Filmkritik Le Mans 66 - Gegen jede Chance
Filmwertung: |
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| 9/10 |
Manchmal muss ein Film das Rad nicht neu erfinden und mit Innovationen glänzen, um einfach richtig gut zu sein. „Le Mans 66“ ist genauso ein Film, wie man ihn heutzutage mit diesem Aufwand nur noch selten zu sehen kriegt: Ein durchaus konventionelles, aber enorm gut erzähltes und inszeniertes historisches Drama über zwei starke Persönlichkeiten, angereichert von virtuoser Action und großer Spannung. Den erzählerischen Fokus setzt „Le Mans 66“ auf die Bemühungen der stagnierenden Ford Motor Company mithilfe von Ex-Rennfahrer und Autobauer Carroll Shelby (Matt Damon) gegen die Übermacht von Ferrari anzukämpfen und die Krone des Rennsports, das 24-Stunden-Rennen von Le Mans, zu gewinnen. Hierzu benötigt Shelby nicht nur ein exzellentes Ingenieursteam, sondern auch brillante Fahrer, um ein wettbewerbsfähiges Auto zu bauen, das alle in den Schatten stellen soll. Den besten Fahrer und Mechaniker findet er kombiniert in seinem alten Kollegen Ken Miles (Christian Bale), der den Erfolgsweg des legendären Ford GT-40 bahnt, aber auch mit seiner exzentrischen Art häufig aneckt und dem Saubermann-Image der Marke Ford ein Dorn im Auge ist.
Caroll Shelby (Matt Damon) © Twentieth Century Fox
Regisseur James Mangold, der zuletzt mit „
Logan“ einen der besten Filme 2017 lieferte, beweist weiterhin, dass er zu den kompetentesten Mainstream-Filmemachern Amerikas gezählt werden darf. Wie einst etwa ein Howard Hawks bewegt sich Mangold scheinbar mühelos zwischen den Genres, ohne dabei eine klare Handschrift, dafür aber große Kompetenz in allen Bereichen des Filmemachens zu besitzen. So erweist sich auch „Le Mans 66“ als makellos produziertes Sportdrama der alten Schule, das wenig Neues bietet, aber dafür schlicht wahnsinnig mitreißend, packend und unterhaltsam ist. Zu der geradlinig erzählten Geschichte, die ein wenig unter dem alten David-gegen-Goliath-Motiv steht, bietet „Le Mans 66“ jedoch auch ungemein spektakuläre und realistisch inszenierte Autorenn-Action, die zum Besten gehört, was man in diesem Bereich jemals gesehen hat. Man spürt die Kraft dieser grölenden Maschinen, man fühlt die immense Geschwindigkeit, die Gewalt der Fliehkräfte, ist voll und ganz in der bemerkenswert glaubwürdig in Szene gesetzten Action involviert.
Doch natürlich wären diese Momente nur halb so stark, wenn man nicht auch mit den Figuren mitfiebern würde. Carroll Shelby, einst selbst erfolgreicher Rennfahrer, der wegen eines Herzproblems seine Karriere an den Nagel hängen musste, fungiert im Grunde als rationaler Verstand des Films, während Ken Miles die heißblütige Leidenschaft und das Herz von „Le Mans 66“ darstellt. Wer könnte für ersteres besser geeignet sein als der zuverlässige Matt Damon, der Motorsport- und Autobauer-Legende Carroll Shelby genau die richtige Professionalität und Ernsthaftigkeit gibt, die die Rolle braucht. Das Yang zu Damons Yin ist dann eben Christian Bale, der sich nach seiner Oscar-nominierten Rolle als Dick Cheney erneut in jeder Hinsicht transformiert hat und scheinbar die Hälfte seines angefutterten Gewichts wieder verloren hat. Den rundlichen Gesichtszügen weichen nun kantige und genau definierte, dem amerikanischen Akzent folgt nun ein breiter britischer „Brummie“-Dialekt.
Ken Miles mit Siegerpokal (Christian Bale) © Twentieth Century Fox
Zu Beginn, bei dem Miles einem Werkstatt-Kunden seine eigene Amateurhaftigkeit im Umgang mit seinem Sportwagen unter die Nase reibt, wirkt Bale vielleicht eine Spur zu dick auftragend, zu grimassierend. Doch dieser Eindruck legt sich im Verlauf des Films etwas, gerade wenn man die gewisse prahlende Theatralik seiner leidenschaftlichen, heißblütigen und aus dem Bauch heraus agierenden Figur versteht. Auch sein wütender Auftritt, als Miles vor einem Rennen wegen einer die Regularien verstoßenden Banalität disqualifiziert werden soll, etabliert seine nachvollziehbar unangepasste, aber grundehrliche und bodenständige Art, die weit vom steifen Establishment entfernt ist. Bale formt hier erneut einen erinnerungswürdigen Charakter, der seinem realen Vorbild ein echtes Denkmal setzt. Ken Miles wird hier zweifelsohne als Figur mit Ecken und Kanten dargestellt, die eine nahezu organische Verbindung mit Autos eingehen kann, aber eben nicht in das glattgebügelte Firmenprofil von Ford unter der Führung von Henry Ford II (ein großartig präsenter Tracy Letts) passt. Besonders Fords PR-Mann Leo Beebe (Josh Lucas) ist Miles ein Dorn im Auge. Hier sprenkelt das Drehbuch von Jason Keller und Jez und John-Henry Butterworth immer wieder dramaturgisches Öl ins Feuer, denn Beebe versucht immer wieder Steine in den Weg von Miles zu legen, obwohl dieser der offensichtliche Erfolgsgarant für seinen Arbeitgeber darstellt.
Der Film schildert packend den Prozess, ein großartiges Auto zu bauen und es Schritt für Schritt zu perfektionieren, während dabei immer wieder interne Hürden überwunden werden müssen. Doch zu Beginn fokussiert sich „Le Mans 66“ auch auf den Weg von Ford selbst: So hält Henry Ford II etwa eine entwaffnende Ansprache vor seiner Belegschaft angesichts der rückläufigen Entwicklung des Konzerns, den er von seinem Vater übernommen hat. Stark ist dann etwa auch eine Anekdote, die den von Ford-Manager Lee Iacocca (Jon Bernthal) fingierten Übernahmeversuch von Ferrari erzählt. Dieser interessant-amüsante Fehlschlag, bei dem Remo Girone einen guten Auftritt als Enzo Ferrari hinlegt, setzt dann erst den Grundstein für das entflammte Duell zwischen Ford und Ferrari, bei dem Carroll Shelby und Ken Miles in den Mittelpunkt rücken.
Carroll Shelby (Matt Damon) und Ken Miles (Christian Bale) © Twentieth Century Fox
„Le Mans 66“ baut einen dramaturgischen Sog und erzählerische Energie auf, dem man sich für die überraschend flott vorbeistreichenden 152 Minuten nicht entziehen kann. Sowohl die Drehbuchautoren als auch James Mangold wissen um die Formelhaftigkeit des Stoffs, füllen diese aber dramaturgisch perfekt und schlicht erfüllend in die filmische Realität um. Auch dank des dynamischen wie liebenswerten Hauptdarsteller-Duos und einer Riege sehr guter Nebendarsteller, einer erstklassigen visuellen Umsetzung voller präzise wiedergegebener historischer Details, einem elektrisierenden Score von Marco Beltrami und Buck Sanders und spektakulärer Rennszenen ist „Le Mans 66“ schließlich ein astreiner und publikumswirksamer Triumph, den man uneingeschränkt empfehlen kann, ob man nun Motorsportfan ist oder nicht.
Fazit: „Le Mans 66“ ist mitreißendes und hochgradig unterhaltsames Hollywoodkino der alten Schule – wunderbar gespielt, erstklassig inszeniert, tadellos erzählt, lebendig und voller elektrisierender und hochspannender Motorsport-Action.
by Florian Hoffmann
Bilder © 20th Century Fox