Filmkritik Sausage Party - Es geht um die Wurst
Filmwertung: |
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| 9/10 |
1995 präsentierte Pixar der Welt mit „Toy Story“ einen Blick auf das geheime Leben von Spielzeugen, gerade diesen Sommer spielten Illumination Studios dieses Motiv in „
Pets“ erfolgreich mit Haustieren durch.

Gerade in Animationsfilmen werden immer wieder gerne solche uns umgebenden Paralleluniversen erforscht, in denen Dinge oder Tiere sich wie Menschen verhalten, ohne dass wir etwas davon mitbekommen. Bislang unberührt blieben aber Lebensmittel, was die brillant durchgeknallten „This is the End“- und „The Interview“-Macher Seth Rogen und Evan Goldberg zu ihrer irrwitzig-absurden Idee zu „Sausage Party“, dem wohl verrücktesten und versautesten Animationsfilm aller Zeiten führte. Man muss an dieser Stelle wohl eine Warnung aussprechen, denn wer Probleme mit grobem, anstößigem, vulgärem und definitiv nicht jugendfreiem Humor hat, sollte um „Sausage Party“ einen ganz, ganz weiten Bogen machen. Denn dieser wahnwitzige und enorm originelle Film ist nun mal genau das: einer der gröbsten, anstößigsten und vulgärsten Komödien, die jemals produziert wurden. Man kann bei den irrsinnigen Gags oft nur vor ungläubiger Fassungslosigkeit die Hände vors Gesicht schlagen, doch wer Spaß an dieser Art von Film hat und schon den Humor von Rogens vorigen Filmen mochte, wird hier ein echtes El Dorado der obszönen Respektlosigkeiten vorfinden. Eins ist wohl klar: Nach diesem wirklich in jeder Hinsicht unglaublichen Film, der wohl ist wie keiner zuvor, wird man Lebensmittel nicht mehr mit den gleichen Augen sehen.
Hauptschauplatz von „Sausage Party“ ist ein gigantischer, typisch amerikanischer Supermarkt. Alles beginnt mit einer (ironischerweise vom legendären Disney-Komponist Alan Menken komponierten) gigantischen und überschwänglichen Musical-Nummer, bei der alle Lebensmittel des Supermarktes teilnehmen und mit leuchtenden Augen und größter optimistischer Inbrunst von ihrer Traumvorstellung des großen Jenseits singen. Das Lebensziel der Lebensmittel besteht nämlich darin, von den Göttern (uns Menschen) auserwählt und durch die großen Türen des Supermarkts nach draußen geführt zu werden, wo die Ewigkeit und größtmögliches Glück auf sie warten. Im Mittelpunkt steht der lebensfrohe Hot Dog Frank (Seth Rogen), dessen große Sehnsucht außerdem darin besteht, endlich mit seiner großen Liebe, dem attraktiven Hot Dog-Brötchen Brenda (Kristen Wiig), vereint zu werden. Der Traum von Frank und seinen in einer Packung eingeschweißten Hot Dog-Kollegen Carl (Jonah Hill) und Barry (Michael Cera) soll schließlich Wirklichkeit werden, als sie von einer „Göttin“ in den Einkaufswagen gepackt werden – inklusive Brenda und ihren Brötchen-Freundinnen.

Dem ultimativen Glück scheint nichts mehr im Wege zu stehen, als jedoch der zuvor bereits auserwählte Honigsenf (Danny McBride) umgetauscht wird, der bereits hinter die Türen blicken konnte und realisieren musste, dass dort der blanke Horror auf die Lebensmittel wartet. Doch keiner der fanatischen und blind gläubigen Lebensmittel (mit Ausnahme des zunehmend seine Existenz hinterfragenden Frank) möchte dem scheinbar wahnsinnigen Honigsenf Glauben schenken…
Wie aus dieser Prämisse schon recht unschwer erkennbar sein sollte, haben Rogen, Goldberg und die beiden Co-Autoren Kyle Hunter und Ariel Shaffir inmitten all des unfassbar vulgären und schlüpfrigen Gagfeuerwerks, das „Sausage Party“ abbrennt, eine überraschend geistreiche Allegorie eingepackt, die vielen Zuschauern wohl übel aufstoßen wird. „Sausage Party“ ist im Herzen nämlich ein bitterböser, satirischer Blick auf unsere Welt, der es primär auf organisierten religiösen Wahnsinn und damit verbundenen blinden Glauben, aber auch auf das gegenwärtige weltpolitische Geschehen mit ihren unterschiedlichen Völkergruppen und ihren nie enden wollenden Feindschaften abgesehen hat. Gerade uneingeschränkter Glauben an unbewiesene, weit hergeholte Ideen, etwa die Existenz eines oder mehrerer Götter wird hier ganz offensichtlich kritisch hinterfragt. Rogen & Co. holen hier aber ganz weit aus, denn so ziemlich jeder kriegt hier ordentlich sein Fett weg. Einer der genialen Einfälle in diesem konstant überraschenden und mit cleveren Ideen nahezu berstenden Film wäre da etwa die dauerzankende Beziehung zwischen dem jüdischen Bagle Sammy Bagle Jr. (Edward Norton) und dem arabischen Fladenbrot Kareem-Abdul Lavash (David Krumholtz).

Hier folgt eine brillante Figur auf die nächste, etwa ein lesbischer Taco (Salma Hayek), der lüsterne Gefühle für Brenda entwickelt hat; ein weiser, im Rollstuhl sitzender, eindeutig von Stephen Hawking inspirierter Kaugummi (Scott Underwood) oder eine erleuchtete Tequila-Flasche namens Firewater (Bill Hader), die schon lange durchschaut hat, welches Spiel die Menschen tatsächlich treiben. Nicht zu vergessen wäre da auch noch der zunehmend manische Bösewicht des Films, eine Intimdusche (!) (Nick Kroll), die sich in ihrem Wahn an Frank rächen will.
Für sehr viele Zuschauer wird der Film in seiner absolut respektlosen und grenzdebilen Machart sicher unerträglich sein, doch für viele andere Menschen, die empfänglich für den stets extrem albernen und dreckigen, aber auch paradoxerweise sehr hintersinnigen und einsichtsreichen Blödelhumor sind, werden hier eine nahezu reinigende Erfahrung erleben können. „Sausage Party“ ist nämlich ein mit feierlich-enthusiastischem Tenor vorgetragener hoch erhobener Mittelfinger für die aktuell allgegenwärtige Political Correctness, für eine übersensible Umwelt, in der sich jeder von irgendjemandem angegriffen fühlen muss.
An jeder Ecke lauern in „Sausage Party“ herrlich derbe und schmutzige Gags, die die Grenzen des sogenannten guten Geschmacks immer wieder ganz, ganz weit übertreten. Durch die enorm originelle und so nie dagewesene Prämisse, die das geheime Leben von Lebensmitteln darstellt, haben die Macher hier scheinbar völlig freie Hand im Rahmen einer Allegorie alles umsetzen zu können, was in einem Realfilm so wohl nie möglich wäre. Man kann im regelrecht atemlosen Verlauf von „Sausage Party“ immer nur wieder staunen, mit was Rogen und Kollegen hier in einem Mainstreamfilm durchgekommen sind. Die wahnwitzigen und oft auch für den härtesten Kritiker unbestreitbar inspirierten Einfälle, die in diesen Film gepackt wurden, kommen manchmal fast schon zu rasant:

Da wäre neben den zahlreichen überaus farbenfrohen Nebenfiguren eine (in den Trailern bereits angespielte) Sequenz, die überdeutlich von der Eröffnungssequenz von „Der Soldat James Ryan“ inspiriert ist; die absolut groteske und regelrecht verstörende (ebenso in den Trailern sehr prominent vertretene) Szene, in der die Lebensmittel in der Küche ihrer Göttin schmerzhaft erfahren müssen, was wirklich mit ihnen geschieht; oder aber der Abschnitt, in dem ein Junkie (James Franco) auf Badesalz (!) die Fähigkeit erlangt, mit den Lebensmitteln kommunizieren zu können. Die Vielfalt an purem, ungefiltertem Wahnsinn, den „Sausage Party“ zu bieten hat, kann man in einer herkömmlichen Rezension kaum gerecht werden. Alles mündet hier schließlich in einem hemmungslosen, verkommenen, unfassbaren und zum Kreischen komischen Finale, das wohl zu den erinnerungswürdigsten und schier unglaublichsten Filmmomenten der letzten Jahre gehört.
Fazit: „Sausage Party“ ist sicher einer der schmutzigsten, obszönsten, politisch unkorrektesten, respektlosesten und wahnsinnigsten Filme, die je das Licht der Welt erblickt haben. Hier wird ein schier atemloses und enorm inspiriertes, hemmungslos verdorbenes, aber dennoch hintersinniges Gagfeuerwerk geboten, das manchen Zuschauer in seiner überdreht-enthusiastischen Machart atemlos zurücklassen wird. Ein kreativer, vor nichts und niemandem zurückhaltender Triumph.
by Florian Hoffmann