Filmkritik Ricki - Wie Familie so ist
Filmwertung: |
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| 7/10 |
Da man sich seine Familie bekannterweise nicht aussuchen kann, muss man sie nehmen, wie sie nun einmal ist. Fast jeder kann behaupten, dass eine Familie nicht immer einfach ist und das manche Treffen nur mit viel Geduld und Gelassenheit zu überwinden sind.
Doch wer sich dessen bewusst ist, dass Blut dicker als Wasser ist, schafft es irgendwie die Familie in schweren und heiteren Momenten zu akzeptieren. Auf der Kinoleinwand werden die altbekannten Familien-Problematiken gerne absurd überspitzt in Szene gesetzt. In ausufernden Schlammschlachten werden Auseinandersetzungen zelebriert, wobei sich die Blutsverwandten regelrecht an die Gurgel gehen. Doch glücklicherweise gibt es auch Ausnahmen, die auf geschmacklose Peinlichkeiten und Situationen verzichten.
Regisseur Jonathan Demme stellt mit seinem Film „Ricki – Wie Familie so ist“ unter Beweis, dass man die Schattenseiten des Familienlebens auch auf herzliche Art und Weise bebildern kann. Nach dem Script des Oscar-ausgezeichneten Drehbuchautoren Diablo Cody, lernt der Zuschauer die quirlige 54-jährige Ricki Rendazzo (Meryl Streep) kennen, die als unabhängige Rocksängerin ihr Leben genießt. Nach einer kurzen Einführung der Hauptfigur machen sich schnell die Schattenseiten ihres freizügigen Lebens bemerkbar. Denn als Ricki von ihrem Ex-Mann Pete Brummel (Kevin Kline) einen Anruf erhält, stürzt ihre Vergangenheit über sie hinein. Plötzlich sind ihre drei Kinder Julie (Mamie Gummer), Joshua ( Sebastian Stan) und Adam (Nick Westrate), die sie vor Jahren wegen ihrer Musik-Karriere verlassen hat, wieder präsent in ihrem Leben. Um ihre Tochter aus einem seelischen Tief zu befreien, eilt sie zur Hilfe und muss erkennen, dass ihre Anwesenheit keinesfalls erwünscht ist.
Unausgesprochene Gefühle brodeln hoch und kommen unsanft an die Oberfläche.
Die dreifache Oscar-Gewinnerin Meryl Streep ist für ihre extravaganten und eigenwilligen Rollen bekannt. Sowohl als tyrannische Hausfrau in „Im August in Osage County“ oder als böse Hexe in „Into the Woods“ konnte sie das Kinopublikum zuletzt unterhalten. In „Ricki – Wie Familie so ist“ verkörpert Streep erfrischend und ausgelassen die chaotische Sängerin, sich von ihrem Umfeld abhebt. Obwohl die lebensfrohe Ricki wegen ihrer Musik die Familie verlassen hat und somit alle Vorraussetzung für das schwarze Schaf der Familie erfüllt, muss man sie einfach mögen. Denn hinter ihrer coolen Fassade verbirgt sich eine verletzte Seele, die mit ansehen muss, wie ihre mittlerweile erwachsenen Kinder in Maureen eine wahre Mutter gefunden haben. Ricki fühlt sich in der heilen Welt ihrer Kinder fehl am Platz. Doch nach und nach findet sie einen Weg, um sich im Leben ihrer Kinder wieder eine Daseinsberechtigung zu verdienen. Die anfänglich dominante Engstirnigkeit und der ausgeprägte Egoismus von Ricki verliert sich innerhalb kürzester Zeit. Authentisch präsentieren sich Streep und ihre Tochter Mamie Gummer („Side Effects“) als ungleiches Mutter-Tochter-Gespann. Nicht nur die offensichtliche Ähnlichkeit, sondern auch die allmählich sichtbaren Gemeinsamkeiten sorgen für die passende Chemie. Aber nicht nur Streep und ihre Tochter harmonieren auf der Leinwand. Auch Audra McDonald („TV-Serie „Private Practice“), die als zweite Ehefrau Rickis Nachfolge angetreten hat, harmoniert humorvoll mit der Titelfigur.
Als Vorzeige-Mutter und Ehepartnerin präsentiert sie das Leben, dass Ricki einst verschmähte. Konträr werden die zwei Frauen eingeführt, die am Ende einen gemeinsamen Weg finden, um als glückliche Patchwork-Familie zu existieren. Kevin Kline („Last Vegas“) weiß sich mit seiner typisch lockeren Art zwischen die Frauen zu schleichen und ihre Charaktere wohlwollend in Szene zu setzen. Der 71-jährige Regisseur setzt somit bewusst auf den Charme seiner Figuren, die sich nicht zu herablassenden Aktionen verleiten lassen, sondern gemeinsam das Leben zu meistern lernen. Der Zuschauer wird mit ausreichend Sequenzen zum Schmunzeln und Lachen beschenkt. Zudem lohnt sich das Kinoticket wegen der unterhaltsamen Live-Performances von Meryl Streep sowie Sänger und Gitarist Ricki Springfield.
Fazit: Jonathan Demme präsentiert mit „Ricki – Wie Familie so ist“, einen herzlichen Familienfilm für Jung und Alt, der 120 Minuten entspannte Unterhaltung und rockige Sounds liefert.
by Sandy Kolbuch