The Congress

The Congress (2013), Israel / Deutschland / Polen
Laufzeit: - FSK: 12 - Genre: Animation / Science-Fiction
Kinostart Deutschland: - Verleih: Pandora

The Congress Filmplakat -> zur Filmkritik

erhältlich auf 4K UHD, Blu-ray und DVD

Inhalt

Die Schauspielerin Robin Wright, deren Stern verblasst, bekommt ein beispielloses Angebot: ein Hollywood Studio will die Rechte an ihrer Person für 20 Jahre kaufen, sie scannen und ihr digitales Abbild für alle denkbaren Rollen besetzen, ohne Beschränkungen, ohne ihr Mitspracherecht. Im Gegenzug erhält sie eine astronomische Summe und das Versprechen, dass ihr digitales Ich niemals altert.

Robin Wright, Harvey Keitel und Jon Hamm | mehr Cast & Crew


DVD und Blu-ray | The Congress

Blu-ray
The Congress The Congress
Blu-ray Start:
20.06.2014
FSK: 12 - Laufzeit: 122 min.
DVD
The Congress The Congress
DVD Start:
13.06.2014
FSK: 12 - Laufzeit: 122 min.

zur DVD Kritik

Filmkritik The Congress

Filmwertung: | 7/10


Das Kino ist tot – lang lebe das Kino. Unter dieser Prämisse brachte im letzten Jahr schon das französische „Regie-Enfant-Terrible“ Leos Carax in Cannes die Leinwand zum Bersten und den Zuschauer um den Verstand: Vor dem Hintergrund einer technisierten und anonymisierten Welt – und den damit einhergehenden Veränderungen, die auch das Medium Film in den letzten Jahren hinnehmen musste – riss er die Vierte Wand endgültig nieder, ließ Limousinen Zwiegespräche führen und seine(n) Protagonisten gleich mehrmals sterben. Der Film dazu heißt „Holy Motors“. Eine in alle Richtungen offene Reflexion über Identität und die transformatorischen Prozesse des Kinos im ständigen Wandel des Zeitgeists, inszeniert als grenzen- und formatsprengender Parforceritt, der dem französischen Film die Flausen austrieb und dem Kino mit dessen (ur)eigenen Mitteln eine seiner wichtigsten Tugenden zurückgab: Unberechenbarkeit. Wenn es bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2013 ein Pendant dazu gab, dann war es wahrscheinlich „The Congress“, der bei genauerem Hinsehen einen ganz ähnlichen Ansatz verfolgt. Anders als „Holy Motors“ folgt Ari Folman in seinem ersten Spielfilm seit fünf Jahren jedoch einer klaren – wenn auch komplizierten – narrativen Struktur.

Im Mittelpunkt der lose auf dem Roman „Der futurologische Kongress“ von Stanislaw Lem basierenden Dystopie steht die alternde Schauspielerin Robin Wright (sie selbst). In den späten 80er Jahren bis Mitte der 90er Jahre galt sie als aufgehender Stern am Firmament der Traumfabrik, war die Jenny in „Forrest Gump“, verzauberte Millionen Kinobesucher als Braut des Prinzen. Nun ist sie fast 50, nach zahlreichen falschen Karriereentscheidungen ist ihr Ruhm verblasst. Schließlich erhält sie von einem Hollywood-Studio ein beispiellos unmoralisches Angebot: Ein neues Verfahren ermöglicht das Scannen realer Personen zur Erstellung einer digitalen Kopie, die niemals altert und über die grenzenlos verfügt werden kann. Dazu müsste Wright dem Studio für 20 Jahre die Rechte an ihrer Person verkaufen – unter der Bedingung, dass sie selbst in dieser Zeit weder vor der Kamera noch auf der Bühne stehen wird. Um ihrem (fiktiven) Sohn, der am sogenannten „Usher-Syndrom“ leidet, einer Erbkrankheit, die zu völliger Blind- und Taubheit führen kann, eine Operation zu bezahlen, nimmt sie die Offerte nach anfänglichem Zögern an. Hier macht Folman einen Zeitsprung von 20 Jahren und lässt „The Congress“ unvermittelt in einen Zeichentrickfilm münden: Robin Wright, mittlerweile eine anonyme Frau Mitte 60, trifft während des futurologischen Kongresses auf ihr digitales Ich, das von den Miramount Studios zum allseits vergötterten Filmstar stilisiert wurde. Und der technische Fortschritt ist weiterhin nicht aufzuhalten, das Rad der Zeit dreht sich unaufhörlich: Das Scannen per Computer wird bald der Vergangenheit angehören und von einer chemischen Methode ersetzt werden, die jeder nutzen kann.

All das ist lediglich die Ausgangssituation für das ausufernde, sinneserweiternde Spektakel, das noch folgen wird. Bereits während seiner Filmhochschulzeit wusste Folman, dass er Lems Buch eines Tages verfilmen will – eine konkrete Vision, wie die Adaption eines derart komplexen Romans denn aussehen könnte, entwickelte er allerdings erst viele Jahre später im Zuge der Arbeit an seinem ersten Animationsfilm „Waltz With Bashir“, in dem er eigene Kriegserlebnisse zu einem surrealen, parabelhaften Bilderbogen verarbeitete. Die Animationstechnik nutzte er dabei einerseits, um die Realität – die in Form von dokumentarischen Aufnahmen und Interview-Sequenzen den Rahmen für die fiktive Erzählung bildete – zu konterkarieren (nicht jedoch abzuschwächen), andererseits erlaubte sie ihm, auch das budgetbedingt Unzeigbare auf der Leinwand real werden zu lassen. In „The Congress“ kommt eine gewichtige Komponente hinzu: Er schlägt der angeprangerten Digitalisierung ein Schnippchen, indem er ausgerechnet mifhilfe der vorgestrig geglaubten Technik des klassischen Zeichentrickfilms den Kopfsprung in nie gesehene Gefilde wagt und damit einen Überwältigungseffekt erzielt, der bei den meisten CGI- und 3D-Event-Filmen der letzten Monate ausblieb. War die literarische Vorlage von 1971 noch als Allegorie auf die kommunistische Diktatur in Russland angelegt, ersetzt Folman diese durch die Diktatur des Fortschritts und des Kapitals (und des Kapitals durch den Fortschritt) innerhalb des geschlossenen Systems der Film- und Unterhaltungsindustrie: Hollywood ist in „The Congress“ ein von blutsaugerischen, profitgierigen Studio-Bossen gelenktes repressives Miniatur-Regime, in dessen Mühlen Wright – stellvertretend für eine Generation von Schauspielern, deren Existenz der Film vom unaufhaltsamen technischen Progress bedroht sieht – gerät und sich schlussendlich verfängt, bis hin zu kompletter Selbstaufgabe und vollständigem Identitätsverlust. Jeder ist ersetzbar und nur ein Spielball in der Hand derer, die die Fäden ziehen. Folman hat eine klare Meinung zur augenscheinlichen Zukunft des Kinos und er wird nicht müde, die davon ausgehende Gefahr zu betonen: Anders als „Holy Motors“ scheint „The Congress“ sich selbst und dem Zuschauer nicht vollends über den Weg zu trauen. Das Pamphlet gegen die technische Weiterentwicklung auf Kosten der „conditio humana“ – verbunden mit der gleichzeitigen Feier des Kinos, wie wir es (noch) kennen – gerät zu plakativ und überdeutlich, wenn Folman seine Intention ausformuliert und den Figuren in den Mund legt. Darüber hinaus droht er sich immer wieder zu verlieren in der schier überrollenden Fülle von Anspielungen, Referenzen, Bildern und Farben. „The Congress“ ist also kein zweites Meisterwerk. Dass er dennoch zu den Filmen gehört, die in diesem Kinojahr im Gedächtnis bleiben werden, liegt nicht zuletzt an seinem unbedingten Willen, filmisches Neuland zu betreten: „The Congress“ ist ein wilder philosophischer Meta-Ritt durch die Zukunft, ebenso vielschichtig wie seine Vorlage und so entfesselt inszeniert wie kaum ein anderer Film der letzten Zeit. Folman setzt der digitalen Revolution die reine Kraft der Fantasie entgegen. Das hätte – auch ohne entsprechende Erläuterungen – vollkommen gereicht.
by Siegfried Bendix

Bilder © Pandora