Filmkritik Super-Hypochonder
Filmwertung: |
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| 5/10 |
Wer mit beiden Beinen im Leben steht und tagtäglich das Haus verlässt, um zur Arbeit zu fahren oder soziale Kontakte zu pflegen, kommt zwangsläufig mit Bazillen, Viren und anderen Krankheitserregern in Berührung. Im Winter trifft man auf niesende und hustende Passanten in Bus und Bahn. Im Frühjahr und Sommer greift der Heuschnupfen um sich, dessen leidtragenden Patienten mit laufender Nase und tränenden Augen bereits von weiten erkennen lässt. Das intakte Immunsystem schirmt die Menschen von den lauernden Ansteckungsquellen ab. Extrem empfindliche Menschen können derart krankhaft um ihre Gesundheit besorgt sein, dass das Leben unter normalen Umständen nicht mehr möglich ist. Plötzlich werden die harmlosesten Situationen zu einer kaum ertragbaren Belastungsprobe. Für das Kino scheint sich das Krankheitsbild des Hypochonders wunderbar zu eignen, um daraus eine aberwitzige und innovative Komödie zu schustern.
Filme von und mit Dany Boon sind meistens amüsant, aber auch reichlich überzogen. Nachdem das Allroundtalent 2008 mit seinem Titel „
Willkommen bei den Sch’tis“ großen Erfolg gefeiert hat, setzte sich der Franzose zuletzt in „Der Nächste, bitte!“ auf völlig absurde Art und Weise als Volldepp in Szene. Als Superhypochonder strapaziert er nun erneut die Geduld der Zuschauer und liefert viele humorvolle Momente, sodass sich die Balance zwischen Erheiterung und Fremdschämen in etwa die Waage hält. Wenn Boon sich als Romain von seinen Neurosen lenken lässt und panisch vor Krankheitskeimen flüchtet, entstehen immer wieder nette Situationen. Doch im großen und ganzen gelingt es dem Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Regisseur Boon nicht, etwas wirklich neues auf die Leinwand zu zaubern. Menschen, die sich mit ihren Ängsten selbst im Wege stehen, hat man schon mehrfach gesehen. Gerade die französische Komödie nutzt die Sonderbarkeit ihrer Hauptfiguren als Aushängeschild für den Humor. Erinnert man sich an Jean-Pierre Améris Komödie „Die anonymen Romantiker“ zurück, so wäre auch diese Story ohne neurotische Figuren undenkbar gewesen. Man muss also schon ein Fan der französischen Komödie von Dany Boon sein, um den Zauber trotz Übertreibungen und überdimensionalen Mimiken zu entdecken. Hinter all dem übereuphorischen Körpereinsatz lassen die schauspielerischen Fähigkeiten von Boon zu wünschen übrig. Auch Schauspielkollege Kad Merad („Willkommen bei den Sch’tis“) bleibt als Hausarzt und Freund Dimitri Zvenka hinter seinen Möglichkeiten zurück. Nur selten nimmt man ihm seine Rolle ab. Lediglich Alice Pol („Die anonymen Romantiker“) kann als Anne in einigen Szenen mit ihrem Schauspiel punkten.
Aufgrund der fehlenden Innovation ist auch das Filmende von Beginn an zu erahnen. Die anfangs penibel in Szene gesetzten Wehwehchen geraten allmählich in Vergessenheit und machen einer absurden Verwechslungsgeschichte Platz, die sich nicht wirklich in das Gesamtkonstrukt der Handlung einfügen will. Das daraus resultierende Actionlevel ist an manchen Stellen derart störend, dass der Film ungewollt in zwei Teile zerrissen wird, die in völlig konträre Richtungen abzudriften drohen. Zum Ende werden die Handlungsstränge auf Teufel komm raus wieder zusammengefügt, um die aufkeimende Liebegeschichte des Hypochonders mit der schönen Anne (Alice Pol) zu ermöglichen. Auch das die Figuren untereinander in jeglicher Art und Weise miteinander verstrickt sind, lässt schon fast inzestuöse Zustände vermuten.
Fazit: Eine amüsante, aber leider völlig überzogene Komödie von und mit Dany Boon. Trotz des vielversprechenden Titels gibt es kaum innovative Momente.
by Sandy Kolbuch
Bilder © Prokino Filmverleih GmbH