Filmkritik The Green Hornet
Filmwertung: |
 |
| 8/10 |
Michel Gondry gehört zweifelsfrei zu jenen ganz wichtigen, ungeheuer kreativen Regisseuren unserer Zeit. Dennoch dürfte sein Name bislang nicht unbedingt einer allzu großen Personenzahl bekannt sein – alle Insider, Kenner und Filmliebhaber mal ausgenommen. Die eher geringe internationale Bekanntheit Gondrys liegt wohl auch daran, dass er bislang eher schräge, skurille und zuweilen auch kopflastige Filme gedreht hat, welche sicherlich die Aufmerksamkeit Hollywoods auf sich gezogen haben, doch wirklich große Aufträge dabei noch nicht auf ihn zu kamen. Vielleicht lehnte er diese, wie viele seiner Kollegen auch konsequent ab. Gondry ist eigentlich Videoclip-Regisseur und hat sich, ähnlich wie seine Kollegen Spike Jonze, David Fincher, Chris Cunningham oder Mark Romanek dort völlig zu recht unzählige Lobeeren verdienen können. Der Weg, den man dann geht, scheint klar: vom Videoclip – in diesem Falle durchaus auch als Kurzfilme zu verstehen – macht man sich irgendwann daran, abendfüllende Spielfilme zu drehen. Und können diese überzeugen, klopft Hollywood an und bietet die ganz großen Projekte an, was nicht selten dazu führt, dass solche Regisseure nachlassen, da sie ihrer Kreativität, wie sonst gewohnt, nicht mehr freien Lauf lassen können.
Mit einer solchen Vorahnung, oder besser gesagt Unsicherheit, geht man dann wohl auch an Michel Gondrys neues, großes, in 3D gedrehtes Projekt „The Green Hornet“ heran. Wie verfilmt ein Regisseur eine derart große Produktion nach so wundervollen, zauberhaften Filmen wie „Vergiss mein nicht“, „The Science of Sleep“ oder „Abgedreht“? Um die Antwort vorweg zunehmen: Das Experiment ist geglückt! Gondry bleibt sich treu – mehr noch: er wächst offenbar über sich hinaus und schießt uns handwerklich perfekt inszenierte Bilder, eine durchweg überzeugende Story und seine scheinbar keine Schwäche kennende Kreativität um die Augen und Ohren, dass man nach dem ersten Ansehen überzeugt davon ist, diesen Film unbedingt noch einmal sehen zu wollen.
Erzählt wird die Geschichte von Britt Reid, der in Reichtum aufwächst und sich selbst um Geld und die Probleme der Welt keine Sorgen machen muss. Alles was er will, lässt sich mit Geld kaufen, die Partys und Frauen sind wichtiger als das große Medienunternehmen seines Vaters. All dies ändert sich aber, als Britts alter Herr stirbt und er in seine Fußstapfen treten soll. Unfähig und unwillig dazu kommt Reid auf die wahnwitzige Idee, gemeinsam mit seinem chinesischen Kaffeekocher und Automechaniker Kato als Superhelden durch die Nacht zu ziehen und Gutes zu tun. Alsbald legt man sich mit dem gefährlichsten Boss der Unterwelt von L.A. (wiedermal grandios: Christoph Waltz) an…
Die ersten Minuten erscheinen kritisch, die Inszenierung von Waltz als Syndikats-Boss, die Darstellung von Reid auf seinen Dauerpartys wirken überzeichnet und durchaus klischeehaft. Sollte Gondry tatsächlich eingeknickt sein vor einem großen Hollywood-Studio und deren Stoff nach deren Vorstellung umgesetzt haben? Schwer vorstellbar und tatsächlich auch falsch. Die ersten Minuten sind wohldurchdacht und bewusst „typisch“ Hollywood. Schließlich geht es in diesem Film überwiegend um Klischees. Wieviele Superhelden- und Comicverfilmungen gibt es denn schon? Will man sowas schon wieder sehen, wieviel Neues kann ein Gondry dem Thema noch hinzufügen? Antwort: ungemein viel, sehr viel sogar. Denn Gondrys Superhelden brechen mit nahezu allen Klischees, die man mit ihren Rollen verbindet. Das gesamte Superhelden-Genre wird ordentlich durchgewirbelt und auf den Kopf gestellt. So erwartbar, wie eine Comicverfilmung doch stets ist, „The Green Hornet“ gibt uns gar nichts davon (ausser vielleicht das aufgemotzte Auto mit all den Raketen, Maschinengewehren usw.).
Reid wird zur „Green Hornet“, sein Mitarbeiter Kato zum klassischen Sidekick, der eigentlich für die Gags zuständig sein soll. Tatsächlich ist jedoch Kato der eigentliche Held, der Superheld selbst macht sich unentwegt lächerlich und übernimmt den Part des Sidekicks für seinen Sidekick. Natürlich darf auch die schöne Frau nicht fehlen (in diesem Falle Cameron Diaz als Lenore). Natürlich wird auch viel „gebaggert“, doch das Mädchen bekommt hier am Ende niemand. Der Bösewicht Waltz macht sich selbst unentwegt lächerlich und wirkt alles andere als böse und gefährlich – und überhaupt gibt es eigentlich nur Bösewichte, denn auch die grüne Hornisse kann gegenüber den Medien den Eindruck nicht loswerden, selbst kriminell zu sein – und will dies auch gar nicht.
Hier wird der Film dann alles andere als lächerlich. Denn so lernt man ganz nebenbei, wie Fernsehen, Zeitung, kurz: die Massenmedien, eigentlich funktionieren. Reid als Green Hornet und Chef der wichtigsten Zeitung von Los Angeles bestimmt selbst, wie er in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden soll und deckt ganz nebenbei einen korrupten Sumpf auf, der widerrum zeigt, wie die Zeitung seines Vaters bislang benutzt wurde, um die Realität auszublenden und eine Medienrealität zu schaffen.
So kurzweilig und witzig die Story und deren Umsetzung, auch dank dem wunderbaren Zusammenspiel aller Schauspieler funktioniert, sehenswert wird der Film doch erst, da Gondry ihn inszeniert hat. Kaum auszudenken, was aus diesem Stoff geworden wäre, hätte man einen namenhaften Regisseur aus Hollywood daran gelassen. Doch wie schon gesagt: Gondry wächst über sich hinaus, man merkt dem Tempo und den Ideen in sämtlichen Einstellungen an, welchen Spass Gondry an seiner Arbeit hat. Es scheint, als wären all seine Videoclips aus vergangenen Tagen nur zu Übungszwecken entstanden um all die Erfahrungen in Sachen Szenenaufbau, Kamera und Montage nun gebündelt in „The Green Hornet“ zur Perfektion zu bringen. Er macht konsequent da weiter, wo er in „Abgedreht“ aufgehört hat. Er wird nun zu jenem Regisseur, wie Jack Black in Gondrys letztem großen Film von 2008. Wir sehen eine irre, rasante „geschwedete“ Version der Hörspiel-Vorlage von „The Green Hornet“, welche in dieser Art nur durch Gondry möglich und denkbar ist. Das Jahr 2011 beginnt also mit einem echten Knaller und jeder, der Filme liebt, wird um diesen Film einfach nicht herum kommen.
by Oliver Tege