Filmwertung: |
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| 8/10 |
Mit Lincoln hat Steven Spielberg einen Film geschaffen, der weit mehr will als der Person hinter dem Mythos Abraham Lincoln auf den Grund zu gehen.
Im Zentrum des Films steht das '13th Amendment', der dreizehnte Zusatz, zur amerikanischen Verfassung, welches die Abschaffung der Sklaverei bedeutete. Ihn durchzusetzen war jedoch keineswegs eine One-Man-Show. Gekonnt zeichnet Spielberg ein komplexes Bild von einer Zeit in der der Präsident vom Volk zwar verehrt wurde allerdings in einem Land, das zum Großteil ökonomisch von der Sklaverei abhängig war. Welche (nicht immer legitimen) politischen Kunstgriffe hinter den Kulissen von Nöten waren um diesen Gewaltakt durchzusetzen, veranschaulicht „Lincoln“ mit viel Intelligenz, Spannung und Witz.
Letzteren hat der Film vor allem seinen grandiosen Schauspielern zu verdanken. Für einen Oscar nominiert sind: der in seiner Rolle als Präsident gewohnt überzeugende Daniel Day-Lewis, seine sonderbar zwischen übertriebener Theatralik und pointierter Scharfsinnigkeit changierende Frau, gespielt von Sally Field, und vor allem Tommy Lee Jones, der als ebenso liebenswürdig-kauziger wie scharfzüngig kompromissloser Gegner der Sklaverei eine Glanzleistung abliefert.
Doch da hört das Ensemble nicht auf: David Starthairn („Good Night And Good Luck“) gibt überzeugend den Berater Abraham Lincolns und stellt den Zwiespalt in dem er steckt glaubhaft dar. Er ist zwar seinem Präsidenten loyal ergeben und steht hinter ihm, kann aber nicht anders als stark an dessen Strategie zu zweifeln. Und die Leistungen der drei 'Stimmenfänger' John Hawkes (Oscar nominiert für „The Sessions“), David Costabile und allen voran James Spader („Boston Legal“) , deren mitunter kuriose und höchstens semi-legale Bemühungen wie zur Auflockerung immer wieder in die Haupthandlung eingestreut werden, mach deutlich wie sehr ein Film von einer guten Besetzung bis in die kleinsten Rollen profitieren kann.
Anders als andere Hollywood-Blockbuster vor allem über die amerikanische Geschichte (und auch anders als andere Spielberg-Filme) verfällt „Lincoln“ nie in plumpe 'Schwarz-Weiß-Malerei', nichts ist jemals einfach. Spielberg verheimlicht weder die Zweifel innerhalb der republikanischen Partei am 13th Amendment selbst als auch an dessen erfolgreicher Durchsetzung, noch die fehlende Konsequenz Abraham Lincolns, der seinem eigenen Sohn die Teilnahme an einem blutigen Krieg verweigert, der Hunderttausenden von Eltern ihrer Söhne beraubte. Spielberg macht auch deutlich dass in der Politik keineswegs immer alles mit rechten Dingen zugeht und man kontroverse Ideen nicht umsetzen kann ohne sich die Hände dreckig zu machen oder seinem Wort untreu zu werden.
Nur schade, dass Spielberg bei der entscheidenden Abstimmung nicht auf die Kraft seiner Geschichte, Tommy Lee Jones Schauspiel und die Empathie der Zuschauer vertraut und so die stärkste Szene des Films in musikalischem Schmalz ertränkt. Doch wenn man darüber hinwegsehen kann, erlebt man mit „Lincoln“ eine raffiniertAbhandlung eines – wie die abschließende Rede Lincolns andeutet – immer-präsenten Themas.
by Jana Havlik
Bilder © 20th Century Fox