wenig wie möglich vorher wissen sollte. Es sei jedoch soviel gesagt, dass der Film in drei Teilen über durchaus ausgiebige 147 Minuten erzählt ist. Was in diesen drei Teilen passiert, wird an anderer Stelle offenbar gerne freimütig verraten, diese Rezension möchte es jedoch weitestgehend bei Andeutungen belassen.

Szene aus Triangle of Sadness
Szene aus Triangle of Sadness © Alamode Film
Dreh- und Angelpunkt des Films bildet jedoch das Influencer- und Modelpaar Karl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean). In einer fabelhaften Eröffnungsszene, bei der das männliche Model Karl bei einem renommierten Oben-Ohne-Casting teilnimmt, kommen direkt überraschend „Zoolander“-Vibes hoch, wenn die Schwierigkeiten, richtig gut auszusehen bei gleichzeitigem Laufen dargelegt werden (Super: der wechselnde Ausdruck des unnahbar ernsthaften Balenciaga-Blicks gegen den locker-zugänglichen Ausdruck für billige Marken wie H&M). „Triangle of Sadness“ handelt immer wieder von dem Wert von Schönheit in der modernen Welt, von den Möglichkeiten, die gutes Aussehen in unterschiedlichen Situationen und Konstellationen eröffnen oder sogar verschließen. Dass männliche Models bis zu einem Drittel weniger verdienen als ihre weiblichen Konterparts ist dabei ein interessanter Fakt am Rande und lässt die Beziehung des jungen superschönen Paares Karl und Yaya auf wackligem Fundament stehen: Während Karls Karriere nämlich nie so richtig abgehoben ist, spielt Yaya als einflussreiche Influencerin die erste Geige in der Partnerschaft, die vielleicht zynischerweise sogar nur besteht, weil beide gemeinsam noch mehr Follower generieren können als einzeln.

Doch Östlund ist eben angenehmerweise nie ein reiner Zyniker, denn auch wenn er mit scharfem Skalpell seine Figuren demontiert und genüsslich an ihre Grenzen bringt, zeichnet er sie dennoch immer überaus menschlich wie greifbar und gibt sie nie der Lächerlichkeit preis. Man geht mit diesen Figuren mit, die zwar einen unnahbaren Lebensstil führen mögen, aber dennoch immer nachvollziehbar als Menschen mit Gefühlen bleiben. Das war schon zuvor Östlunds große Stärke und bleibt es auch hier. In einer der prägnantesten Szenen des Films lässt er so Karl und Yaya beim Nobelrestaurantbesuch aneinander kommen, wenn es um das scheinbar banale Begleichen der Rechnung geht. Viele werden vermutlich schon ähnliche Diskussionen voller Missverständlichkeiten selbst erlebt haben, weshalb diese fantastisch gespielte wie inszenierte und herrlich ausgedehnte Szene so einsichtsreich und entlarvend daherkommt. Östlund spielt hier und im weiteren Verlauf des Films fabelhaft mit Geschlechterrollen, ohne aber je plump oder zu offensichtlich zu werden. Dieser Film verfügt erneut über außergewöhnliche Leichtigkeit und Luftigkeit, die andere Satiriker oft vermissen lassen, da sie im Gegensatz zu Östlunds Wärme auf ihre Subjekte mit Herablassung blicken.

Szene aus Triangle of Sadness
Szene aus Triangle of Sadness © Alamode Film
Liegt der Fokus im ersten Teil noch primär auf besagtem Paar, weitet er sich im weiteren Verlauf auf ein farbenfrohes Ensemble an Bord des gesellschaftlichen Mikrokosmos einer Luxusyacht aus. Hier befinden sich nicht nur die Superreichen, die elitären Mikrochip-, Dünger- und Waffenhändler, sondern zur sozialen Hierarchie-Pyramide gehören eben auch das Personal der Bedienenden an der Oberfläche und schließlich die versteckte Crew im Schiffsbauch. So viel sei verraten, Östlund erreicht hier bemerkenswerte komödiantische Höhen voller satirisch beißendem Witz, der zunehmend eskaliert und sich in einer der jetzt schon besten Szenen des Filmjahres entlädt – Stichwort Kapitänsdinner. Diese meisterhaft präzise inszenierte Fremdschäm-Katastrophe muss man gesehen haben, es werden Erinnerungen an einen französischen Skandalfilm der 70er Jahre wach, der hier aber besser nicht genannt wird.

Nach dieser eigentlichen Kulmination hätte es dann wohl jeder Film schwer, danach nochmal Fuß zu fassen. Das gelingt Östlund zumindest gerade noch so, jedoch braucht der dritte Teil erst mal ein wenig, um wieder ins Rollen zu kommen. Seinen pointierten Witz und ein zunehmender Fokus auf das Thema Klassenkampf, bei dem immer noch Schönheit als Währung sowie Geschlechterrollen messerscharf dekonstruiert werden, behält „Triangle of Sadness“ jedoch bis zu seinem überraschenden wie angenehm offenen Ende, das viel Platz für Diskussionen bieten sollte. Und genau das sollte Kino doch im Optimalfall schaffen.

Fazit:
Falls es vorher noch Zweifel gab: Mit seinem zweiten Palme d’Or-Gewinner in Folge „Triangle of Sadness“ etabliert sich Ruben Östlund wohl endgültig als führender Satiriker unserer Zeit. Mit scharfsinnig nüchterner wie präziser Beobachtungsgabe nimmt der Schwede überaus pointiert und vor allem enorm unterhaltsam die Welt der Reichen und Schönen auseinander, ohne aber seine Menschlichkeit zu vernachlässigen. Ein großer Wurf und einer der besten Filme des Jahres!
by Florian Hoffmann

Bilder © Alamode