Filmwertung: |
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| 2/10 |
In der Welt von Michael Bay – in der sonst mindestens turmhohe Roboter oder herannahende Asteroiden das Fortbestehen der gesamten Menschheit in Frage stellen – ist „Pain & Gain“ ein (O-Ton) „kleiner, intimer Film“. So sehr es auch aus der Mode gekommen sein mag, auf Bay herumzuhacken (denn ein leichtes Ziel verliert irgendwann zwangsläufig seinen Reiz): Wenn eine solche Aussage ausgerechnet ein Regisseur trifft, der mit jedem einzelnen seiner Filme die eigens perfektionierte Idee eines Spektakel-Kinos um des Spektakels willen zu neuen zweifelhaften Höhepunkten trieb, ist das natürlich als Steilvorlage zu betrachten. Die gute Nachricht lautet: Mit „Pain & Gain“ backt Michael Bay tatsächlich kleinere Brötchen als zuvor. Die schlechte Nachricht: Dies gilt erwatetermaßen nur innerhalb seines eigenen Universums. Bays vermeintlicher Versuch, unter die Autorenfilmer zu gehen, ist „Business as usual“. Nur noch ein bisschen ärgerlicher. Denn wo gute Auto-Roboter gegen böse Auto-Roboter kämpfen und dabei ganze Stadtteile dem Erdboden gleichmachen, kann sich niemand über fehlenden Tiefgang beschweren (über fehlenden Charme und fehlenden Humor allerdings schon) – doch diesmal will Bay auf mehr hinaus: „Diese Typen suchen nach dem amerikanischen Traum“, beschreibt er die Intention seiner Protagonisten, „nur an falscher Stelle“.
„Diese Typen“, das sind die Bodybuilder Daniel Lugo (Mark Wahlberg), Paul Doyle (Dwayne „The Rock“ Johnson) und Adrian Doorbal (Anthony Mackie). Wie ein Gros der Durchschnittsamerikaner sehnen auch sie sich nach „mehr“, nach Selbstverwirklichung, vor allem aber nach materiellem Reichtum. Die Aufforderung des windigen Motivationstrainers Johnny Wu (der aus den „Hangover“-Filmen bekannte Ken Jeong), gefälligst ein „Doer“ und kein „Don'ter“ zu sein – denn wer nicht wagt, der nicht gewinnt – nehmen sie dabei etwas zu wörtlich: Sie entführen kurzerhand den betuchten Fitness-Studio-Kunden Victor Kershaw (Tony Shalhoub), den sie solange foltern wollen, bis dieser ihnen sein gesamtes Vermögen überschreibt. Von nun an folgt „Pain & Gain“ unaufhaltsam „Murphys Gesetz“: Alles, was schiefgehen kann, geht schief. Dieses Motto lässt sich dabei mühelos auf den Film selbst übertragen.
„Pain & Gain“ will als Persiflage auf den „American Dream“ verstanden werden, als pechschwarze Komödie über menschliches Versagen. Leider hat Bay nach wie vor das Feingefühl und die Empathiefähigkeit einer Dampfwalze: Im Gegensatz zum thematisch ähnlich gelagerten „Fargo“ von Joel und Ethan Coen, der sich die Tragödie seiner Figuren – die er trotz entsprechender Überzeichnung nie bloßstellte oder gar brandmarkte – auch zum Anlass nahm für einige Gedanken über die Natur des Menschen an sich und die Gültigkeit von Kategorien wie „Gut“ oder „Böse“, hat „Pain & Gain“ keinerlei Mitleid mit seinen Protagonisten. Dass der Film „auf einer wahren Begebenheit basiert“, macht das Ausmaß des von Bay zelebrierten postmodernen Zynismus nur schlimmer: Ein filmisches Mahnmal wie dieses wünscht man wirklich niemandem. Gnadenlos führt Bay die Dummheit der Entführer vor; und wenn er zum Schluss des Films feststellt, Daniel Lugo sei nicht nur zum Tode, sondern auch noch zu 30 Tagen Gefängnis wegen ungebührlichen Verhaltens verurteilt worden, dann hat das geradezu etwas Genüssliches an sich: „Wenn sich einer so blöd anstellt“, daran appelliert der Film unaufhörlich, „dann hat er es nicht anders verdient“. „Pain & Gain“ ist der auf Zelluloid gebannte Status Quo der hiesigen Sehgewohnheiten und des Weltbilds der Post-MTV-Generation – nicht, weil Bay ein brillanter Satiriker oder der Meister des doppelten Bodens wäre, sondern schlicht und einfach deshalb, weil er es nicht besser weiß. Der Humor des Films indes reicht selten weiter als der Weg von der Hantelbank bis zur nächsten Toilette. „Pain & Gain“ schrammt unentwegt an seiner Intention vorbei, indem er sich die Attitüde der äußerst schlicht umrissenen Figuren-Attrappen, die er anzuprangern vorgibt, zu eigen macht und permanent zum ästhetischen Fixpunkt erhebt: Bay stellt sich bei seinem Satire-Versuch in Form eines nach dem angeblichen Zeitgeist heischenden Actionfilms ebenso tumb an wie seine muskelbepackten Protagonisten. So kommt er am Ende wenigstens in die Nähe einer unfreiwilligen Selbst-Parodie.
by Siegfried Bendix
Bilder © Paramount Pictures Germany