Filmkritik Star Wars: Das Erwachen der Macht
Filmwertung: |
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| 7/10 |
Kein Film wurde dieses Jahr so sehnlich erwartet, wie „Das Erwachen der Macht“. Schon im Vorfeld wurden einige Einnahmerekorde gebrochen. Bereits jetzt wurden alleine in den USA mehr als 100 Millionen Dollar über den Kartenvorverkauf eingenommen.

Auch in Deutschland ist der Hype riesig. Die verschiedenen Kinoketten vermelden Rekorde und konnten bereits mehr als eine halbe Million Tickets absetzen und damit doppelt so viele, wie beim bisherigen Rekordhalter „50 Shades of Grey“ (knapp 300.000). Experten schätzen, dass die siebte Star-Wars-Episode am Ende mehr als 3 Milliarden Dollar einspielen könnte und diese Schallmauer als erster Film durchbricht. Durch die Merchandising-Verkäufe könnte sich dieser Betrag noch verdoppeln. Die Vermarktungsmaschinerie läuft auf Hochtouren.
Doch geschieht all das zu Recht oder ist der Film eine Enttäuschung?
Ein wichtiger Hinweis vorneweg: diese Kritik ist meinungsstark, aber frei von Spoilern, weil Disney darum gebeten hat, den Zuschauern das Filmvergnügen nicht durch die Offenlegung einzelner Handlungsstränge zu zerstören. Der Grundgedanke des Studios ist dabei richtig und nachvollziehbar, macht es aber schwierig, diese Rezension zu schreiben, weil selbst zu Beginn Dinge geschehen, die zu viel verraten würden. So fallen Begründungen für einige Schlussfolgerungen teilweise weg und werden sich erst nach dem Ansehen des Filmes erschließen. Auch die Inhaltsangabe ist diesmal kürzer und allgemeiner als gewohnt.
Rund 30 Jahre nach der Schlacht von Endor sind die Jedi in Vergessenheit geraten. Warum dies so ist, wird in Chuck Wendigs Roman-Trilogie „Aftermath” (deutscher Titel: „Nachspiel”) erklärt, von der bisher allerdings nur der erste Band erschienen- und laut verschiedener Aussagen nur mäßig geworden ist.

Das Ende von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ bedeutete keinen Frieden für die gesamte Galaxis, weil das Imperium auch ohne Darth Sidious und Darth Vader zu mächtig geworden war. Jeder Planet ging unterschiedlich mit dem Tod und der damit verbundenen Niederlage des Imperators um. Die Jedi und die Macht gerieten in Vergessenheit und sind zu Beginn von Episode VII ein Mythos. In „Das Erwachen der Macht“ stehen die auf dem Wüstenplaneten Jakku als Schrottsammlerin tätige Rey (Daisy Ridley), der abtrünnige Stormtrooper Finn (John Boyega) und der hervorragende Rebellen-Pilot Poe Dameron (Oscar Isaac) neben alten Recken wie Han Solo (Harrison Ford) und seinem Wookie-Freund Chewbacca (Peter Mayhew) im Mittelpunkt und müssen gemeinsam viele Abenteuer bestehen.
Die Geschichte ist solide umgesetzt. Der erhoffte und ersehnte Überflieger ist der Neustart der Reihe allerdings nicht geworden. Kennern wird auffallen, dass sich Regisseur J.J. Abrams, die Crew und Disney dazu entschlossen haben, das Risiko zu minimieren und stattdessen einen Abklatsch von Episode IV abzuliefern. Nun ist das nicht grundsätzlich schlecht, aber doch äußerst innovationsarm und kreativlos. Vieles ist bekannt, selbst Nebenfiguren des ersten Star-Wars-Filmes erhalten in Episode VII ihren Counterpart. Dadurch fühlen sich Fans aber sofort wieder heimisch und werden darüber hinaus erfreut feststellen, dass das alte und so beliebte Star-Wars-Feeling, dass die Originaltrilogie zu einem Meilenstein der Filmgeschichte machte, hier durchgehend zu spüren ist, wenn auch nicht immer auf höchstem Niveau. Doch die vielen Hommagen an die vorangegangenen Filme wurden von Abrams und seiner Crew gut in die Storyline eingebaut. Als Beispiel sei hier das aus Episode IV bekannte Schachspiel genannt, welches ganz nebenbei auftaucht und bei Fans dennoch für einen Aha-Moment sorgt. Des Weiteren ist der 136 Minuten lange Film durchgehend unterhaltsam, kurzweilig und spannend. Vor allem die gut platzierten und witzigen Gags sorgen immer wieder für Auflockerung und Erheiterung.

Bei zwei Szenen gab es im vollbesetzten Saal im Zoo-Palast in Berlin sogar Applaus, was bei einer Pressevorführung selten der Fall ist. Diese großartigen Szenen sind allerdings rar gesät. Das Niveau ist durchgehend auf einem soliden Level, weil die Macher vor allem darauf bedacht waren, keine Fehler zu machen. Diese Innovationsarmut wird dem Film aber an einigen Stellen zum Verhängnis. Wer sich ein wenig im Star-Wars-Universum auskennt, kann bis auf wenige Details die gesamte Storyline im Voraus erahnen. Einige Dinge werden nicht nur angedeutet, sondern sind mit einem gewissen Weitblick sofort klar einzuordnen. Überraschungen sind daher Mangelware, was dann doch ein wenig enttäuscht. Darüber hinaus gibt es leider auch wieder Logikfehler, die von der „Qualität“ her an Episode III erinnern. Da auch hier wieder nichts verraten werden soll und darf, muss diese Erkenntnis leider ohne Begründung bleiben. Gleiches gilt auch für die Charakterdarstellung und –entwicklung. Bei einigen Figuren mangelt es an Glaubwürdigkeit, weil ihre Hintergrundgeschichte schlicht zu unklar ist und daher nicht zu überzeugen vermag. Hier klaffen einige Logiklöcher auf, was bei einem Film, der so darauf bedacht ist, jegliche Art von Fehlern zu verhindern, bedenklich ist. Vielleicht liegt das auch am Drehbuch-Wirrwarr? Im Oktober 2013 wurde verkündet, dass Michael Arndts (Toy Story 3, Little Miss Sunshine) Arbeit an „Das Erwachen der Macht“ beendet ist. Das Drehbuch wurde anschließend von J.J. Abrams und Lawrence Kasdan (Star Wars Episoden V und VI) umgeschrieben. Begründet wurde dieser Wechsel mit Zeitnot. Vielleicht war auch diese ein Grund für die Schwächen des Skriptes?
Zudem gibt es eine Szene, die zu einem krassen Bruch führt, obwohl sie vorhersehbar ist. Dennoch denkt man die gesamte Restlaufzeit von „Das Erwachen der Macht“ über diese Sequenz nach und verfolgt den Rest des Geschehens nicht mehr mit hundertprozentiger Aufmerksamkeit.
Die Nebenkategorien wissen diese Schwächen zumindest etwas auszugleichen. Denn die ruhige, dynamische und weite Kameraführung ist stark und bietet in Verbindung mit den schönen Locations imposante Bilder.

Dabei gibt es auch hier kleine Schwächen, da einige Landschaften doch zu sehr an die Erde erinnern und nicht wie aus einer fernen Galaxie wirken.
Gelungen ist zudem die stimmige, atmosphärisch dichte Musikuntermalung, die wie bei den sechs vorangegangenen Episoden vom 49-fach (!) „Oscar“-nominierten und fünffachen Preisträger des Academy Awards, John Williams (Der weiße Hai, Harry Potter und der Stein der Weisen, Indiana Jones), komponiert wurde. Sein Score hat große Momente, aber auch einige Melodien zu bieten, die nur mittelmäßig sind.
Die 3D-Effekte sind sehr gut und wie erhofft auf dem neusten Stand der Technik. Besonders lobenswert ist hierbei, dass die Spezialeffekte stilistisch an die Originaltrilogie anknüpfen. Trotz ihrer fantastischen Optik heben sie sich aus der Masse der Blockbuster aber nur bedingt ab.
Die Schauspieler machen ihre Sache gut. Daisy Ridley spielt ihre erste große Rolle und verkörpert Rey auf glaubhafte Art und Weise. Zuvor hatte die 23 Jahre junge Engländerin in Serien (Casualty, Youngers, Toast of London, Silent Witness, Mr Selfridge) Mini-Auftritte. Da sie als Schauspielerin keinen Job fand, arbeitete sie in einer Kneipe als Kellnerin – und erfüllt damit – obwohl in London geboren und aufgewachsen - das bekannte (amerikanische) Klischee von der Tellerwäscherin zur Millionärin und dürfte zur Ikone einer ganzen Generation werden. Sie musste laut eigener Aussage fünf Mal in sieben Monaten für die Rolle vorsprechen, überzeugte letztlich die Verantwortlichen und setzte sich damit gegen tausende Bewerberinnen durch, darunter auch viele bekannte Namen.

Die Geheimniskrämerei ging dabei soweit, dass es Ridley nicht einmal ihrer Familie erzählen durfte, als sie die Hauptrolle bekam. In Sachen Filmen hat sie dabei noch Nachholbedarf. Wenn sie in eine Parallelwelt flüchten wollte, waren Bücher immer ihre erste Wahl. Das belegt auch ihre Aussage, dass sie nicht gedacht hätte, dass „Star Wars“ beim Publikum so unglaublich beliebt sei.
Der charmante John Boyega (The Circle, Caesar, Imperial Dreams) fällt dank seiner Präsenz und seines guten Timings ebenfalls positiv auf, auch wenn er mimisch keine Glanzleistung zeigt.
Harrison Ford (Star Wars Originaltrilogie, Indiana Jones, Blade Runner) zeigt eine überragende Performance und stellt damit die beiden Neulinge in den Schatten. Sein kerniger, rauer Auftritt gepaart mit seinem ausdrucksstarken Gesicht ist die größte Stärke des Filmes. Dass er sich während der Dreharbeiten am Knöchel verletzte und der Drehplan daher geändert werden musste, die Produktion zwischenzeitlich sogar drei Wochen pausierte, fällt dabei nicht auf.
Adam Driver (The F-Word, Spuren, Inside Llewyn Davis) verkörpert Bösewicht Kylo Ren hingegen nur stellenweise glaubhaft. Carrie Fischer (Star Wars Originaltrilogie, The Big Bang Theory, Fanboys) kommt ohne ihre berühmte Haarschnecken-Frisur aus, zeigt aber dennoch eine reife Leistung und ist dank ihrer weisen Ausstrahlung ein Gewinn für die siebte Episode. In größeren Nebenrollen wissen Oscar Isaac (A Most Violent Year, Inside Llewyn Davis, Ex Machina) als Poe Dameron, Andy Serkis (Gollum in „Der Herr der Ringe“, King Kong, Planet der Affen: Revolution) mit seinen berühmten Gollum-Augen als Supreme Leader Snoke und Domhnall Gleeson (Alles eine Frage der Zeit, Ex Machina, Harry Potter und die Heiligtümer des Todes) mit finsterer Miene als General Hux zu überzeugen.
Fazit: Grundsolide, aber eben nicht herausragende siebte Episode der Star-Wars-Filmreihe, die vor allem darauf bedacht ist, Fehler zu vermeiden, was allerdings nur teilweise gelingt. Leider hat die Storyline erkennbare Schwächen und überdies fallen auch einige Logikfehler in der Hintergrundgeschichte ihrer Protagonisten auf. Dafür überzeugen die imposanten Bilder, die weite, dynamische Kameraführung, die stimmige Musikuntermalung und die aufwendigen 3D-Effekte. Zusätzlich ist der Film unterhaltsam, kurzweilig, witzig und spannend. Es ist schön, einige alte Bekannte wie Han Solo nach so langer Zeit wieder auf der Leinwand zu sehen.
Der große Wurf ist Abrams und Disney nicht gelungen, doch ein solider Neuanfang, der bei Fans aber aufgrund einiger polarisierender Szenen für viel Diskussionsstoff sorgen wird. Dennoch ist „Das Erwachen der Macht“ insgesamt charismatisches Popcorn-Kino.
by Stefan Bröhl