Filmkritik No Turning Back
Filmwertung: |
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| 8/10 |
Die Meinung über einen Film steigt oder fällt meist mit seinen Darstellern. Die Anzahl der Figuren kann sich positiv, aber auch negativ auf die Handlung auswirken. Entscheidet sich der Regisseur dazu, seine gesamte Handlung von nur einem einzelnen Darsteller tragen zu lassen, ist das Risiko groß, dass dieser dran zu scheitern droht. Nur wenige Darsteller haben den Esprit, um eine derart riskante Idee umzusetzen und dabei vollends zu überzeugen. Tom Hardy („The Dark Knight Rises“) hat nicht nur das Talent, sondern bringt auch alle notwendigen Fähigkeiten mit, um den Zuschauer 85 Minuten lang zu fesseln. In Steven Knights („
Redemption – Stunde der Vergeltung“) Drama „No Turning Back“ spielt er einen Mann, dessen gesamtes Leben sich binnen einer Autobahnfahrt in Wohlgefallen aufzulösen droht. Er hat die Entscheidung getroffen seinen einmaligen Seitensprung nicht als Fehler abzustempeln, sondern sich zu den Konsequenzen zu bekennen. Er steigt ins Auto und begibt sich auf die Fahrt von Birmingham nach London. Während des ungewöhnlichen Road-Trips kämpft er nicht nur gegen die Zeit und das Tempolimit an, sondern versucht sowohl seinen Aufgaben als Bauingenieur und Baustellenleiter sowie als treusorgender Ehemann und Vater gerecht zu werden. Er interagiert mit Kollegen, Mitarbeitern, Ärzten, Krankenschwestern, Lieferanten, Polizisten, seinen Kindern, der Ehefrau (Ruth Wilson) und seinem einstigen Seitensprung (Olivia Coleman). Mit stets ruhiger Stimmer vermittelt er allen Kontakten Ruhe und Gelassenheit und versichert stets, dass am Ende alles gut werden wird. In kontrastreichen Bildern nimmt die ungewöhnliche Handlung ihren Lauf, bei der der Zuschauer zum Beifahrer wird. Anhand der privaten und beruflichen Gespräche durch die Freisprechanlage, offenbart sich Ivan Lockes (Tom Hardy) gesamtes Leben mit all seinen Höhen und Tiefen. Ängste, Wünsche und Erinnerungen an die Vergangenheit drohen ihn einzuholen. Doch mutig und souverän stellt er sich den Problemen, die er nach und nach aus dem Weg schaffen kann.
Die Handlung fokussiert lediglich die Autofahrt, auf der viele Gespräche zur Problemlösung geführt werden. Darüber hinaus passiert nichts und dennoch schafft es Knight, der die Drehbücher zu „Eastern Promises – Tödliche Versprechen“ und „Kleine schmutzige Tricks“ schrieb, nun auch als Regisseur den Zuschauer mit seinem Echtzeit-Drama zu fesseln. Nicht zuletzt sind es die konsequent starken Dialoge, über denen sich die Hauptfigur charakterisiert.
Das Einpersonenstück ist schwermütig und die Geschichte an sich banal und dennoch ist das Resultat dessen unterhaltsam. Die Gespräche von Locke kreisen um Moral, Pflicht, Verantwortung, Betrug und dem Wunsch den rechten Weg zu gehen. Die innere Zerrissenheit der Hauptfigur wird durch die Bilder von Kameramann Haris Zambarloukos eingefangen. Die Schönheit nächtlicher Straßen spiegelt sich in Reflexionen unterschiedlicher Lichter von überholenden Autos, Ampeln und Straßenlaternen wieder. Das Gesicht von Locke wird dadurch immer wieder in Licht und Schatten getaucht und untermalt stimmig seine innere Gefühlswelt, in der Hoffnung und Leid sich abwechseln. Tom Hardy überzeugend mit seinem fein nuancierten Schauspiel emotional und einfühlsam als Mann am Scheideweg des Lebens. Gerade durch Hardys komplexe Gefühlsäußerungen wirkt seine verfängliche Situation authentisch. Als Zuschauer nimmt man jeden Blickwinkel der Hauptfigur wahr, bei der er sich um einen ganz normalen britischen Bürger handelt, der einen begangenen Fehler zum Wohle aller in bestmöglicher Art und Weise wiedergutmachen will. Um sowohl seine physische sowie auch emotionale Reise zu untermalen, übernehmen unter anderem Ruth Wilson, Andrew Scott, Ben Daniels und Olivia Colman die Stimmen von Lockes Ehefrau, seiner Kollegen sowie seinem Seitensprung.
Fazit: Ein beeindruckendes Ein-Mann-Drama, das visuell faszinierend eine alltägliche Situation abbildet. Die minimale Geschichte wird von Tom Hardy überzeugend und einfühlsam in Szene gesetzt.
by Sandy Kolbuch