Filmkritik Star Trek Into Darkness
Filmwertung: |
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| 7/10 |
Noch bevor die Worte „Star Trek Into Darkness“ in stählernen Lettern die Leinwand ausfüllen, die ansonsten tiefschwarz wie das Universum der Verheißung des Titels rechtgibt, wird klar, dass J.J. Abrams mit dem ersten Teil seiner Rundumerneuerung der inzwischen vier TV-Serien und elf Kinofilme umfassenden Science-Fiction-Saga lediglich die Weichen stellte. Bereits in der Eingangssequenz legt er in jeder erdenklichen Disziplin eine Schippe drauf: Captain Kirk und der Enterprise-Bordarzt McCoy flüchten zunächst durch einen roten Wald vor den Anwohnern des Planeten Nibiru, während Spock versucht, in einen aktiven Vulkan herabzusteigen, aus dem er schließlich nicht mehr in die Enterprise, die gerade opulent aus dem Meer aufgestiegen ist, zurückgebeamt werden kann; Kirk muss daraufhin eine folgenschwere Ermessensentscheidung treffen: Lässt er Spock im Vulkan sterben oder rettet er ihm das Leben, auch wenn er damit gegen die Oberste Direktive verstößt, die besagt, dass es unter keinen Umständen gestattet ist, in die Angelegenheiten außerirdischer Zivilisationen einzugreifen?
Abrams zieht das Tempo merklich an und mutet seinen Figuren, die seit dem Reboot von 2009 auch dem Nicht-Trekkie vertraut sind, schon in der ersten Szene mehr zu als im gesamten ersten Film. Dass trotz des „Höher, schneller, weiter“-Duktus, der gemeinhin auch erwartet wird, die Seele erhalten bleibt, liegt daran, dass bei Abrams' Idee von Spektakelkino das Kino stets so wichtig ist wie das Spektakel. Man kann seine Filme als zeitgemäße Erweiterungen der großen Sternstunden des Eventfilms eines Steven Spielberg sehen, dem er 2011 in „Super 8“ huldigte: Er schöpft aus dem Vollen der technischen Möglichkeiten seiner Zeit, bleibt dabei aber Geschichtenerzähler und deshalb entsprechend nah an den Charakteren; in Zeiten von selbstzweckhaften Materialschlachten wie „Battleship“, „Skyline“ und „World Invasion: Battle Los Angeles“ beileibe keine Selbstverständlichkeit. Er ist eine Art Anti-Michael-Bay. Oder anders gesagt: Vielleicht ist J. J. Abrams der Steven Spielberg seiner Generation, während der Altmeister nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Und er ist ein beispielloser Geheimniskrämer: Bis kurz vor der Weltpremiere war kaum ein Detail zur Story bekannt. Doch wenn der „Lost“-Erfinder Rätsel aufgibt, dann weiß man, dass sich das Warten auf deren Lösung auch lohnt. Das war bei „Star Trek“ und „Super 8“ so, und das wird auch so sein, wenn er im übernächsten Jahr die „Star Wars“-Reihe neu erfindet.
Zuviel soll auch an dieser Stelle nicht preisgegeben werden. Höchstens soviel: Spock überlebt. Kirk muss die Konsequenzen seiner Handlung tragen und kurzzeitig das Kommando der Enterprise abgeben. Doch dann kommt es in London zu einem Terroranschlag, und die Crew bekommt es mit einem undurchschaubaren und deshalb umso gefährlicheren Gegner zu tun: John Harrison, etwas überzogen verkörpert durch „Sherlock Holmes“ Benedict Cumberbatch, ein ehemaliger Sternenflottenoffizier, der auf Vergeltung sinnt.
Im Zentrum des Films steht jedoch einmal mehr die Beziehung zwischen Kirk und Spock; wenn der Vorgänger im Kern ein Coming-of-Age-Film war, dann ist „Star Trek Into Darkness“ der logische nächste Schritt: Während die Enterprise immer tiefer in die Dunkelheit eintaucht, müssen sich Kirk und Spock, letztlich aber die gesamte Crew, ihrer Position bewusst werden, müssen mit persönlichen und intergalaktischen Krisen zurechtkommen, schwerwiegende Entschlüsse fassen. Eben erkennen, was es heißt, erwachsen zu sein. Nur, dass ihnen dabei das halbe Universum um die Ohren fliegt. Ein wenig vermisst man manchmal die Atempausen, die Teil 1 zwangsläufig einlegen musste, um seine Figuren einzuführen und so eine Brücke zu schlagen zwischen Fans und Neueinsteigern; dennoch ist „Star Trek Into Darkness“ vermutlich der großartigste Ritt, den man in diesem Jahr im populären Kino erleben wird.
by Siegfried Bendix
Bilder © Paramount Pictures Germany