Filmkritik Reminiscence: Die Erinnerung stirbt nie
Filmwertung: |
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| 6/10 |
Die Zusammenarbeit von Lisa Joy und Jonathan Nolan begann 2016 mit der von HBO produzierten Western-Serie „Westworld“, die für viele als eine der besten und vielversprechendsten Serien der letzten Jahre gilt. Das Duo bekommt nun mit „Reminiscence: Die Erinnerung stirbt nie“ erstmals die Möglichkeit, seine Fähigkeiten auch auf der großen Leinwand unter Beweis zu stellen.
Hugh Jackman in Reminiscence © Warner Bros.
„Reminiscence“ erzählt die Geschichte einer dystopischen Zukunft, in welcher der Meeresspiegel bereits spürbar angestiegen ist und viele Küstengebiete bereits vollständig unter Wasser liegen. In dieser nicht lebenswerten Welt flüchten die Menschen mit Hilfe von „Memory-Maschinen“ in ihre eigenen, glücklichen Erinnerungen aus einem früheren Leben. Die Herausforderung besteht nur darin, sich nicht in den eigenen Träumen zu verlieren. Was sich zunächst einmal nach einer vielversprechenden Mischung aus „Inception“ und „In Time: Deine Zeit läuft ab“ anhört, macht dann doch ziemlich schnell klar, dass der Fokus der Geschichte nicht auf den unnatürlichen Gegebenheiten liegt, sondern stattdessen auf einer sich viel zu erzwungen anfühlenden Romance eines Memory-Moderatoren und einer seiner Kundinnen. Dort findet sich auch gleich eine der größten Schwächen des Films, denn statt die wirklich spannend gestaltete Welt zu erkunden, spielt der bereits fortgeschrittene Klimawandel, sinkende Städte, ein kurz vor Einsetzen der Handlung stattgefundener Krieg und der Umgang der Überlebenden mit all diesen Gegebenheiten danach fast überhaupt keine Rolle mehr. Würden die Figuren nicht andauernd durch kniehohe Wassermengen waten, vergäße man die zu Filmbeginn für die Handlung als so essentiell dargestellten Katastrophen schnell wieder.
Rebecca Ferguson und Hugh Jackman in Reminiscence © Warner Bros.
Trotz der äußerst schwerfälligen Charakterzeichnung schafft es Hauptdarsteller Hugh Jackman, seiner Rolle wie gewohnt viel Tiefe und Charisma zu verschaffen. Lisa Joys Stärke in „Westworld“ bestand allerdings darin, den verschiedenen Figuren über mehrere Episoden Zeit zur Charakterentwicklung zu geben. Bei einer Laufzeit von nur etwa 140 Minuten gelingt ihr dieser Spagat in ihrem Spielfilmdebüt nur bedingt, denn abgesehen von Hugh Jackman und Thandie Newton, wird den übrigen Figuren kaum Zeit eingeräumt, um Ihre Motive und Vorgeschichten zu erläutern. Da verwundert es auch nicht, dass jegliche Plot-Twists vollkommen emotionslos an dem Zuschauer vorbeierzählt werden. Man interessiert sich nicht für die Schicksale der Figuren und wünscht sich nur noch, mehr über die Gegebenheiten der dargestellten Dystopie zu erfahren. Stattdessen fokussiert sich der Film viel zu sehr darauf, die Beweggründe des Hauptdarstellers mit Mühe und Not zu rechtfertigen, obwohl der Fokus der Geschichte nach spätestens 30 Minuten gar nicht mehr auf ihm liegt und er zu einer machtlosen Marionette der Geschehnisse wird.
Thandie Newton und Hugh Jackman in Reminiscence © Warner Bros.
Die technische Umsetzung von „Reminiscence“ bleibt bei all den Schwächen des Drehbuchs aber auf einem durchgängig hohen Niveau. Die spannend und originell inszenierten Kampfszenen, der Soundtrack von „Game of Thrones“-Komponist Ramin Djawadi und das per CGI vervollständigte Szenenbild verkörpern das Beste am gesamten Film. Lisa Joy beweist hier einmal mehr ihre Fähigkeiten als Regisseurin und versteht sich darauf, neue Welten vollkommen realistisch zu erschaffen. Inszenatorisch liefert „Reminiscence“ eine durchaus wertige Darbietung. Es hätte dem Film allerdings gutgetan, die Szenerien mehr in die Geschehnisse der Handlung mit einzubauen. So bleiben die Set-Pieces über weite Strecken nichts weiter als schöne Hintergrund-Malereien.
Fazit: „Reminiscence“ bleibt trotz beeindruckender Bilder über weite Strecken belanglos. Die schon viel zu oft gesehene und nicht gerade originelle Charakterzeichnung sowie die Schwachstellen des Drehbuchs lassen den Film leider viel zu schnell in Vergessenheit geraten.
Man hat das Gefühl, die Regisseurin bekam für Ihr Kino-Erstlingswerk ein Drehbuch zugeschrieben, welches die größeren Regisseure ablehnten, man aber trotzdem für zu vielversprechend empfand, um es einem reinen Newcomer zuzutrauen.
Was bleibt ist ein mittelmäßiges Drama auf großer Bühne, welches trotz guten Darstellern, tollen Aufnahmen und überraschend überzeugenden Effekten nicht von den Schwächen der Story abzulenken weiß.
by Tavius Audersch