Filmkritik Take this Waltz
Filmwertung: |
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| 7/10 |
Der Song "Take This Waltz" von dem kanadischen Singer Songwriter Leonard Cohen hat Sarah Polley als Titel für ihre zweite Regiearbeit inspiriert. Nachdem schon der erste Film unter der Regie der kanadischen Schauspielerin "An ihrer Seite" ein Beziehungsdrama mit starkem Tiefgang war, überrascht es nicht, dass auch ihr neuer Film über ein junges Ehepaar emotional ins Kontor schlägt.
Margot (Michelle Williams) lernt auf einem Flug nach Toronto Daniel (Luke Kirby) kennen. Obwohl es sofort funkt, unterdrückt die 28-jährige ihre plötzlichen Gefühle, da sie mit dem Kochbuchautor Lou (Seth Rogen) eigentlich recht glücklich verheiratet ist. Als sich allerdings herausstellt, dass Daniel direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite wohnt, wird sie immer unsicherer, ob sie sich ihren Gefühlen vielleicht doch hingeben soll. Heimlich verbringt sie immer wieder kleine Momente mit Daniel, die sie wie eine Diebin aus dem Alltag zu stehlen scheint. Je mehr Margot versucht, sich von Daniel fernzuhalten, desto intensiver wird ihre sexuelle Anziehung zueinander. Margot muss sich die Frage stellen, ob sie wirklich völlig zufrieden mit ihrer Ehe ist und was ihre Erwartungen an das Leben und die Liebe sind. Alles scheint eine Frage der Konsequenz zu sein.
Sarah Polley hat ein außergewöhnliches Talent, wirklich existentielle Fragen in Partnerschaften aufrichtig, schonungslos und schmerzvoll einem Publikum zugänglich zu machen. In ihrem neuen Film "Take This Waltz" schildert sie das leise Glück, aber auch die Nöte, Zwänge und letztendlich Fluchtfantasien in einer längeren Beziehung und behandelt damit das Thema, wie eine Partnerschaft im Laufe der Zeit zur Routine wird, ohne dabei aber unglücklich zu wirken, und was mit ihr durch neue Reize und Impulse von außen geschieht, auf eine so noch nie da gewesene Weise. Sie schafft es dabei, Drama und Komödie in Einklang zu bringen, wobei der tragische Unterton in der Story doch recht schnell überwiegt. Polley hat den Film in ihrer Heimatstadt Toronto gedreht, was ihm eine atmosphärische Note verleiht, die einem das Heimspiel der Jungregisseurin schon spüren lässt.
Margot stellt sich ihren schwankenden Gefühlen nahezu politisch und weiß in jedem Moment um Aktion und Reaktion. Verhandelt wird ein seelischer Zwist, der wirklich jedem in einer langen Beziehung widerfahren kann, weil kein Mensch Gefühle für immer arretieren kann. Daniel verkörpert in der Story bewusst die Figur des schönen, athletischen, offenen, lockeren, sexy Typen, der jedem langjährigen Ehemann diese Niederlage des Verlustes der eigenen Frau zufügen kann, so wie er sie letztendlich Lou zufügt. Es steht das Solide, das Verlässliche, aber auch das Gewohnte gegen den neuen verführerischen Reiz. Auch Ehefrauen verlieren in umgekehrter Konstellation ihre Männer, solange es die Ehe überhaupt schon gibt. Polley fügt aber in die Mitte ihres Filmes eine Szene, die eine entscheidende Rolle in der Positionierung spielt. Nach einer Wasseraerobic duschen teils ältere und auch dickere Frauen zusammen und verhandeln in erfrischender Offenheit, ob immer das "Neue Glänzende" das Erstrebenswerte ist oder doch das alte Verlässliche. Mit einem Augenzwinkern wird gesagt, dass auch das Neue einmal alt wird, wobei das Alte aber auch immer älter wird. Man mag darin eher die Botschaft der neu verheirateten denn der geschiedenen Sarah Polley sehen.
Sarah Polley stellt auch mit "Take This Waltz" eindrucksvoll unter Beweis, was für eine anspruchsvolle Regisseurin und Drehbuchautorin sie ist. Ihr Beziehungsdrama will sich nicht mit den big players Hollywoods messen, ist aber nicht zuletzt dank der tief bewegenden Darstellung von Michelle Williams und Seth Rogen in seiner Kategorie spitzenklasse.
by André Scheede