Filmwertung: |
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| 4/10 |
Hier kommt ein Film ins Kino, der mit Förderung gefüttert und mit Preisen und Auszeichnungen reichlich belohnt ist. Ein besonders wertvoller Film ist es also in den Augen jener, die tun und entscheiden. Welcher zudem noch auf einer wahren Begebenheit basiert.

Bei dieser Geschichte, die vermeintlich aktuell und wichtig zu erzählen ist, bespiegelt sich die Perfektion konsequent befolgter Linie selbst und lässt keinen Platz für den Zuschauer. Ob das Problem an der eigentlichen Story oder doch eher an dem Wie der Ins-Bild-Setzung liegt – in dem gutgemeinten Jonathan findet sich bitterwenig zum Anfassen und Festhalten.
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Es fängt mit einem Regenschauer an, wir sind im Wald, das Grün der Bäume und des Moorbodens ist satt und schön. Ein älterer Mann ist sichtbar krank und zittert, ein junger Mann findet ihn und nimmt ihn aus dem Wald heraus mit ins Trockene. Die beiden sind Vater und Sohn – auf den ersten Blick könnte es noch etwas werden. Man wünscht sich mehr von dem Wald. Jetzt sind wir aber in einem nahgelegenen Landhaus und erfahren, dass der Vater (André M. Hennicke) sich seiner Krebserkrankung nicht mehr widersetzen mag und dass der Sohn Jonathan (der aufkommende Star Jannis Niewöhner) sich stur weiter um ihn kümmert. Er steht als erster auf und macht abends das Licht aus – ein guter Junge, und schöne Lampen basteln tut er auch noch. „Wie war Mama eigentlich so?“ Papa Burghardt weicht aus: „Es ist lange her“. Ein Familiengeheimnis.
Martha (Barbara Auer), die Schwester von Burghardt, widersetzt sich der vollkommen natürlichen Neugier ebenfalls, ihrerseits mit der Verbissenheit einer starken und zähen Bäuerin, bei der sich abends Tränen mit dem Schnaps in einem Glas vermischen. Martha und Burghardt reden nicht miteinander.

Für alle, die zwischendurch abgelenkt waren, noch einmal – ein Familiengeheimnis.
In das triste Bauernhof-Ensemble kommt bald die Pflegerin Anka dazu, und wie sie kommt! Wie sie in dem sanften Licht des Abends auf einmal da ist, wie sie die Zunge über das Papier ihrer Selbstgedrehten führt und wie sie diese dann cool an der Lampe des laufenden Diaprojektors anzündet. Das unerträglich Romantische der Darstellung überlässt Jonathan nichts anderes, als sich aufrichtig zu verlieben. Anka ist nicht nur dafür da, um Burghardt zu pflegen und Jonathans Freizeit – Zitat! – abwechslungsreicher zu machen. Sie ist eine Art Meta-Instanz, durch die hindurch der Filmemacher Piotr Lewandowski (Buch und Regie) uns wissen lässt, dass Sterben auch Teil des Lebens ist, und dass man, wenn man sterben will, das Leben zulassen muss. Doch das Familiengeheimnis erlaubt allen jetzt erst einmal nicht loszulassen. Darum muss Ron in die Story, ein Freund aus alten Zeiten, gutaussehend, in einer Lederjacke. Als Ron und Burghardt etwas später in einer Szene einen Italo-Schlager von Toto Cutugno zu singen versuchen, fragt man sich, ob das biedere Lasciate mi Cantare-Lied für die Wiederkehr des Verdrängten steht, oder einfach nur dafür, dass es dem Burghardt nach Rons Erscheinung körperlich und seelisch merklich besser geht. In jedem Fall ist alles bis zu diesem Punkt und weiter bis zum Ende vorhersehbar, lustlos, bestenfalls großspurig, in Kurzsynopsis auf jeden Fall auch schon auserzählt. Keine Widerstände im Bild, keine Knicks, kein einziger Stolperer. Das versprochene Familiengeheimnis platzt nicht wie ein Abszess, sondern zeigt sich überdeutlich und langsam um die Ecke.
In Jonathan sieht man, wie sich ein Schmetterling im Spinnengewebe verfängt und wie ein Schmetterling sich an dem Irrlicht der Lampe verbrennt.

Zugegeben macht sich ein Landhaus gut als netter Filmschauplatz. An dem Gesicht von Jannis Niewöhner bleibt der Film regelrecht kleben. Die Kamera filmt durch Barbara Auers lockiges Haar auf die sich öffnenden Aufzugtüre hin und von unten auf den fallenden Regen hinauf – vielleicht ist das Ganze einfach zu schön. Selbst der Kuhmist schaut in Jonathan hübsch aus. Und gerade bei Barbara Auer erinnert man sich doch vielleicht, wie nervös und böse sie mal in Die innere Sicherheit rauchte.
Als alles vorbei ist, fahren Jonathan und Martha zusammen aus dem „Funkloch“ in ihre normierte Hetero-Zukunft dahin. Die Sonne im Zugfenster geht auf oder unter – kameratechnisch egal.
Fazit: Sobald sich im Kino ein Bildungsauftrag klar macht, kann er dann noch anders als scheitern?
Ein wenig Subtilität hätte dem Film gut getan. Jonathan ist kein schönes Stück Kino, obwohl er es nur zu gern wäre.
by Olga Baruk