Filmkritik Königin der Wüste
Filmwertung: |
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| 6/10 |
Die britische Gertrude Bell, die als „Königin der Wüste“ bekannt wurde, war maßgeblich an der Entstehung des heutigen Nahen Ostens beteiligt. Bereits 1888 bewies sie im Alter von zwanzig Jahren ihren Willen, als sie als erste Frau an der Oxford Universität das Studium der Neueren Geschichte mit Auszeichnung abschloss.

Da ihr kein passender Heiratskandidat präsentiert werden konnte, verbrachte Gertrude im Jahr 1893 sechs Monate im Teheran bei einem verwandten Botschafter. Im Orient erlangte sie mit ihrem durchgreifenden Wesen hohes Ansehen. Als Orientsekretärin wurde sie vom britischen Außenministerium zur Absteckung der Grenzen des zukünftigen Iraks beauftragt. Bis zu ihrem selbstgewählten Tod am 12. Juli 1926 wurde Gertrude Bell wegen ihrer Kenntnisse und ihrem Einsatz verehrt.
Filmemacher Werner Herzog setzt der „Königin der Wüste“ nun mit seinem gleichnamigen Biopic ein filmisches Denkmal. Gedreht an exotischen Schauplätzen wirkt die Geschichte rein optisch wie ein Märchen aus 1001 Nacht. Während die weitläufigen Landschaftsaufnahmen den Zuschauer mit auf eine unglaubliche Reise in die Wüste nehmen, kann das Drehbuch nur bedingt begeistern. Denn in Herzogs spannungsarmen Biopic wird Gertrude Bell zu einer wohlhabenden Tochter reduziert, die aufgrund ihres unstillbaren Wissensdurstes in die Wüste wandert. Nur ansatzweise wird das interessante und abenteuerliche Leben der Fotografin und Historikerin betrachtet, das so großen Einfluss bei der territorialen Neuordnung des Nahen Ostens hatte. Bells politische Bedeutung für den Orient werden im Film fast vollends ausgespart. Die jahrelangen Expeditionen werden in Kürze aneinandergereiht, ohne explizit im Kern erläutert zu werden. Die Menschen, Sitten und Gebräuche der Länder werden nur oberflächlich betrachtet. Dafür bekommen Bells Liebschaften eine weitaus größere Bedeutung zugeschrieben, wodurch der Film in teils schnulzigen Liebesbekenntnissen versinkt.

Sowohl die unglückliche Liebe zu Henry Cadogan (James Franco), als auch die Bekanntschaft mit T.E. Lawrence (Robert Pattinson) prägt Bells Persönlichkeit nachhaltig. In ihrer Einsamkeit widmet sie sich ihrer Expedition, die lediglich wie ein großes Abenteuer erscheint, das schnell beendet sein könnte. Offensichtlich werden die Parallelen zwischen Gertrude Bell und „Lawrence von Arabien“ gesponnen, der personifiziert durch „Twilight“-Star Robert Pattinson am Rande der Handlung Einfluss auf die Geschichte nimmt.
Nicole Kidman („Moulin Rouge“) weiß die hochintelligente und mutige Bell mit einer kühlen Distanz und Charisma in Szene zu setzen. Die dominanten Züge der außergewöhnlichen Frau, die sich ihr Leben lang gegen die Männer durchsetzen und behaupten muss, schafft Herzogs Kameramann Peter Zeitlinger („Rescue Dawn“) mit betörenden Close Ups und Großaufnahmen einzufangen. In nahezu poetischen Bildern verschmilzt Kidmans trauriger Augenaufschlag mit dem Sonnenuntergang der Wüste. An ihrer Seite verliert sich James Franco („127 Hours“) in unterkühlter Schwärmerei, die durch die Tragik des Lebens im Keim erstickt wird. Doch gerade die Tragik ist der Anlass zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit, die bis Ende des Films ein Rätsel für den Zuschauer bleibt.
Fazit: Werner Herzog inszeniert das Leben der legendären Gertrude Bell als eigenwilliges Biopic. Die mutige Titelheldin setzt sich nicht nur über die Meinungen der Männer hinweg, sondern besteht die Konventionen der fremden Länder. Leider verliert sich der politische Fokus und die außergewöhnliche Arbeit Bells hinter den vertäumt-poetischen Bildern.
by Sandy Kolbuch
Bilder © Prokino Filmverleih GmbH