Filmwertung: |
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| 7/10 |
Ein weiteres Mal schlüpft der britische Altmeister Ian McKellen in eine ikonische Rolle. Nach seiner Verkörperung des Gandalf in der Herr der Ringe-Trilogie sowie in den Hobbit-Filmen und der Darstellung des Superhelden Magneto in der X-Men-Reihe, spielt er diesmal einen älteren Sherlock Holmes – einen mehr als doppelt so alten Sherlock Holmes im Vergleich zum Holmes in den Guy Ritchie Verfilmungen wo ihn Robert Downey Jr. verkörpert oder in der britischen Serie, in der Benedict Cumberbatch den berühmten Detektiv spielt.

Nach den actiongeladenen Streifen von Guy Ritchie aus den vergangenen Jahren, erwartet den Kinozuschauern an Heiligabend ein deutlich anderer Sherlock Holmes – Film.
Es ist zugegeben ein gewöhnungsbedürftiger, aber dennoch sehr interessanter Ansatz, den Meisterdetektiv als Rentner auf dem Land zu sehen. Denn in Mr. Holmes ist der Detektiv seit drei Jahrzehnten nicht mehr berufstätig gewesen und mittlerweile 93 Jahre alt. Auf seinem Landsitz wird er von seiner Haushälterin Mrs. Munro – gespielt von Laura Linney (Mystic River, Die Truman Show) – unterstützt und freundet sich dabei mit deren elfjährigem Sohn Roger an. In besten gesundheitlichem Zustand befindet sich Holmes schon länger nicht mehr. Seit geraumer Zeit spürt er, dass ihm die Demenz immer schwerer zusetzt. Doch Holmes möchte sich an ein bestimmtes Ereignis erinnern, nämlich an seinen letzten Fall, welcher der Grund für seinen Rückzug von seiner Tätigkeit als Detektiv war. Um möglichst spoilerfrei zu bleiben, sollte man an dieser Stelle den Inhalt des Filmes nicht weiter vertiefen.
Der
britische Schauspieler Ian McKellen schafft es einmal mehr eine altbekannte Figur trotz seines in der Geschichte hohen Alters mit einer erfreulichen Frische darzustellen. McKellen verkörpert Holmes fein nuanciert und sehr ehrlich. Holmes ist hier keine fiktive, realitätsferne Romanfigur, sondern ist eine wesentlich authentischere Person.

Der Film ist sehr ruhig und langsam erzählt. Was die Dramaturgie angeht, ist er bis auf das letzte Drittel sehr linear inszeniert. Viel passiert nicht. Man erlebt Holmes wie er sich um seine Bienen kümmert, wie er versucht sich an seinen letzten Fall zu erinnern und jene Geschichte des letzten Falles nieder zu schreiben. Wer Action, spannende Verfolgungsjagden oder spektakuläre Kampfsequenzen erwartet, wird hier enttäuscht werden. Dennoch gibt es eine latente Spannung, die sich über den ganzen Film bis zur Auflösung erstreckt.
Schwächen weist der Film in seiner Erzählstruktur auf. Trotz der eher einfachen Geschichte, werden hier gleich mehrere Erzählungen aus verschiedenen Zeitebenen gezeigt. Die gegenwärtige Situation, eine Reise Holmes‘ nach Japan sowie die Geschehnisse vor 30 Jahren bei seinem letzten Fall. Dabei schafft es der Film nicht diese Handlungsstränge jederzeit sinnvoll zu verknüpfen. Man distanziert sich an der einen oder anderen Stelle immer ein Stück vom Kern der Handlung, so dass es sich im mittleren Abschnitt zu einer etwas zäheren Angelegenheit für den Zuschauer entwickelt. Der Film funktioniert jedoch hervorragend auf der emotionalen Ebene. Besonders im letzten Drittel erhält die Erzählung eine rührende Note, welche Mr. Holmes zu einem schönen Film machen.

Es ist letzten Endes ein gewagter, jedoch insgesamt gelungener Versuch den Mythos Sherlock Holmes in deutlich anderer Form auf die Kinoleinwand zu inszenieren. Denn trotz diverser dramaturgischer Schwächen, wird der Film mit seinem feinsinnigen Humor, den recht intelligenten Dialogen und der unkonventionellen Erzählung dem Kinozuschauer in guter Erinnerung bleiben. Die Zielgruppe, an die sich Regisseur Bill Condon richtet, ist hier nichtsdestotrotz eindeutig das ältere, reifere und erwachsene Publikum.
Fazit: Mr. Holmes bietet unkonventionelle, interessante und charmante Unterhaltung mit einem tollen Ian McKellen als Meisterdetektiv Sherlock Holmes. Trotz langatmigen Momenten im Mittelteil ist der Film am Ende ein äußerst sympathischer und schöner Streifen geworden.
by Morteza Wakilian