Filmwertung: |
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| 7/10 |
Gerade erst hat Ruben Östlund mit seiner brillanten Satire „Triangle of Sadness“ die 1 % der Gesellschaft so pointiert und treffend seziert, da kann ein ähnlich gearteter Film wie „The Menu“ fast nur dagegen abfallen. „Succession“-Routinier Marky Mylod, der das Projekt vor ein paar Jahren von Alexander Payne übernommen hat, inszeniert hier einen Film, der zweifelsohne interessant, aber weder Fisch noch Fleisch ist: „The Menu“ wagt eine Gratwanderung zwischen Satire, Thriller und Drama, die letztlich einfach nur bedingt aufgeht. Mylod gelingt es durchaus das Interesse des Zuschauers kompetent aufrecht zu erhalten, indem er ein spannendes Mysterium aufbaut und auf ein hochkarätiges Ensemble setzen kann. Doch trotz unbestreitbarem Unterhaltungswert kann der Film letzten Endes nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Mangel an echter Substanz für Gleichgültigkeit statt Knalleffekte sorgt.
Anya Taylor-Joy in The Menu © Disney
Das liegt dann letztlich auch ganz entscheidend an den schemenhaften und eindimensionalen Figuren, die hier aufgetischt werden: Im Mittelpunkt eines weitestgehend gleichwertigen Ensembles steht der junge Fine Dining-Fan Tyler (Nicholas Hoult), für den jemand wie Starkoch Slovik (Ralph Fiennes) so etwas wie ein Popstar ist. Tyler glaubt alles über die Welt der Haute Cuisine zu wissen, was er bei jeder Gelegenheit – vor allem vor seiner neuen Freundin Margot (Anya Taylor-Joy) – unter Beweis stellen will. Margot, die kurzfristig für Tylers ursprüngliche Begleitung eingesprungen ist, erscheint in einer Konstellation aus grässlich prätentiösen Schaumschlägern als einziges ehrliches Element unter den illustren Gästen des Luxusrestaurant Hawthorne. Hier, auf einer abgelegenen Insel, finden sich unter anderem Restaurantkritikerin Lillian (Janet McTeer), ein unbenannter Filmstar (John Leguizamo), sowie ein paar Yuppie-Schnösel (Arturo Castro, Rob Yang & Mark St. Cyr) ein, um sich an einem 1.250 Dollar teuren Degustationsmenü von Küchenchef Slovik ergötzen zu können. Jeder der pompös und abgehoben intellektualisiert wie symbolisch aufgeladenen vorgestellten Gänge soll laut Slovik natürlich nicht gegessen, sondern geschmeckt werden. Mit jedem der verspielten Gänge wird deutlicher, dass Küchenkünstler Slovik auch sehr persönliche und teils schmerzhafte Botschaften an seine Gäste richten möchte…
Das wohl größte Problem dieses grundsätzlich sehenswerten Films ist seine tonale Unentschlossenheit: Was Ruben Östlund zuletzt und auch davor so gut verstanden hat, ist dass man in der Satire nicht zwangsläufig auf seine Figuren von oben herab blicken muss, um sie auseinanderzunehmen, sondern auch in diesem Kontext durchaus Menschlichkeit einfließen lassen kann. „The Menu“ präsentiert ein Ensemble, das man eigentlich nur durchweg verachten kann, entweder sind die Figuren derartig prätentiös oder eben so verbittert, dass sie in ihrer vermeintlichen Rechtschaffenheit eigentlich nur noch ätzend sind. Der einzige Gegenpol und in Ansätzen so etwas wie eine Identifikationsfigur ist da fast schon Margot, die in ihrer gleichgültigen Art jedoch auch nur bedingt sympathisch daherkommt. Das hat dann zur Folge, dass einem das Schicksal dieser Charaktere letztlich seltsam egal bleibt, wodurch mögliche Schockmomente einfach verpuffen.
Ralph Fiennesin The Menu © Disney
Dennoch bleibt man hier am Ball, denn Mylod inszeniert temporeich, präzise und ohne ein Gramm Fett erzählerischen Ballast. So beobachtet man dieses Treiben durchaus interessiert, erhält treffende, wenn auch etwas knappe Eindrücke der Mechanismen streng organisierter Fine Dining-Küchenteams und kann sich auch immer wieder an spitzfindigen und einigermaßen beißenden Dialogen erfreuen. Da der Film allerdings nicht überspitzt und absurd genug inszeniert ist, um als reine Farce durchzugehen, muss man auch ständig das äußerst unglaubwürdige Handeln seiner Figuren hinterfragen.
Vor allem fragt man sich aber lange, wo dieses Kammerspiel eigentlich hinführen soll. Wenn die Hintergründe der Veranstaltung dann aber offenbart werden, kommt es zwar zu ständigen Überraschungen und Unvorhersehbarkeiten, dennoch bleibt hier immer ein gewisses Gefühl der Oberflächlichkeit und letztlich auch Leere. Was wollen Mylod und seine Autoren Seth Reiss und Will Tracy aussagen, das über eine plumpe Abrechnung hinausgeht? Warum soll man sich dafür interessieren? So ist „The Menu“ dann eben wirklich primär eine bittere, ein Stück weit sogar verbitterte und letztlich selbstzufriedene Abrechnung mit der Upper Class, aber auch der Haute Cuisine, die zumindest manchmal die Bodenhaftung, Freude und die Verbindung zum Menschen verloren hat. So stehen die Filmemacher mit ihrer selbstgefälligen Haltung allerdings fast stellvertretend für ihre eindimensionalen Angriffsziele.
Fazit: „The Menu“ ist an der Oberfläche eine temporeiche und kurzweilige Mischung aus Satire und Thriller, die sich die prätentiöse Welt der Reichen und Schönen als einfaches Ziel genommen hat. Das ist letztlich zu oberflächlich und eindimensional, um irgendeinen Kenntnisgewinn zu erzeugen, weshalb dieser hochkarätig besetzte Film einen sehr schalen und selbstzufriedenen Nachgeschmack hinterlässt.
by Florian Hoffmann