Filmwertung: |
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| 8/10 |
Für viele reicht allein der Name Quentin Tarantino, um zu wissen, dass sie ins Kino gehen werden. Mit seinen dialoglastigen Drehbüchern und seinem ganz speziellen Stil Filme zu inszenieren, hat er in den letzten 25 Jahren große Klassiker wie Reservoir Dogs, Pulp Fiction oder Inglourious Basterds geschaffen.

Nach dem oscargekrönten
Django Unchained kreiert Quentin Tarantino einen weiteren Western. In The Hateful 8 erwartet den Kinobesuchern ein klassischer Tarantino-Film. Er ist nach Kapiteln gegliedert und Rückblenden sind eingebaut. Zudem bestimmen extrem lange Dialoge das Geschehen und mit Blut und Brutalität wird auch nicht gegeizt. Für The Hateful 8 braucht man jedoch eine Menge Sitzfleisch, denn mit einer Lauflänge von rund 3 Stunden ist es der längste Tarantino-Streifen. Aber er lohnt sich auf der großen Kinoleinwand angesehen zu werden. Denn auch wenn The Hateful 8 nicht das Niveau seiner letzten beiden Filmen erreicht, erweitert Tarantino seine ohnehin einzigartige Filmographie mit einem weiteren starken Streifen.
Der Film spielt wenige Jahre nach dem Bürgerkrieg in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. John Ruth (Kurt Russell) ist in einer Kutsche auf dem Weg zum Red Rock wo er seine Gefangene Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) – auf der ein hohes Kopfgeld ausgesetzt wurde – bringen möchte. Aufgrund des heftigen Schneesturms machen sie Halt in einer kleinen Holzhütte. Doch sie sind dort nicht die Einzigen. Neben dem Kopfgeldjäger Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson) und dem neuen Sheriff Chris Mannix (Walton Goggins), denen sie auf dem Weg zur Hütte begegneten, treffen sie auf Joe Gage (Michael Madsen), Oswaldo Mobray (Tim Roth), Bob der Mexikaner (Demián Bichir) und dem ehemaligen General Sanford Smithers (Bruce Dern). John Ruth erscheint diese kuriose Situation mehr als verdächtig und bleibt gegenüber den Anderen sehr misstrauisch. Denn für ihn und Major Marquis Warren ist dieses Aufeinandertreffen kein Zufall.
The Hateful 8 hat die eine oder andere Schwäche und ist definitiv kein makelloser Film geworden.

Mit tollen Landschaftsaufnahmen – die Kameraarbeit ist für einen Oscar nominiert – wird der Zuschauer zu Beginn langsam in das Geschehen eingeführt. Grundsätzlich ist der Start sehr gut gelungen. Die ersten Charaktere werden eingeführt und es sind äußerst humorvolle und unterhaltsame Dialoge, die geführt werden. Doch nach einem guten Start flacht die Dramaturgie sehr ab. Nachdem man in der ersten halbe Stunde noch großen Gefallen an den Dialogen hatte, möchte man gern etwas handlungsförderndes sehen. Doch hier ließ sich Tarantino eindeutig zu viel Zeit mit der Dramaturgie. Ungefähr in den ersten 80 Minuten passiert äußerst wenig und der Film will einfach nicht in Schwung kommen. Dabei verliert man zunehmend die Lust an den Dialogen. Denn aus vielmehr besteht die erste Hälfte nicht. Keine Frage sind diese gut geschrieben und hart gesottene Tarantino-Fans werden auf ihre Kosten kommen. Doch viele könnten hier etwas gelangweilt und ungeduldig werden, wenn nach 70 Minuten Dialog (davon eine halbe Stunde lediglich in einer Kutsche) weitere 10 Minuten mit Eintopfessen und Gerede folgen.
Aber dann beginnt die 2. Hälfte und The Hateful 8 fängt an erst richtig Fahrt aufzunehmen. Nachdem Samuel L. Jackson einen der skurrilsten Monologe überhaupt aufsagt, entwickelt sich der Film mehr oder minder plötzlich zu einem sehr spannenden und packenden Western. Hier sind die Dialoge gepaart mit vielen handlungsfördernden und äußerst brutalen Szenen, bei denen ein FSK 16 mehr als angebracht ist. Auch eine Altersfreigabe ab 18 wäre denkbar. Denn The Hateful 8 ist der brutalste Tarantino-Film überhaupt. Doch es ist keine Brutalität wie in Iñárritus
The Revenant, bei dem der Zuschauer oft nicht hinsehen kann. Vielmehr wird The Hateful 8 im zweiten Abschnitt mehr als unterhaltsam und fesselnd und bietet die eine oder andere Überraschung im weiteren Handlungsverlauf, weswegen der Film letzten Endes ein mitreißender Western ist.

Doch auch losgelöst vom eigentlichen Handlungsverlauf hat The Hateful 8 einige positive Aspekte zu bieten. Zum einen wäre hier die Besetzung zu erwähnen. Tarantino setzt wieder auf alte Bekannte. Tim Roth, Samuel L. Jackson, Michael Madsen, Kurt Russell, Bruce Dern, Walton Goggins – sie alle haben bereits mit Tarantino zusammen gearbeitet. Alle spielen sehr solide und glaubwürdig. Besonders Samuel L. Jackson zeigt diesmal eine sehr starke Performance. Aus diesem wirklich tollen Ensemble stechen jedoch zwei besonders heraus. Jennifer Jason Leigh und Walton Goggins. Jennifer Jason Leigh, als die harte, fast schon eher maskuline Frau, mit äußerst rassistischer Haltung spielt hier ganz groß auf. Sie verschmilzt förmlich mit ihrer Figur und spielt mit ihrer taffen Art ihre Kollegen nahezu an die Wand. Nicht zu Unrecht wurde sie mit einer Oscar-Nominierung als beste Nebendarstellerin für diese ungewöhnliche Performance belohnt. Denn trotz der zahlreichen Dialoge, nimmt Jennifer Jason Leighs Charakter Daisy Domergue an diesen Gesprächen eher selten teil. Dies gilt nicht für Walton Goggins, der den Sheriff Chris Mannix spielt. Nur den großen Filmexperten wird der Name etwas sagen können. Denn meist spielte Goggins in der Vergangenheit nur kleine Nebenrollen und eine in Erinnerung bleibende Figur verkörperte er bisher nicht wirklich. Doch hier zeigt er was in ihm steckt. Es ist kurz gesagt eine einfach unglaublich unterhaltsame Darbietung von Goggins. Seiner Figur haucht er sehr viel Leben ein und es macht sehr viel Spaß ihn dabei zu zuschauen. Die Art und Weise wie er die Dialoge mit den Anderen führt und dabei diverse Wörter pointiert betont, ist äußerst humorvoll und sehr gelungen. Ein weiterer Schauspieler darf auch nicht unerwähnt bleiben. Zu den Hateful 8 gehört er nicht und an dieser Stelle wird auch nicht näher auf seine Figur eingegangen, um spoilerfrei zu bleiben. Nur so viel sei gesagt – Channing Tatum präsentiert hier eine ganz andere Seite von sich und überzeugt auf ganzer Linie. Die Frauenherzen lässt er im Gegensatz zu seinen Auftritten in den „Magic Mike“-Filmen nicht höher schlagen.

Vielmehr glänzt er mit seiner überaus derben Boshaftigkeit und zeigt eine seiner besten Leistungen seiner Karriere.
Erwähnenswert bleibt auch der Soundtrack vom großen Komponisten Ennio Morricone. Morricone, der in der Vergangenheit die Filmmusik vieler Western komponierte, gewann bei 5 Nominierungen bisher keinen Oscar. 2007 erhielt er dann schließlich einen Ehren-Oscar. Dieses Jahr wird er wohl den „richtigen“ Oscar für die beste Filmmusik erhalten und dies ist mehr als verdient. Besonders die Anfangssequenz ist mit seiner tollen Musik wunderschön untermalt und insbesondere das Theme „L’Ultima Diligenza di Red Rock“ unterstreicht äußerst passend die sehr fiese Stimmung in diesem Kammerspiel (der Film spielt fast ausschließlich in einer Hütte).
Fazit: Tarantinos neuer Western ist kein Meisterwerk. In der ersten Hälfte mit einigen Längen versehen, entwickelt sich der Film jedoch zu einem packenden, äußerst unterhaltsamen und sehr blutigen Western, der spannungsgeladen bis zum Schluss bleibt und für die eine oder andere Überraschung sorgt.
by Morteza Wakilian